Harald Glööckler über seine letzten 24 Stunden - Und wenn er kommt, dann sterbe ich

Extravaganzen hat sich der Designer Harald Glööckler genug gegönnt, an einem imposanten Abgang wäre er in seinen letzten 24 Stunden aber nicht interessiert. In unserer Kolumne schreibt er, worauf es ihm dann ankommt.

Ist spirituell, ganz ohne Kirche: Harald Glööckler / dpa
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Autoreninfo

Björn Eenboom ist Filmkritiker, Journalist und Autor und lebt im Rhein-Main-Gebiet.

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Harald Glööckler wurde 1965 in Maulbronn geboren. Der Designer, Maler und Couturier gehört zu den schillerndsten Persönlichkeiten seiner Zunft. Sein aktueller Ratgeber „Krise als Chance“ ist im Musketier-Verlag erschienen.

Ich bin ein wenig überrascht, dass meine letzten 24 Stunden schon anbrechen. Doch auf den zweiten Blick ist es unerheblich, ob mich der Tod in 24 Stunden oder erst in 24 Jahren heimsucht. Was soll ich herumjaulen? Ich muss mich diesem Tag stellen.

Ich bin ein sehr pragmatischer Mensch. Es gibt in meinem Leben nicht viel Unerledigtes. Panik liegt mir fern. Ich möchte den Tag so verbringen wie jeden anderen Tag auch. Extravaganzen habe ich mir in meinem Leben genug erlaubt, ein imposanter Abgang interessiert mich nicht. Ich gehe wie jeden Morgen mit meinem Hund Billy in den Garten, um zu meditieren. Ich sitze auf einer Bank unter einem Walnussbaum, atme die kühle Frühlingsluft ein und beobachte das Naturspiel der Eichhörnchen und Vögel. Es sind die stillen Momente und die kleinen Dinge im Leben, die mich mit Glück erfüllen. Hier finde ich zu meiner inneren Mitte.

Den Tod als besten Freund 

Mit dem Tod wurde ich schon früh konfrontiert. Meine Mutter kam gewaltsam ums Leben durch meinen Vater, als ich 14 Jahre alt war. Dann starben auch er und meine Großeltern. Anfangs habe ich den Tod gemieden, doch mittlerweile ist er zu meinem besten Freund geworden. Er begleitet mich mein ganzes Leben, bis zum Schluss. Und wenn er kommt, dann sterbe ich halt.

Mein Alter Ego Harald Glööckler ist auch noch präsent, doch ich werde mich nicht mehr überbordend zurechtmachen und falsche Wimpern tragen. Ich habe genug nach außen gelebt. Während des Frühstücks blicke ich in die Augen meines Ehemanns Dieter Schroth und bringe es nicht übers Herz, ihm von meinem baldigen Ableben zu erzählen. Das würde ihn zu sehr aufwühlen und es mir umso schwerer machen. 

Nach dem Mittagessen gibt es bei uns immer Kaffee und Kuchen. Das lasse ich mir nicht nehmen. In Zeiten von Corona kann das ein einfacher Zitronenkuchen sein. Mit frischer Sahne und einem guten Kaffee ist auch das genießbar. Am Nachmittag telefoniere ich mit ein paar guten Freunden und gehe dann schwimmen im beheizten Außenpool.

Gott und Jesus lieben uns, so wie wir sind

Ich bin ein spiritueller Mensch und glaube an Gott. Dafür brauche ich keine Religion. Die Kirche hat bei mir versagt. Ich musste mir auf anderen Wegen meinen Zugang zu Gott erschließen. Für die Kirche wünsche ich mir eine Gemeinschaft der allumfassenden Akzeptanz und Liebe, ohne Vorbehalte. Gott und Jesus lieben uns, so wie wir sind. 

Inzwischen ist die Nacht angebrochen und mir wird mulmig zumute. Ich liege auf dem Bett allein in meinem Zimmer und lenke mich ab mit Komödien mit Diane Keaton und Bette Midler. An Schlaf ist nicht zu denken. Um mich bei Laune zu halten, höre ich mir Chers mitreißendes Album „Dancing Queen“ an. Dazu genehmige ich mir einen Rosé Gin mit Tonic und viel Eis.

Im Morgengrauen wecke ich meinen Mann und bringe ihm behutsam die Hiobsbotschaft bei. Zum Abschied trinken wir ein Glas Champagner. Ich sitze in einem Sessel und halte Dieters Hand. Billy liegt traurig zu meinen Füßen. Ich bin davon überzeugt, dass der Tod nur ein Übergang ist und meine Seele weiterlebt. Es war mühsam und es hat mich erfreut. Es war das, was es war, das Leben.

Diesen Text finden Sie in der Dezember-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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