Ilka Bessin - Prinzipiell ‘ne Macke

Die Komikerin Ilka Bessin tritt jetzt nicht nur bei der RTL-Sendung „Let's dance“ unter eigenem Namen auf. Cindy aus Marzahn gibt es nicht mehr. Geblieben aber ist ihre Weigerung, sich über andere lustig zu machen. Ein Porträt

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Ilka Bessin ist längst über „Cindy aus Marzahn“ hinausgewachsen / picture alliance
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Josefine Janert ist freie Journalistin in Berlin und schreibt über Gesellschaft, Religionen und den Arbeitsmarkt. (Foto: castingfoto.de)

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Ilka Bessin kommt gern überpünktlich zu Verabredungen. Eine halbe Stunde vor dem Interviewtermin sitzt sie in ihrem Lieblingscafé in Berlin-Wilmersdorf. Sie wirkt bodenständig, hier wie auf der Bühne. Pünktlichkeit ist für sie eine Frage des Respekts, und der liegt ihr am Herzen. Für eine Stand-up-Komikerin ist das ungewöhnlich. Andere Menschen durch den Kakao zu ziehen, ist der Markenkern vieler ihrer Kollegen. Bessin lacht mit ihrem Publikum lieber über sich selbst. „Ich werde mich jetzt nicht über andere Leute lustig machen“, sagt sie. „Ich will von anderen respektvoll behandelt werden und gehe mit ihnen genauso um.“ Ihre Dünnhäutigkeit hängt wohl auch damit zusammen, dass sie wegen ihres Gewichts bisweilen von Wildfremden angepöbelt wird.

Die Frau mit den blonden Locken verkörperte im Privatfernsehen jahrelang die Kunstfigur „Cindy aus Marzahn“. In dieser Rolle trug sie pinke Klamotten, mokierte sich im derben Ton über ihre Langzeitarbeitslosigkeit und Misserfolge bei Männern. 2016 wurde Bessin das pinke Korsett zu eng, und sie verabschiedete sich von der Figur. Ab dem 15. Dezember tritt sie nun mit einem Soloprogramm auf. Bis Ende Januar 2020 sind 21 Termine in ganz Deutschland geplant. „Ich gehe als Ich auf die Bühne und erzähle von meinen Alltagsproblemen, die ich als Frau habe, die langsam auf die fünfzig zugeht“, sagt sie.

Ein Publikum aus alten Bekannten

Seit Ilka Bessin „Cindy aus Marzahn“ hinter sich gelassen hat, ist sie freier in der Wahl ihrer Themen und ihrer Kleidung. Bei einer Fernsehaufzeichnung im Berliner „Quatsch Comedy Club“, die im Januar im Privatsender Sky gezeigt wird, trägt sie einen schwarz-weißen Hosenanzug und das Haar kunstvoll hochgesteckt wie eine russische Folkloredame. „Erst mal bin ich als Person lustig“, sagt sie bei einem weiteren Interviewtermin am Telefon. „Ich hab ja prinzipiell ne Macke, auch privat.“

Lustig sei vieles an ihr, erklärt Bessin in ernstem Ton, zum Beispiel ihre langen Aufenthalte in Drogeriemärkten. Sie hat festgestellt, dass es feuchtes Toilettenpapier in unzähligen Sorten gibt. Neulich hat sie Weißer Hibiskus und Sauerkirsche entdeckt. „Riecht jemand an meinem Po oder was?“, fragt sie. „Solche Dinge fallen mir auf, und darüber rede ich dann auf der Bühne. Viele Leute sagen dann: Stimmt, das habe ich auch schon erlebt.“

Auf der Bühne im „Quatsch Comedy Club“ wirkt sie warmherzig, so, als wolle sie das Publikum an ihren Busen drücken. Sie redet mit den Zuschauern wie mit alten Bekannten, verbündet sich mit ihnen gegen die Unbilden der Welt: „Humor ist ja das Einzige, das uns bleibt, wenn’s uns schlecht geht“, sagt sie am Telefon.

Der Beginn ihrer Karriere

Ihr ging es viele Jahre lang schlecht. Ihre große Klappe und ihr Humor halfen ihr, das durchzustehen. Geboren wurde sie in Luckenwalde, einer Kleinstadt südöstlich von Berlin. Als Kind wurde Ilka Bessin von Mitschülern gemobbt, weil sie schon damals zu dick war. Ihr Vater schlug sie. Sie habe allen verziehen, schreibt sie in ihrer Autobiografie, die verfilmt werden soll; gerade entsteht ein Drehbuch. Auch weil Bessin sich mit ihren Eltern aussöhnen konnte, gab und gibt ihr die Familie Rückhalt und Wärme.

Das galt auch während ihrer Arbeitslosigkeit. Bessin ist gelernte Köchin. Ihre lange Hartz-IV-Karriere ist auch damit zu erklären, dass sie in Gesprächen mit ihrer Arbeitsamt-Beraterin darauf beharrte, statt weiter zu kochen und zu kellnern nun endlich etwas Kreatives machen zu wollen. Damit konnte die Beraterin nichts anfangen. Trotzdem kam es schließlich so. 2004 rief Ilka Bessin beim „Quatsch Comedy Club“ an, um sich als Kellnerin zu bewerben. Sie geriet zufällig an den Mann, der die Talente für einen Nachwuchswettbewerb buchte. Sie wurde eingeladen – und innerhalb weniger Monate berühmt.

Kein tonnenschwerer Moralismus

Was sie von manchen ihrer schillernden Kollegen unterscheidet, ist, dass man ihr immer noch anmerkt, welche Täler sie durchschritten hat. Inzwischen schafft sie es, sich nicht mehr so über Hasskommentare zu grämen wie zu Beginn ihrer Karriere. Obwohl sie zum Beispiel Witze über Minderheiten ablehnt, könne sie verstehen, dass Dieter Nuhr in seiner ARD-Sendung über Greta Thunberg gespottet hat, sagt Ilka Bessin. Weil die Klimaaktivistin minderjährig ist, erntete Nuhr dafür einen Shitstorm. „Menschen, die in der Öffentlichkeit so präsent sind wie Greta Thunberg, bieten sich für einen Comedian oder Kabarettisten natürlich besonders an“, sagt Bessin diplomatisch.

Wie gehen wir miteinander um? Was leben wir unseren Kindern vor? Die kinderlose Frau klingt hochmoralisch, wenn sie über solche Fragen sinniert. Trotzdem wirkt dieser Moralismus nicht so tonnenschwer wie der anderer öffentlicher Personen, eben weil sich Ilka Bessin ihre Fähigkeit zur Selbstironie bewahrt hat.

Dieser Text ist in der Dezember-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

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