Genuss mal anders - Schlimmer geht's nimmer

Unseren Genusskolumnisten packt das kalte Grausen, wenn er erleben muss, wie Menschen besonders im Sommer freiwillig mit Wasser gepanschten Wein trinken. Zumal es eine gleichermaßen erfrischende wie genussvolle Alternative gibt. Ein kleines Glas guten Wein und daneben ein großes Glas Wasser.

Ein Glas Rosé-Schorle auf einem Restaurant-Tisch Foto: Robert Michael/dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Es ist Hochsommer und somit auch Zeit für Erfrischungsgetränke aller Art. Eine Mischung scheint dabei besonders auf dem Vormarsch zu sein: die Weinschorle. Verstanden habe ich das nie. Und schon lange nach einer Möglichkeit gesucht, diese Unsitte mal frontal zu attackieren.

In Wein ist wahrlich genug Wasser drin, nämlich 80 bis 85 Prozent. Der Rest verteilt sich vor allem auf Ethanol, Glycerin, Zucker (Fructose und Glucose), Säure, Farb-, Aroma- und Gerbstoffe sowie Mineralien und Spurenelemente. Diese Stoffe sind für den Wein geschmackbildend beziehungsweise geschmacksverstärkend. Verdünnt man Wein also zusätzlich mit Wasser, dann wird sein Geschmack im wahrsten Sinnen des Worten verwässert und in seiner Komplexität verzerrt. Bei einfachen, aromaschwachen oder süßlichen Weinen mag das egal sein, aber wenn es um Wein geht, der diese Bezeichnung verdient, ist es schlicht ein genusskulturelles Sakrileg. Dazu passen Berichte von Winzern und Exporteuren, die vor allem in Asien bei Präsentationen erleben mussten, dass viele der eingeladenen Gäste auch die edelsten Tropfen von der Mosel oder aus dem Bordelais mit Wasser verdünnten oder gar ein paar Teelöffel Zucker reinrührten.

Wein ist kein „Durstlöscher“

Beliebtes Argument der Schorle-Fraktion ist vor allem im Sommer, dass man was „Erfrischendes“ trinken und nicht so viel Alkohol zu sich nehmen wolle. Abgelehnt! Zum einen ist Wein eben kein „Erfrischungsgetränk“ oder „Durstlöscher“, sondern ein sehr spezielles Genussmittel. Die gängige Verkehrsform von Weinschorle sind in der Gastronomie 0,2 Liter, im Mischungsverhältnis 1:1. Was spricht dagegen, sich stattdessen ein kleines Glas Wein (0,1 l) und ein Glas stilles oder sprudelndes Wasser zu bestellen? Auf diese Weise kann man den Durst stillen, ohne auf den eigentlichen Weingenuss zu verzichten. In vielen von mir besuchten Weingegenden ist das auch Usus. In großen Teilen Deutschlands leider nicht.

Legale Panscherei

Mittlerweile wird Weinschorle sogar fertig gemischt in Flaschen angeboten, auch von Winzerbetrieben. Manche Menschen sind offenbar so dröge, dass ihnen sogar das Verdünnen von Wein zu viel Arbeit ist. Und für die Weinproduzenten ist das natürlich eine lukrative Möglichkeit, auch unsägliche Tropfen lukrativ zu vermarkten. Ironie am Rande: Eigentlich ist die Zugabe von Wasser bei der Weinherstellung vor, während und nach der Vergärung in der EU streng verboten und gilt als Panscherei. Doch wenn sich das dann „Schorle“ nennt, wird plötzlich ein Trendgetränk daraus. Dabei ist Weinschorle schlicht ein Getränk für Menschen, die Wein eigentlich gar nicht mögen.

Ernährungssoziologe räumt Fehlverhalten ein

Gerne hätten wir den an dieser Stelle oft und gerne zitierten Ernährungssoziologen Daniel Kofahl zum Thema Weinschorle befragt. Doch entsetzt mussten wir feststellen, dass auch er gegen diese Zeitgeistseuche nicht immun ist. In einem anderen Zusammenhang pries er gar eine „leichte Rotweinschorle“ (schlimmer geht‘s nimmer) als Begleitung zu geschmorten Hühnerherzen im Rahmen eines Menüs. Das zog natürlich hochnotpeinliche Verhöre der Geschmackspolizei nach sich. Doch der ertappte Soziologe versuchte sich damit herauszureden, dass das schließlich „in Köln stattgefunden“ habe und dort gelte schließlich: „Wir sind alle kleine Sünderlein.“ Peinlich!

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