Gespräch mit der Literaturwissenschaftlerin Anna Kukes - „Die russische Gesellschaft ist zerrissen wie nie“

Die Stimmung unter vielen russischen Intellektuellen und Künstlern ist verzweifelt. Manche finden den Mut, Petitionen zu unterzeichnen, in denen sie Putin auffordern, den Krieg gegen die Ukraine zu beenden, oder in den sozialen Medien die Stimme zu erheben. Zu ihnen gehört Anna Kukes, Literaturübersetzerin und Universitätsdozentin in Moskau. Sie war bereit, mit Ulrike Moser, Ressortleiterin Salon, offen über die Stimmung in Russland zu sprechen, über Proteste gegen Putin und die internationale Isolation des russischen Kulturlebens.

Die Übersetzerin und Dozentin Anna Kukes in ihrer Moskauer Wohnung / Screenshot
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„Ich habe Angst“, sagt Anna Kukes. Sie erlebt mit, wie gefährlich es ist, in Russland Kritik an Putins Krieg zu äußern. Dass Demonstranten mit brutaler Gewalt verhaftet werden oder die Menschen verstummen. „Ich bin bereit, das Risiko einzugehen. Es wird Zeit, keine Angst mehr zu haben. Es muss sein, dass man sich äußert.“ Was sie besonders erschüttert: wie zerrissen die russische Gesellschaft ist. Und wie viele Menschen Putins Propaganda von einem Befreiungskrieg glauben.

Anna Kukes übersetzt deutsche Literatur ins Russische. Sie hat enge Verbindungen nach Deutschland. Umso verzweifelter ist sie, dass die lange gewachsenen Beziehungen zwischen Kulturinstitutionen, zwischen Museen und Literaturhäusern, nun abgerissen sind. Und dass ihre Studenten, die deutsche Literatur studieren, keine Gelegenheit mehr haben, Deutschland kennenzulernen. „Ich glaube daran, dass wir mit dem Westen befreundet sein können und nicht von einem Verrückten abhängen.“

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