Exzellenzuniversitäten - Leuchttürme und Schlusslichter

Zehn deutsche Universitäten und ein Verbund gelten von nun an als exzellent. Doch diese befinden sich größtenteils im Südwesten Deutschlands, nur eine ist im Osten. Und die Lehre leidet mehr unter der Auszeichnung, als dass sie nützt

Die TU Dresden ist die einzige Exzellenzuniversität im Osten / picture alliance
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Autoreninfo

Isabel Schön studiert in Freiburg Soziologie und macht seit ihrem ersten Semester Hochschulpolitik.

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Ronja Hesse, Kevin Kunze (beide Universität Lüneburg), Marcus Lamprecht (Universität Duisburg-Essen) und Isabel Schön (Universität Freiburg) sind Vorstand der Bundesstudierendenvertretung, des freien Zusammenschlusses von Student*innenschaften. Sie haben sich dafür entschieden, ihren Kommentar gemeinsam zu schreiben, weil sie Kollaboration für bereichernder und innovativer als Konkurrenz halten.

Es ist vollbracht: Deutschland hat bewiesen, dass es doch noch exzellente Forschung kann. Public Viewing in 19 deutschen Universitätsstädten, in zehn von ihnen knallen am Ende die Sektkorken, ein Staatssekretär legt als DJ auf. Von der Exzellenz zum Exzess. Katererwachen am nächsten Morgen: Die unterbezahlte Lehrbeauftragte diskutiert mit einem völlig überbuchten Seminar. Im Raum steht ein Overheadprojektor, als wäre es ein Klassenraum von 1998.

Bei der Exzellenzstrategie geht es um viel: Finanzielle Mittel und Prestige. Elf Universitäten dürfen sich ab November 2019 einerseits einer finanziellen Förderung, circa zehn bis 15 Millionen Euro pro Universität und Jahr, und vor allem an dem Titel „Exzellenzuniversität“ erfreuen. Doch Studierendenvertretungen üben schon lange Kritik, insbesondere auch diejenigen, deren Universitäten von dem Wettbewerb profitieren.

Nur eine exzellente Uni im Osten

Die Relevanz guter Bildung und Forschung leugnet niemand. Doch von der Exzellenzstrategie profitieren nur wenige, während andere leer ausgehen. In erster Linie sind das die Fachhochschulen, die gar nicht erst zur Teilnahme am Wettbewerb zugelassen werden, obwohl auch sie zunehmend auf hohem Niveau forschen. Zum anderen verdeutlicht die Verteilung der bewilligten Cluster deutlich, dass es klare Präferenzen in Bezug auf Fachdisziplinen gibt. Nur ein Siebtel dieser Cluster kommt aus dem Bereich der Geistes-, Gesellschafts- und Sprachwissenschaften. Förderwürdiger scheinen die naturwissenschaftlich-technischen und medizinischen Projekte zu sein, die auch im Einwerben von Forschungsmitteln stärker sind.

Ein Blick auf die Karte offenbart eine weitere Schieflage der Exzellenzförderung. Besonders viele Cluster und exzellente Universitäten finden sich im Südwesten Deutschlands. Gerade dort wird von Landesseite her schon seit Jahren viel Geld in die Hochschulen investiert. Die große Leerstelle jedoch findet sich in Ostdeutschland, wo nur die TU Dresden den Exzellenzstatus bekommt. Hieran zeigt sich die Dynamik, die die Wissenschaftsfinanzierung in Deutschland seit Jahrzehnten prägt. Denn wie der Förderatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zeigt, werden über die öffentlichen Gelder der DFG, die wichtigste Drittmittelgeberin in Deutschland, vor allem die Hochschulen gefördert, die in der Vergangenheit Exzellenzcluster erhielten – und umgekehrt. Selbiges gilt nun auch für die prestigeträchtige Förderung im Rahmen der Europäischen Hochschulnetzwerke.

Dieser Matthäus-Effekt – wer hat, dem wird gegeben –, der auch dadurch entsteht, dass durch die Mittel bessere Rahmenbedingungen für innovative Forschungsprojekte geschaffen werden können, spaltet die Hochschullandschaft in Deutschland.

Weniger Ressourcen an den Hochschulen

Um den Exzellenzstatus zu erreichen, müssen Universitäten zunächst mindestens zwei sogenannte Exzellenzcluster einwerben. Von den ursprünglich 195 eingereichten Antragsskizzen, an denen jeweils wiederum unzählige Forscher beteiligt waren, wurden letzten Endes 57 ausgewählt und gefördert. Von denjenigen Universitäten, die sich nun in der zweiten Runde um den Status als Exzellenzuniversität bewerben durften, ließ sich keine diese Möglichkeit nehmen. An 22 Universitäten wurde monatelang intensiv vorbereitet, gesonderte Stellen geschaffen und innovative Zukunftskonzepte erarbeitet, während in anderen Bereichen wegen mangelnder Finanzierung Stellen im Bereich Studium und Lehre abgebaut wurden. An vielen Hochschulen sollen inoffizielle Urlaubssperren verhängt worden sein, damit alle Kapazitäten in das Bewerbungsverfahren fließen können. Forschung, Lehre und Wissenstransfer bleiben dabei auf der Strecke. Hochschulen werden von Bildungseinrichtungen zu Antragswerkstätten.

Wissenschaft ist eine gesellschaftlich zentrale Form der Kooperation. Dabei bauen Erkenntnisse aufeinander auf, es wird voneinander gelernt, Synergien entstehen. Es wird ausprobiert, gescheitert und weitergemacht. Das macht Wissenschaft aus. Die Form der Finanzierung über Exzellenzcluster und -universitäten steht jedoch im Kontrast dazu, denn hier dominieren Wettbewerb um Gelder und Anpassung an Förderkriterien. Auf der Strecke bleiben oftmals Mut sowie die Möglichkeit, unkonventionellen oder unpopulären Themen nachzugehen, wodurch wichtige Potenziale verloren gehen.
In der Wissenschaft muss es um die besseren Herangehensweisen, Fragestellungen und Erklärungsansätze, um Ideen, Kritik und Erkenntnis gehen, nicht um Antragsprosa, Marketing und Selbstausbeutung.

Problem der Unterfinanzierung

Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fragt aus seiner, bezeichnenderweise mit „Forschung“ überschriebenen, Informationsseite zur Exzellenzstrategie: „Was haben eigentlich die Studierenden davon?“ Die Antwort ist so ehrlich wie ernüchternd: „Zusätzlich finanzierte Stellen bedeuten in der Regel auch ein zusätzliches Lehrangebot für Studierende.“ Lehre – besonders mit Bezügen zur aktuellen Forschung – wird also ausschließlich als Beiwerk gesehen. Während im wissenschaftspolitischen Diskurs der Stellenwert der Lehre stärker diskutiert wird, darf als exzellent weiterhin nur gelten, wer die Lehre zu Lasten der Forschung aus den Augen lässt. Die vielbeschworene Einheit von Forschung und Lehre existiert damit nur auf dem Papier und gute Forschende werden oft damit honoriert, weniger Lehre anbieten zu müssen. Das Versprechen des Exzellenzstatus an die Studierenden kann gar nicht eingehalten werden.

Wenn die Exzellenzstrategie doch teils Ursache, teils Symptom so vieler Probleme ist, warum nehmen Universitäten dennoch an ihr teil? Auch Hochschulleitungen haben schon Kritik an der Idee der Exzellenzstrategie geübt. Doch neben dem prestigeträchtigen Titel erhalten die Universitäten eine finanzielle Förderung, die in diesem Ausmaß selten ist. Zwar ist der Bund mit dem ‚Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken‘ und dem Pakt ‚Innovation in der Hochschullehre‘ seit kurzem mit einem Finanzvolumen von vier Milliarden Euro jährlich grundlegend auch an der Finanzierung von Studium und Lehre beteiligt. Diese Mittel verteilen sich allerdings auf alle circa 400 staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen in Deutschland. Die Exzellenzstrategie verteilt 533 Mio Euro auf nur einige wenige Universitäten. Der Mangel ist spürbar: Der Sanierungsstau bei Gebäuden wird auf über 20 Milliarden Euro geschätzt, Kurse sind überfüllt, Lehrende, von denen 90 Prozent nur befristet angestellt sind, werden ungenügend bezahlt. Alle Hochschulen sind unterfinanziert, es hilft also nicht strukturell und langfristig, Geld nur an einige wenige Universitäten zu verteilen.

Statt der vereinzelten Förderung weniger Universitäten braucht es also die flächendeckende Verbesserung von Forschung, Studium und Lehre. Ein möglicher Ansatzpunkt dafür wäre, grundlegend genügend Mittel bereitzustellen, um das Lehren und Forschen unter sicheren Arbeitsbedingungen garantieren zu können. Gute Lehr- und Forschungsbedingungen müssen überall herrschen, keine Hochschule darf durch die Mittelverknappung abgehängt werden. Kooperation darf nicht durch Konkurrenz geschwächt werden – damit gute Wissenschaft überall möglich ist.

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