Die letzten 24 Stunden von Jasmin Tabatabai - Glücklich mit den kleinen Dingen

Die Schauspielerin und Musikerin Jasmin Tabatabai möchte an ihrem letzten Tag ganz bewusst kein Spektakel und bevorzugt das Klassische. Denn der Gedanke, dem Tag noch eine zusätzliche Schwere zu geben, widerstrebt ihr.

Jasmin Tabatabai: „Ich werde alle noch mal umarmen, aber niemandem sagen, dass ich gehen muss“ / Mathias Bothor
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Nadine Emmerich ist freie Journalistin.

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Die Schauspielerin und Musikerin Jasmin Tabatabai wurde 1967 in Teheran geboren und verließ während der Islamischen Revolution das Land, um nach Deutschland, dem Heimatland ihrer Mutter, zu gehen. Am 26. Mai erschien ihr neues Album „Jagd auf Rehe“.

Persische Eltern sagen ihren Kindern als Liebesbezeugung immer: „Gebe Gott, dass ich vor dir sterbe.“ Und ich finde das sehr treffend, ich wünsche mir das wirklich auch. Insofern bin ich an meinem letzten Tag erst einmal glücklich, dass ich vor meinen Liebsten gehe.

Ich unternehme nichts Besonderes, sondern verbringe einen ganz normalen Tag mit meinen Kindern und meinem Mann. Ich bin zu Hause, wecke die Kinder, bringe sie zur Schule. Wenn sie nach Hause kommen, spielen wir miteinander, sind im Garten. Später machen wir etwas zu essen, vielleicht eine Hühnersuppe. Das ist eines der wenigen Gerichte, auf das sich alle einigen können. Die Kinder erzählen noch mal vom Tag, dann schauen wir einen Film, wahrscheinlich eine Zeichentrickproduktion. Anschließend sitze ich noch ein bisschen mit meinem Mann zusammen, vielleicht trinken wir ein Bier.

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Vom Glücklichsein und orientalischem Fatalismus

Ich werde alle noch mal umarmen, aber niemandem sagen, dass ich gehen muss. Während die Kinder in der Schule waren, habe ich ein paar Menschen angerufen, die ich nicht mehr sehen werde: meine Mutter, meine Schwester, ein paar Freundinnen und Freunde. Ich habe sie gefragt, wie es ihnen geht und was so los ist.

Und das war es dann auch schon. Das ist unspektakulär, aber ich möchte das ganz bewusst so. Ich finde: Das ist genug. Man sagt doch immer: Die Fähigkeit zum Glücklichsein ist, dass du zufrieden bist mit dem, was du hast. Ich habe ein gutes Leben. Da brauche ich keine Sensation und keinen Wahnsinn. Und was nützt es denn, sich am letzten Tag zu sagen: Hätte ich doch damals nur diese Reise gemacht. Oder warum habe ich nicht diese Rolle gespielt.

Wahrscheinlich bin ich schon traurig. Ich stelle mir aber vor, dass ich darüber hinwegkomme oder abgelenkt werde, indem ich mich auf die anderen konzentriere. Außerdem kann ich es nicht ändern. Da bin ich fatalistische Orientalin, ich nehme es hin. Ich höre auch keine Musik an dem Tag, das würde mich nur viel zu emotional machen.

Was zählt, ist, dass du geliebt hast

Vielleicht halte ich mich auch so sehr im Alltag auf, um nicht in der Vergangenheit zu schwelgen. Der Gedanke, dem Tag noch eine zusätzliche Schwere zu geben, widerstrebt mir. Vielleicht passiert es automatisch, dass Teile meines Lebens an mir vorbeiziehen. Ich bin überzeugt, dass das dann aber eher kurze Momente sein werden – etwa eine Umarmung meiner Kinder. Genau in diesen kleinen Dingen liegt doch das Glück. Was zählt und wichtig ist, ist, dass du geliebt hast.

Was nach dem Tod kommt, ist für mich dagegen nicht wichtig. Ich kann mir aber vorstellen, am Ende auch neugierig und irgendwie fasziniert zu sein. Der Tod ist ja das große Geheimnis der Menschheit: Wie ist es, zu sterben? Man schließt hier ab, geht in etwas Neues hinein, woandershin, vielleicht wie durch ein Tor. Wenn es dann so weit ist, mache ich einfach nur die Augen zu und habe dabei hoffentlich ein Lächeln auf den Lippen.

Wo und wie ich beerdigt werde, soll sich meine Familie aussuchen. Ich denke aber, ich bevorzuge etwas Klassisches. Wenn ich mir vorstelle, meine Asche würde über einem persischen Gebirge verstreut – das ist doch alles Quatsch.

Aufgezeichnet von Nadine Emmerich

Dieser Text stammt aus der September-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

 

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