Forderung der Hohenzollern - Und ewig grüßt der Sonderweg

Die Eigentumsrechtsansprüche der Hohenzollern sind gerechtfertigt, schreibt der Historiker Benjamin Hasselhorn. Denn ist es legitim, wenn Eigentumsrechte von den Anschauungen der Vorfahren festgemacht werden? Auch in dieser Frage schlage Deutschland einen Sonderweg ein

Haben die Hohenzollern-Erben das Recht auf Entschädigung? / picture alliance
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Benjamin Hasselhorn ist Historiker und evangelischer Theologe. Er arbeitet als Akademischer Rat a. Z. am Lehrstuhl für Neueste Geschichte an der Universität Würzburg. 2018 erschien in der Evangelischen Verlagsanstalt sein Buch „Königstod. 1918 und das Ende der Monarchie in Deutschland“. Foto: Markus Pletz

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Wer in Deutschland ein Herz für die Monarchie hat, hat es – anders als beispielsweise in England oder Skandinavien – nicht leicht. Monarchie gilt hier tendenziell als etwas für Unseriöse oder für Finsterlinge. Nicht mal die AfD ist dafür. Wer dem politischen Konkurrenten „Wilhelminismus“ attestiert, will ihn damit sicher nicht loben. Und wer sich auf Prinz Georg beruft, tut gut daran, einen sechsjährigen britischen Prinzen zu meinen.
Ein anderer Prinz Georg nämlich, Georg Friedrich Ferdinand Prinz von Preußen, Chef des Hauses Hohenzollern, ist gerade Gegenstand einer sehr deutschen Debatte. Er will seine Schlösser und Kunstwerke vom Staat zurückhaben, so heißt es. Aus den vertraulichen Verhandlungen mit den Ländern Berlin und Brandenburg sowie Vertretern des Bundes ist ein Forderungskatalog der Preußen durchgesickert: Ein Wohnrecht in einem ihrer ehemaligen Schlösser wolle man, am liebsten im Schloss Cecilienhof in Potsdam, außerdem verlange man einen Teil der Kunstgegenstände zurück, die zusammen mit den Gebäuden nach 1945 von Sowjetunion und DDR enteignet worden waren.

Was sich seit dem Bekanntwerden der Forderungen auf Twitter unter dem Hashtag #Hohenzollern abspielt, ist nur mit einer Kombination aus tiefsitzenden antiaristokratischen Ressentiments und dem traurigen Weiterwirken der These vom deutschen Sonderweg erklärbar. Letztere ist im Grunde nichts anderes als die in die Geschichtswissenschaft eingegangene antideutsche Propaganda des Ersten Weltkriegs. Die Deutschen, so die These, seien durch protestantische Obrigkeitsfixierung und preußischen Militarismus auf eine schiefe Bahn geraten, die mehr oder weniger direkt in den Nationalsozialismus geführt habe. Nichts davon, so ist längst klar, hält irgendeiner seriösen historischen Überprüfung stand, so wenig übrigens wie die jetzt wieder landauf, landab behauptete Alleinschuld Deutschlands am Zustandekommen des Ersten Weltkriegs. Und dennoch spukt die These vom „Sonderweg“ weiterhin in den Köpfen herum und bestimmt die Art und Weise, wie in Deutschland öffentlich über deutsche Geschichte geredet wird.

Demokratiefähigkeit der Hohenzollern

Kein Wunder, dass man auch in den klassischen Medien von FAZ bis taz wenig amüsiert ist: „Warum sollten die Urenkel eines monarchischen Kolonialherrn, eines der für den Ersten Weltkrieg Hauptverantwortlichen, Urenkel von Steigbügelhaltern des Naziregimes, warum sollten diese nun Geld oder ‚freies Wohnrecht‘ in Schlössern wie Cecilienhof in Potsdam bekommen?“, fragt die taz, und in der FAZ zeigt man sich irritiert, dass die Hohenzollern offenbar eine „institutionalisierte Mitwirkung“ an dem geplanten staatlichen Hohenzollern-Museum in Schloss Charlottenburg wünschen – lieber sollten diese erst einmal ihre Demokratiefähigkeit unter Beweis stellen.

Dabei sind die Verhandlungen alles andere als neu. Sie laufen vielmehr schon seit den neunziger Jahren und gehören in den Zusammenhang des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes von 1994 für die Enteignungen auf DDR-Gebiet nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Besondere an diesem Gesetz ist, dass es Entschädigung für alle diejenigen ausschließt, die „dem nationalsozialistischen oder kommunistischen System erheblich Vorschub“ geleistet haben. Das mache die Auseinandersetzung zu einem „geschichtspolitischen Musterprozess“, schreibt Andreas Kilb in der FAZ und hat damit Recht, auch wenn man natürlich fragen könnte, wie legitim es für einen Rechtsstaat eigentlich ist, wenn Eigentumsrechte von den Anschauungen und politischen Handlungen der Vorfahren abhängig gemacht werden. Kilb jedenfalls meint, dem Kronprinzen Wilhelm von Preußen, Sohn des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II., komme eine „Schlüsselrolle bei der Vorbereitung von Hitlers Machtergreifung“ zu – weil der Kronprinz Mitglied in einer Vereinigung war, die dabei geholfen habe, „den deutschen Adel an die völkische Ideologie der Nazis anzukoppeln“.

Hohenzollern-Bashing

Wenn das bereits für eine „Schlüsselrolle“ ausreichend ist, dann muss die Tür zur nationalsozialistischen Machtergreifung vor Schlüsseln nur so gestrotzt haben. Tatsächlich beurteilt der australische Historiker und Preußenexperte Christopher Clark die Dinge anders: In einem schon vor fünf Jahren verfassten Gutachten kommt er zu dem Schluss, dass der Kronprinz für den Aufstieg der Nationalsozialisten vollkommen unerheblich gewesen sei.

In seiner vor knapp zwanzig Jahren erschienenen Biographie Wilhelms II. wiederum schreibt Clark, er wolle in Bezug auf den letzten deutschen Kaiser „Verunglimpfung und Verständnis“ wieder in ein angemessenes Verhältnis zueinander bringen. Es scheint allerdings, als seien wir davon noch weit entfernt. In der Zwischenzeit bleibt allen, die sich nicht aufs Hohenzollern-Bashing einlassen wollen, nur der neidvolle Blick ins europäische Ausland, wo es tatsächlich Leute gibt, die den Beitrag der Königshäuser für die Geschichte und Kultur ihres Landes nicht ausschließlich negativ beurteilen. Und die TV-Serien wie „The Crown“ oder „Downton Abbey“ produzieren – die man natürlich auch in Deutschland sehen kann.

Der Dramaturg Bernd Stegemann widerspricht: Für ihn sind die Forderungen der Hohenzollern-Erben einen gesellschaftlichen Aufschrei wert.

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