Der Fall Hans Joachim Mendig - Mittagessen mit Meuthen

Der Chef der hessischen Filmförderung wird abgesägt, weil er mit dem Bundessprecher der AfD zu Mittag gegessen hat. Aber wer etwas genauer hinschaut, merkt schnell: Hier geht es um etwas ganz anderes

AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen - mit ihm lässt man sich besser nicht sehen / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Der Geschäftsführer einer deutschen Filmförderanstalt trifft sich zum Mittagessen mit einem AfD-Politiker und verliert daraufhin seinen Job. So liest sich die Kurzfassung jenes Falls, der sich soeben in Hessen zugetragen hat. Der Name des Filmförderungschefs lautet Hans Joachim Mendig, 66 Jahre alt, ehemals Programmverantwortlicher beim Hessischen Rundfunk und seit 2016 Geschäftsführer der „HessenFilm und Medien GmbH“, also der hessischen Filmförderung mit einem Jahresetat von gut zehn Millionen Euro. Der AfD-Politiker wiederum ist kein anderer als Jörg Meuthen, seines Zeichens Parteivorsitzender und Europaabgeordneter. Fatalerweise sind die beiden auf einem Foto zu sehen, das sie gemeinsam an einem Restauranttisch zeigt; ein dritter Mann, der Frankfurter PR-Berater Moritz Hunzinger, ergänzt die Runde. Alle blicken recht fröhlich in die Kamera.

Mit der Fröhlichkeit ist es inzwischen vorbei. Denn gestern hat der Aufsichtsrat der „HessenFilm“ unter Vorsitz der hessischen Kultusministerin Angela Dorn (Bündnis90/Die Grünen) den einstimmigen Beschluss gefasst, Mendig als Geschäftsführer abzuberufen. Begründet wird dieser Schritt recht vage mit der „Ankündigung vieler Filmschaffender, nicht mehr mit der HessenFilm zusammenarbeiten zu wollen“; mit vorangegangenen „Rücktritten von Jury-Mitgliedern“ sowie einem „möglichen Imageschaden für das Land und die HessenFilm“. Die ganze Angelegenheit ist ein Politikum, wie es exemplarischer kaum sein könnte für Deutschland im Jahr 2019. Denn sie handelt davon, wie im Sinne vermeintlich höherer Moral einer in Wahrheit reichlich profanen Agenda gefolgt wird. Hans Joachim Mendig stand jedenfalls schon länger auf der Abschussliste – da kam das Foto mit Meuthen gerade recht.

Lunch bei Gregorelli

Was genau ist geschehen? Gegenüber Cicero schildert Moritz Hunzinger, CDU-Mitglied und in Frankfurt stadtbekannt, die Begebenheit so: Mendig, den er schon seit gemeinsamen Bundeswehrzeiten kennt, habe sich mit ihm mal wieder zum Mittagessen treffen wollen. Der von Mendig vorgeschlagene Termin sei aber bereits vergeben gewesen, weil Hunzinger schon mit Jörg Meuthen verabredet gewesen sei. Als PR-Mann pflegt Hunzinger, ein äußerst umtriebiger Unternehmer, ein großes Netzwerk von Bekannten. Eine persönliche Begegnung mit dem Vorsitzenden der AfD, immerhin größte Oppositionspartei im Bundestag, gehört gewissermaßen zu seinem Berufsbild. Jedenfalls schlug der PR-Profi seinem alten Bekannten Mendig vor, sich doch einfach dazuzugesellen.

So geschah es dann auch; die drei Herren trafen sich an einem sonnigen Tag im vergangenen Juli zum Lunch im zentral gelegenen Frankfurter Restaurant „Gregorelli’s“. Es sei eine ebenso unterhaltsame wie harmlose Zusammenkunft gewesen, bei der Mendigs Profession, also das Filmgeschäft, überhaupt kein Thema gewesen sei. Der Chef der hessischen Filmförderung war ja, wie gesagt, ursprünglich gar nicht als Teilnehmer an der Runde vorgesehen. Ein Foto der drei Mittagsgäste, das bei dieser Gelegenheit offenbar von einem Kellner im „Gregorelli’s“ gemacht wurde, fand sich schließlich am 24. Juli auf Jörg Meuthens Instagram-Account. Meuthen beteuert, Hunzinger und Mendig hätten der Veröffentlichung vorher zugestimmt.

Missbilligtes Verhalten

Daraufhin passierte zunächst überhaupt nichts, bis das Foto dann doch irgendwann die Kulturszene erreichte. Und wie es inzwischen üblich ist, fand sich schnell ein interessierter Kreis an Empörten, die mit einer Unterschriftenliste ihrem (echten oder vermeintlichen) Entsetzen über die Tischgesellschaft des hessischen Filmförderchefs Ausdruck verliehen. „Wir, Filmschaffende aus allen Bereichen und Regionen Deutschlands, missbilligen das Treffen zwischen Hans Joachim Mendig, Geschäftsführer der Hessen Film, und dem AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen“, heißt es darin.

Die Unterzeichner „erinnern daran, dass derselbe Jörg Meuthen am 2. Mai 2016 sich mit fraglos rechtsradikalen Auffassungen äußerte (,Wir wollen weg vom links-rot-grün-versifften 68er-Deutschland und hin zu einem friedlichen, wehrhaften Nationalstaat‘) und als strammer Gegner liberaler Kulturproduktion bekannt ist. Der Geschäftsführer der HessenFilm bekleidet eine Position mit hohen Anforderungen an Überparteilichkeit, Offenheit für vielfältige künstlerische Positionen, demokratische Kultur und Transparenz. Er hat mit seinem Verhalten den Ruf der HessenFilm, der durch seine autoritäre Amtsführung bereits vorher belastet war, weiter schwer beschädigt. Eine weitere Zusammenarbeit mit ihm und der HessenFilm ist für uns unter diesen Bedingungen nicht vorstellbar. Wir rufen ihn daher zum Rücktritt auf, um einen Neuanfang zu ermöglichen.“

„Autoritäre Amtsführung“?

Soweit also die Petition, unter der die Namen von mehr als 550 „Filmschaffenden“ zu finden sind – von Branchengrößen wie Dominik Graf, Christian Petzold oder Iris Berben bis hin zu irgendwelchen Kameraassistenten und Maskenbildnerinnen. Lässt man einmal die Frage außer Acht, ob Meuthens Forderung nach einem „friedlichen, wehrhaften Nationalstaat“ tatsächlich eine „fraglos rechtsradikale Auffassung“ darstellt, so macht vor allem der Hinweis auf Mendigs „autoritäre Amtsführung“ stutzig, welche die Unterzeichner dem Chef der hessischen Filmförderung zum Vorwurf machen. Man könnte jedenfalls auf die Idee kommen, dass die Empörung über Hans Joachim Mendigs Mittagsgesellschaft nur als Vorwand für etwas ganz anderes dient. Wenn das Zusammentreffen von Hessens oberstem Filmförderer mit dem AfD-Vorsitzenden zumindest aus Sicht der Unterzeichner gewissermaßen der Verbrüderung mit einem Rechtsradikalen gleichkommt – warum muss man dann überhaupt noch auf Mendigs angeblich „autoritäre Amtsführung“ hinweisen?

Persona non grata

Die ganze Geschichte erinnert jedenfalls stark an den Fall von Hubertus Knabe, den ehemaligen Leiter der Berliner Gedenkstätte Hohenschönhausen. Knabe wurde bekanntlich von seinem Amt mit der Begründung freigestellt, er sei Vorwürfen gegen seinen Vizedirektor wegen sexueller Belästigung nicht nachgegangen. Tatsächlich dürfte es eher darum gegangen sein, dass der stramme Antikommunist Hubertus Knabe beim rot-rot-grünen Senat zur politisch missliebigen Person geworden war.

Hans Joachim Mendig ist jedenfalls noch nie durch politischen Extremismus welcher Art auch immer auffällig geworden. Man muss sich aber nur ein bisschen im hessischen Kultusministerium und in der Filmbranche umhören, um den wahren Grund für seine Demissionierung zu erfahren. Dort wird er als selbstgefällig, kooperationsunwillig und wenig innovativ beschrieben; als jemand, der sich vor allem bei Filmpremieren gern sehen ließ, dem es ansonsten aber an Feingefühl gefehlt habe. Fakt ist: In der Filmbranche und in der hessischen Kulturpolitik galt Mendig schon seit längerem als Persona non grata. Es wird sogar die Vermutung gestreut, Mendig habe die ganze Situation absichtlich heraufbeschworen, um eine hohe Abfindung zu kassieren. Die dürfte nämlich fällig werden, weil ein gemeinsames Mittagessen mit einem AfD-Politiker als Kündigungsgrund kaum ausreichen dürfte.

Die ganze Geschichte hat jedenfalls viel mit persönlichen Animositäten und dafür umso weniger mit politischem Extremismus zu tun. Aber mit der Ideologisierung eines im Kern unpolitischen Konflikts zum eigenen Vorteil betreibt man nichts anderes als das Spiel der vielgescholtenen Populisten. „Kulturschaffende“ sollten das eigentlich wissen.

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