Josef Hader - Alles Außerirdische hier

Der Kabarettist und Schauspieler Josef Hader debütiert als Filmregisseur. Seine Tragikomödie „Wilde Maus“ lief auf der Berlinale und kommt am 9. März in die Kinos

Erschienen in Ausgabe
Mit Auftritten als knautschiger Ermittler Simon Brenner sorgte Josef Hader für Furore / Oliver Mark
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Autoreninfo

Dieter Oßwald studierte Empirische Kulturwissenschaft und schreibt als freier Journalist über Filme, Stars und Festivals. Seit einem Vierteljahrhundert besucht er Berlinale, Cannes und Co. Die lustigsten Interviews führte er mit Loriot, Wim Wenders und der Witwe von Stanley Kubrick.

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Ein bisschen unheimlich ist er schon, dieser Josef Hader. Selbst Google weiß absolut nichts Negatives über ihn zu petzen. Gut, besser. Hader? Als Kabarettist hat der 1962 in Oberösterreich geborene, auf dem elterlichen Bauernhof aufgewachsene Künstler alle wichtigen Kleinkunstpreise abgeräumt. 1993 gelang ihm als Drehbuchautor und Hauptdarsteller mit „Indien“ einer der erfolgreichsten Filme seiner Heimat.&

Mit Auftritten als knautschiger Ermittler Simon Brenner in den Verfilmungen der bitterbösen Wolf-Haas-Krimis sorgte er für Furore. Der schwarzhumorige Erfolg ging in Serie, trotz Kassenerfolg und Kultstatus freilich mit gemütlichem Tempo. Zwischen „Komm, süßer Tod“, „Silentium“, „Der Knochenmann“ und zuletzt „Das ewige Leben“ liegen 15 Jahre. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir einen James-Bond-Rhythmus machen wollten“, gab Hader bei einer ersten Begegnung einst mit vergnügtem Ernst zu Protokoll. Leise, charmant, bescheiden tritt er im Gespräch auf und rührt seinen Tee. Vor Zitaten aus seinem Bühnenprogramm sollten Journalisten wie Fans sich hüten. In dieser isolierten Form, klagt der Komödiant, erkenne er solche Sprüche meist gar nicht, „auch wenn sie von mir selbst stammen“.

Wortwitz-Feuerwerk der minimalistischen Art

Da hat sich Hader etwas eingebrockt mit seinem Regiedebüt. Diese „Wilde Maus“, eine Tragikomödie über einen vom Regienovizen selbst gespielten arbeitslos gewordenen Musikkritiker auf Rachetrip, bietet reichlich Bonmot-Dialoge mit Potenzial zum Weitererzählen. „Das ist gut geschrieben!“, solches Lob für einen Polizeibericht könnte ebenso Karriere machen wie der Flirtspruch „Sie haben einen sehr schönen Daumen“ oder die traurige Selbstanalyse: „Seit ich auf der Welt bin, sind andere Menschen wie Außerirdische für mich.

Die Verkündung der Entlassung gerät gleichfalls zum funkelnden Wortwitz-Feuerwerk minimalistischer Art. „Es wird Leserproteste geben!“, reagiert Georg, der Starkritiker, empört. „Ihre Leser sind fast alle tot“, erwidert der Chefredakteur (Jörg Hartmann) teilnahmslos. Wie ein begossener Pudel steht der gefürchtete Rezensent da. Die Stimmung der gerupften Edelfeder schwankt zwischen Ohnmacht, Wut und Entsetzen.

Printjournalisten sind die Bergarbeiter des Mittelstands

Damit nicht genug, drängt Georgs jüngere Gattin Johanna (Pia Hierzegger), eine Psychologin, panisch darauf, endlich ein Kind zu zeugen. Der arbeitslose Kritiker flieht auf den Rummelplatz. Dort hadert des Haders Held heftig mit dem Schicksal. Sein Zug ist abgefahren. Ihm bleibt die Fahrt in der Liliputbahn rund um den Prater. Schicksalsträchtig erweist sich der Lokführer des Minizugs als ehemaliger Mitschüler Erich, Typ harte Schale, härterer Kern – eine Proll-Paraderolle, maßgeschneidert für Georg Friedrich. Das ungleiche Duo renoviert eine ramponierte Achterbahn, die titelgebende „Wilde Maus“, und übt Rache an Georgs Ex-Chef. Würde ist schließlich nicht nur ein Konjunktiv. 


Bei einer Satire über Arbeitslosigkeit im Mittelstand einen Journalisten in den Fokus zu rücken, liegt nahe. „Printjournalisten sind die Bergarbeiter des Mittelstands, wo die Gruben alle geschlossen werden“, sagt Hader, dessen „Wilde Maus“ die bloße Medienmisere freilich hinter sich lässt. Da wird so leidenschaftlich wie politisch korrekt über vegane Ernährung geplaudert, derweil die Fernseh- und Radionachrichten über die Flüchtlingskrise zur Kaufhausmusik im Hintergrund geraten. „Wir können viel besser entscheiden, welches Essen moralisch einwandfrei ist, als zu überlegen, wer im Irak oder der Ukraine die Guten und die Bösen sind“, lautet Haders Diagnose. Wie bei seinen Kabarettprogrammen stehen politische Themen nicht im Vordergrund, die gesellschaftliche Stimmung bleibt aber auch nicht ausgeblendet.

Komödien dürfen nicht ausschließlich lustig sein

Drei Jahre hat die Arbeit am Drehbuch gedauert, eine Sorgfalt, die sich auszahlt und mit der Einladung ins Wettbewerbsprogramm der diesjährigen Berlinale belohnt wurde. Die Figuren fallen stimmig aus. Der Plot bietet wirkliche Überraschungen. Die Situationskomik sitzt. Und endlich einmal werden die dramaturgischen Möglichkeiten von Pausen wirkungsvoll zur Geltung gebracht. „Ich achte sehr darauf, dass Pointen wirklich der Geschichte dienen und aus der Situation heraus entstehen“, beschreibt der Österreicher sein komödiantisches Konzept. Eine Komödie, die ausschließlich lustig sei, habe das Problem, dass keines der Probleme noch irgendetwas wert ist.

Wie Kubrick, die Coen-Brüder, Truffaut hat der Regieanfänger den Schnee als stimmungsvollen Spezialeffekt für ein furioses Finale entdeckt. Vor weißer Bildpracht samt gedämpftem Ton erscheint alles noch eindringlicher. Erst recht, wenn der melancholische Held nur mit Unterhose bekleidet durch den meterhohen Schnee stapft. Super lustig – ein bisschen unheimlich ist Hader aber schon.

 

Dieser Text stammt aus der Märzausgabe des Cicero, die Sie in unserem Online-Shop erhalten.

 

 

 

 

 

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