Flutkatastrophe an der Ahr - Rettet den Ahrwein, helft den Winzern!

Unser Genusskolumnist trinkt schon lange sehr gerne Rotwein von der Ahr. Anlässlich der Flutkatastrophe und der massiven Ausfälle, mit denen die dortigen Winzer zu rechnen haben, rät er allen Weinfreunden, dies auch zu tun. Jetzt erst recht.

Als die Flut das Ahrtal noch nicht heimgesucht hatte: Weinanbaugebiet entlang der Ahr / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Die Ahr gehört normalerweise nicht gerade zu den Hotspots der medialen Aufmerksamkeit. Auf 85 Kilometern schlängelt sich der Fluss durch teilweise pittoreske Landschaften, gesäumt von kleinen Dörfern und im mittleren Abschnitt von steilen Hängen.

Weinfreunden ist die Ahr schon länger ein Begriff. Zwar ist sie mit 560 Hektar eines der kleinsten deutschen Anbaugebiete, aber auf den von Schiefer und vulkanischem Gestein durchzogenen Steillagen der mittleren Ahr gedeihen unter optimalen klimatischen Bedingungen einige der besten Spätburgunder Deutschlands. Als regionale Besonderheit kommt der Frühburgunder dazu. In Mayschoss entstand 1868 die erste Winzergenossenschaft der Welt. Heute bewirtschaften rund 50 Vollerwerbsbetriebe die Weinberge, dazu kommen rund 1.000 Nebenerwerbswinzer, die ihre Trauben zur Weiterverarbeitung und Vermarktung an Genossenschaften und Kellereien abliefern.

Spitzenrotwein von der Ahr

Ahr-Rotwein hat einen ausgezeichneten Ruf und ist ein knappes Gut, daher werden vergleichsweise auskömmliche Preise erzielt. Pioniere wie Adeneuer, Stodden und Meyer-Näkel haben mit strenger Ertragsreduzierung und konsequenter Qualitätsorientierung beim Ausbau der Weine im Keller ein Niveau erreicht, das man getrost als zur Weltspitze gehörend bezeichnen kann. Und eine neue, innovative Generation von jungen Winzern steht ihnen nur wenig nach. Im Schlepptau des Weinbaus hat sich auch der Tourismus an der Ahr in den vergangenen Jahren gut entwickelt, besonders als Naherholungsgebiet für die nahe gelegenen Metropolregionen an Rhein und Ruhr.

Hochwasser bringt unvorstellbare Zerstörungen

Doch seit dem 14.Juli ist alles anders. Nach starken Regelfällen hat ein verheerenden Hochwasser das Ahrtal verwüstet. Bis dahin unvorstellbare Wassermassen zogen eine Spur der Vernichtung durch Orte wie Ahrweiler, Bad Neuenahr, Dernau und Mayschoss. Viele Todesopfer sind zu beklagen, und noch viel mehr Menschen haben ihr Haus und ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Wirtschaftliche Existenzen wurden binnen Stunden regelrecht weggespült, die Infrastruktur (Brücken, Straßen, Stromleitungen und ähnliches) brach zusammen und ist bis heute nur ansatzweise wieder funktionsfähig.

Dass dies in einer Weinbauregion diese Branche in besonderer Weise trifft, liegt auf der Hand. Fast alle Winzerbetriebe sind schwer betroffen, knapp die Hälfte wurde komplett zerstört. Die Schäden sind noch längst nicht genau bezifferbar. Flaschenlagerbestände im Wert von rund 50 Millionen Euro, Fässer, Keltertechnik, Landmaschinen – alles hat der Fluss mit sich gerissen.  Auch einige Weinberge sind betroffen – sei es durch Überflutung in unteren Lagen oder durch Hangrutsch aufgrund der Regenmassen. Jetzt steht die neue Lese bevor. Aber wohin mit dem Wein, wenn die Keller weg sind? Wie sollen die Arbeiten im Weinberg organisiert werden, wenn man gleichzeitig sein Haus und seine Betriebsstätte notdürftig instand setzen muss?

Beeindruckende Solidarität der Winzer

Natürlich gibt es Hilfe. Bundes- und Landesmittel stehen bereit, Spendenkampagnen brachten viele Millionen Euro ein. Aber Geld schneidet keine Reben, transportiert keine Trauben, keltert und lagert keinen Wein. Und freiwillige, ungeschulte Helfer würden in den Weinbergen mehr Schaden als Nutzen bringen. Umso beeindruckender ist die praktische Solidarität von vielen Winzern aus allen deutschen Anbaugebieten. In stetigem Wechsel fuhren und fahren sehr viele von ihnen samt ihrem geschulten Personal und technischen Geräten für ein paar Tage an die Ahr, um an den Hängen zu arbeiten.

Andere boten an, die gelesenen Trauben abzuholen und in ihren Anlagen zu keltern und zu verarbeiten, darunter auch Großbetriebe an der relativ nahe gelegenen Mosel. Natürlich sind das alles nur Notlösungen. Doch es geht um das nackte Überleben des Weinbaus an der Ahr. Bis dort wieder so etwas wie Normalität einkehren kann, wird es viele Jahre dauern. Und auch dann wird die Weinwirtschaft anders strukturiert sein als jetzt, denn einige Haupt- und sehr viele Nebenerwerbswinzer werden wohl nicht wieder neu starten.

Ahrwein ist kulturelles Genusserbe

Was können wir tun? Natürlich Geld spenden, nicht in einen ganz großen Topf, sondern direkt an die Winzer. Oder, als genussvollere Variante des Spendens, Weinpakete von Winzern kaufen, deren Erlös zu 100 Prozent an die Ahr-Winzer geht.

Aber vielleicht sollten wir auch beim nächsten Rotweinkauf gezielt nach Ahr-Weinen suchen und fragen. Und dabei vielleicht erstmals diese wunderbar filigranen, mineralischen und beerenfruchtigen Spätburgunder dieser Region kennenlernen. Der Ahr-Wein darf nicht in Vergessenheit geraten. Dabei geht es um die Menschen, die ihn prägen, aber auch um die Genusskultur.

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