Genuss ist Notwehr - Kaninchenkeulen mal anderes

Die Zeit der Karnickelställe an jeder Ecke ist schon lange vorbei. Kein Grund, nicht trotzdem mal Kaninchenkeulen zuzubereiten, meint Rainer Balcerowiak. Aber bitte nicht mit dicken Soßen, sondern im Weißweinsud.

Unkonventionell: Kaninchenkeulen im Weißweinsud / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Früher gehörten Karnickelställe sozusagen zur deutschen Alltagskultur. Man fand sie nicht nur in ländlichen Regionen, sondern auch in Großstädten, etwa in Hinterhofremisen oder  Laubenkolonien. Hauskaninchen, auch „Stallhasen“ genannt, galten als beliebte und preiswerte Nahrungsreserve, und mit dem Fell ließ sich auch noch was anfangen.  

Ein Stallhase darf nicht miauen

Bereits abgezogene und geschlachtete frische Kaninchen fand man auf jedem Wochenmarkt, wobei meine Oma immer zu größter Vorsicht riet. Man dürfe keinesfalls ein Kaninchen ohne Kopf kaufen, denn nur so könne man erkennen, dass es wirklich ein Stallhase sei, und nicht etwa eine Katze, lautete ihre eindringliche Mahnung. Jedenfalls ist laut Überlieferungen davon auszugehen, dass so manch festlicher „Kaninchenbraten“ zu Lebzeiten mal kräftig miaut hat.

Doch im Zeitalter der standardisierten Lebensmittelkontrolle und des regulierten Lebensmittelmarktes dürften solche üblen Schummeleien zumindest im offiziellen deutschen Handel auszuschließen sein, auch wenn die Köpfe fast immer entfernt werden. In Portugal ist mir dagegen aufgefallen, das Kaninchen auf Märkten stets mit Kopf angeboten werden, und das wird seinen Grund haben. Wenn sie kein Kaninchen mit Kopf gekauft haben, werden sie natürlich nie mit 100%iger Sicherheit wissen, ob es nicht vielleicht doch eine Katze war. Aber egal, Hauptsache es hat geschmeckt...

Reisen bildet – auch beim Kochen

In Deutschland ist Kaninchen ein ausgesprochenes Nischenprodukt und rangiert in der Fleischverzehrsstatistik irgendwo unter „Sonstiges“ noch hinter Wild. Warum eigentlich? Es handelt sich um mageres, zartes, helles Fleisch das leicht an Pute erinnert und keinerlei – von vielen Menschen als störend empfundene – Wildaromen aufweist. Zwar gibt es auch Wildkaninchen, doch die sind in Deutschland inzwischen eine echte Rarität. Besonders Kaninchenteile werden oftmals bereits gefroren importiert, meistens aus Südeuropa, aber auch aus China. Dennoch sollte es kein Problem sein, in Fleischer-Fachgeschäften, in ländlichen Hofläden, auf großen Wochenmärkten oder auch in den Frischfleischabteilungen großer Supermärkte frisches Kaninchenfleisch aus heimischer Produktion zu bekommen.

Also dann mal ran an den Stallhasen. In meiner Kindheit und Jugend ist er mir auf dem Teller nur sehr selten begegnet, und wenn, dann meiner Erinnerung nach in Form von recht misslungenen Ragouts in viel zu schweren, überwürzten, fetten Soßen. „Artgerecht“ zubereitete Kaninchen habe ich viel später kennen und schätzen gelernt. Wie so oft, auf Reisen und was Kaninchen betraf vor allem auf Malta und in Portugal. Die von mir bevorzugte Zubereitungsart ist dann auch ein bisschen portugiesisch inspiriert.

Einreiben, nicht marinieren

Dazu werden Kaninchenkeulen mit reichlich gehackten Koriander- und Estragonblättern sowie Salz und Pfeffer eingerieben, aber nicht in Flüssigkeit mariniert. Ruhig über Nacht in einer Schüssel so stehen lassen. Die Keulen dann scharf von beiden Seiten anbraten, mit Weißwein ablöschen und 30-40 Minuten im auf 150 Grad vorgeheizten Ofen schmoren. In Deutschland ist es sicherlich üblich, aus dem Kaninchen-Weißweinsud dann noch eine richtige Soße zu montieren, etwa mit Sahne und Maisstärke. Aber das muss nicht sein, und ich empfehle jedem Hobbykoch, es mal ohne „richtige“ Soße, sondern nur mit dem Sud zu probieren. Was – nicht nur bei Kaninchen – in anderen Teilen der Welt durchaus üblich ist.

Als Beilage sind Salzkartoffeln nahezu unumgänglich. Weiteres Gemüse muss nicht sein, eher ein grüner Salat. Wenn aber doch, dann eher was zartes, helles, etwa Blumenkohl, Pastinaken oder – gerade saisonal – Mairübchen. Für den begleitenden Wein gilt die nicht nur für Kaninchen gültige Faustregel: Man trinkt den Wein, in dem das Fleisch zubereitet wurde. Sofern das kein billiger sogenannter Kochwein war, eine Kategorie, von der man eh die Finger lassen sollte. Am besten was richtig trockenes, mineralisches ohne starke Fruchtausprägung. Etwa eine knackige weiße Cuvée aus dem Alentejo oder einen fränkischen Silvaner, aber in diesem Fall keinen Riesling.

Zutaten für 2 Personen:

2 frische Kaninchenkeulen
400 ml trockener Weißwein
Estragon, Koriander (frisch, gehackt)
Salz, Pfeffer
neutrales Öl zum Anbraten

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