EM 2021 - Harm-, plan- und saftlos: Die DFB-Elf in der Einzelkritik

Die DFB-Elf verlor gegen ihren Angstgegner Frankreich mit 1:0. Ein plumpes Eigentor, eine ständige Unruhequelle namens Mbappé und nur wenige zwingende Torchancen stehen auf der Habenseite von Joachim Löws Team. Nur Matthias Ginter überzeugte.

Deutschlands Mats Hummels nach seinem Eigentor / dpa
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Holger Schmieder arbeitet als Datenanalyst und Marketingmanager in Berlin.

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- Manuel Neuer -

Berücksichtigt man nur die Länderspiele, bei denen er auch zum Einsatz gekommen ist, dann bleibt es dabei: dem Nationalspieler Manuel Neuer gelang bisher nur ein Sieg gegen unser Nachbarland, und zwar bei der WM 2014. Hatte vor dem Spiel Fans dazu aufgerufen, „die Daumen zu drücken", denn „wir brauchen eure Unterstützung. Wir haben uns super vorbereitet, wir sind richtig heiß und motiviert und wollen alles geben für die Europameisterschaft. Wir sind bis in die Haarspitzen motiviert." Auch als „Underdog" sah er #DieMannschaft vorab nicht. Geholfen hat es nichts.

Im persönlichen Eröffnungsspiel dahoam nahezu beschäftigungslos in den ersten 17 Minuten, dann die erste Parade gegen Mbappé, auf ca. 30 Zentimeter Höhe; dem 22-jährigen Dauerlauerer („Neuer ist einer der besten Torhüter der Fußball-Geschichte") sah er sich immer wieder gegenüber, so auch zwei Minuten später, mit Glück, an der Grenze des Strafraums. Chancenlos bei Hummels' Eigentor. Insgesamt solider Auftritt. Ältester Spieler in der Startelf; Stefan Effenberg meint, die EM 1996 und das diesjährige Turnier verbindend, dass „Alter der große Trumpf werden kann. Erfahrung kann helfen, gerade wenn es um Titel geht." Auf Neuer mag das zutreffen.

 

- Matthias Ginter -

Praktisch Rechtsverteidiger; von ihm ist bekannt, dass er auf mehreren Positionen spielen kann, wobei er im Verein zumeist als Innenverteidiger aufläuft. Wartet nun weiterhin auf seinen ersten Sieg gegen die Blauen. Für mich der Spieler des Spiels auf Seiten des dreifachen Europameisters: abgeklärt, sicher, ohne größere Fehler; auf ihn war und ist Verlass. Mit einem Hummels, Müller und Kimmich im Team geht in Ordnung, dass er nicht ohne Unterbrechung dirigiert und korrigiert.

Wäre gern früher ins Turnier gestartet – ihm glauben wir das. Die Spieleröffnung lief deutlich öfter über Hummels, da dieser mehr Freiräume hatte als Ginter und die Mitte angesteuert werden sollte. Als hätte Didier Deschamps im Matchplan seine Seite als Schwachpunkt ausgemacht, stellte die Équipe wieder und wieder Überzahlsituationen auf seiner Seite her, die er aber geschickt auflösen konnte. Half mit, dass Frankreich in den ersten zwölf Minuten keine klare Torchance hatte. Stark und souverän in der 36. Minute gegen Mbappé – Extrapunkt & Abklatscher von Neuer. Zeigte sich unbeeindruckt von den schnellen Umschaltmomenten Frankreichs.

Stellte gemeinsam mit Hummels in Spielminute 56 den heranrauschenden Mbappé schön zu; mit großer Selbstverständlichkeit grätscht er in der 62. Minute Mbappé den Ball weg. Zu gut, zu stark, um in der 72. Minute ausgewechselt zu werden, trotz muskulärer Beschwerden; 15 Minuten später dann doch: Can für Ginter. Sagte im Hinblick auf seine mögliche Vertragsverlängerung bei Borussia Mönchengladbach, er „sehe die EM nicht als Bühne für andere Vereine." Spielt er so weiter, werden sich in die Schlange von Interessenten noch ein paar Vereine gesellen.

 

- Antonio Rüdiger -

Tröstete vor Spielbeginn einen aufs Spielfeld abgestürzten Ein-Mann-Fallschirm-Flieger; vermutlich ein schlechtes Omen. Nach dem 0:1 weiterhin sieglos gegen Frankreich. Kündigte vor der Begegnung an: „Wir müssen eklig sein. Nicht immer nur lieb, lieb, lieb und schön, schön, schön. Da muss man auch mal früh ein Zeichen setzen." Es wurde eklig noch schön, nein, nein, nein. Unerzwungener Fehlpass in Spielminute 9, auf Gosens, womit vieles gesagt ist zu den diesjährigen Titelchancen der DFB-Elf. Flink und gleichzeitig robust, ohne grobe Patzer.

Drängte Pogba möglicherweise entscheidend auf Hüfthöhe ab (15. Spielminute), als dieser zum Kopfballtorversuch abhob; ließ auch im weiteren Spielverlauf nicht ab von Pogba und entnervte diesen. Eilte häufiger zur Hilfe, sicherte ab, was abzusichern war, gute Präsenz. Die Zusammenarbeit mit Thomas Tuchel scheint ihm zu bekommen, da er sich gerade in Zweikämpfen geschickter anstellt als früher, und auch bei einem schwer auszurechnendem Gegner wie Frankreich die Übersicht behält. Seine Maske fand auf Twitter regen Widerhall. Spekulierte beim 2:0 durch Benzema auf Abseits von Mbappé & Benzema und lag damit richtig – schließlich sah das auch der Schiedsrichter, VAR sei Dank, ein, das Tor wurde zurückgenommen.

Bis zur letzten Minute motiviert, ohne Bammel, was die temporeichen französischen Offensivkünstler angeht. Löws Dreierkette zahlte sich nicht wirklich aus, finde ich – vom Monitor und im Nachhinein lässt sich das freilich leicht sagen. Ob sich Rüdiger gegen Portugal in einer Viererkette wiederfinden wird? Vermutlich nicht. Sein Ziel ist eher, „die Räume richtig zu besetzen"; Rüdiger gelingt dies; auch seinen IV-Partnern Ginter und Hummels. Toni Kroos sagte, wichtig sei gegen Frankreich, „wie die gesamte Mannschaft arbeitet und verteidigt." – Rüdiger erfüllte beide Anforderungen.

 

- Mats Hummels -

Einer der wenigen Spieler im DFB-Team, denen – berücksichtigt man nur tatsächliche Einsätze – in seiner Karriere schon zwei Siege gelungen sind gegen Les Bleus. Seine Nachteile im Tempo waren unübersehbar. Spieleröffnung passabel, oftmals präzise Pässe in die Offensive, insgesamt gutes Stellungsspiel. Mittelteil der Dreierkette. Mit der ersten torchanceähnlichen Aktion: Kopfball in Spielminute 4. Spielte teilweise Kopfbälle über ein 1/3 des Spielfeldes.

Mehrfach hellwach, so in der 15. Minute, als Frankreich sich erstmals den Thema Torabschluss zu widmen versuchte. Ihm unterläuft das letztlich entscheidende Eigentor in der 20. Minute: halb angeschossen, halb Abwehrversuch, vermutlich die Heftigkeit des Schusses unterschätzend; vielleicht sollte man gegen diesen Gegner kein strahlend blaues Schuhwerk tragen. Dieses Tor steht stellvertretend für die Qualität dieser EM. Ließ sich in der 47. Minute für ca. zehn quälend lange Sekunden vom dribbelnden Mbappé im Strafraum vernaschen. Sehenswerte Rettungstat dank überragendem Tackling gegen Mbappé in Spielminute 78 – Hummels glich auch hier fehlende Schnelligkeit mit Routine aus; fast hätte es hier einen Elfmeter für die Équipe gegeben, wenngleich der VAR nicht eingeschaltet wurde. Mit deutlich weniger Redeanteil als in Dortmund.

Packte öfter die Grätsche aus. Ließ in den letzten Tagen verlauten: „Es geht darum, in jedes Training, in jedes Spiel Leistungsbereitschaft und Wettkampfgeist reinzubringen.“ An diesen gern so genannten „Tugenden" zweifelt bei Hummels niemand, nur verstehen sie sich auf diesem Level auch von selbst, was Hummels bestätigt („Wenn wir so spielen, wie wir es können, werden wir die Gruppe mit Sicherheit bestehen"). Auch meinte er, dass „wirklich alle an einem Strang ziehen" – auf dem Platz traf das in dieser Partie sicher zu; „Wir als Mannschaft haben richtig Bock" – u. a. diesen Bock, und zwar ziemlich viel davon, braucht der Nun-Gruppendritte der Gruppe F gegen Portugal.

 

- Robin Gosens -

Der selbsternannte Schienenspieler beim wohl bedeutendsten seiner bisherigen Spiele im DFB-Dress. Erfreute sich vieler Freiräume auf seiner Seite, die er aber nur selten zielführend nutzen konnte. Etwas wilde, rugby-ähnliche, ausbrechende Aktionen, so z. B. das eigenartige in-den-Rückenspringen bei Pavard. Stellvertretend für die fehlende Präzision im deutschen Angriffsspiel.

Letztlich wirkungslos, ohne entscheidende spielerische Akzente. Deutschland verliert erstmals zum Auftakt einer EM, und nicht nur Gosens fehlt die Klasse, um im Hinblick aufs Duell mit Portugal guter Dinge zu sein. Gosens kündigte an: „Für mich steht fest, dass ich mit dem Fußball erst mal nichts mehr an der Mütze haben will, wenn das hier vorbei ist.“

Das könnte nun bereits am 23.06. gegen 23 Uhr der Fall sein. Wenn Lothar Matthäus sagt: „Grundsätzlich traue ich der Mannschaft das Halbfinale zu", dann sage ich: mit Gosens wird das nichts. Wird mangels Alternativen wohl auch am Samstag Teil der Startelf sein. Joshua Kimmich sagte: „Das Potenzial ist auf jeden Fall da. Aber das Potenzial alleine gewinnt uns nicht die Spiele. Wir müssen es auch auf den Platz bringen. Ich bin von unserer Qualität überzeugt und davon, dass wir um den Titel mitsprechen können." Gosens jedenfalls bringt es nicht auf den Platz.

 

- Joshua Kimmich -

Bei der Liste von Nationalmannschaften, gegen die er gewonnen hat, kann Kimmich bei Frankreich weiterhin kein „Okay" setzen hinter Frankreich. Joachim Löw sagte vorab: „Der Jo spielt sowieso da, wo es das Beste für die Mannschaft ist." War das nun das Beste, ihn von der 6 abzuziehen und dafür rechts spielen zu lassen, um dem deutschen Spiel mehr Gefahr über die Außen zu geben? Nein. Verschenkt auf der rechten Seite – er kann mehr Einfluss nehmen im Zentrum.

Oder wie Stefan Effenberg meinte: „Es spricht nicht für die Nationalmannschaft, dass Kimmich wohl auf dieser Position spielen muss." Die Organisation nach vorne gelang ihm nicht wirklich. Hartes Einsteigen gegen Hernández in der 7. Minute – dafür gab es zu Recht eine Gelbe Karte, viel zu früh für diesen Abend. Halbverursacher des Hummelschen Eigentors, da Hernández blank gelassen. Kimmich habe „schon früh erkannt, dass die Wahrscheinlichkeit höher ist, ein Spiel zu gewinnen, wenn man sich gegenseitig hilft." – von dieser Einsicht war in diesem Moment wenig zu sehen.

Insgesamt zu unbeherrscht, wirkt überspielt, viele Diskussionen mit dem guten Schiedsrichter und dessen Assistenten, dabei wissen wir, dass das nichts bringt. Zwar ein Antreiber, aber dieses Mal auch ein sich Aufreibender. Beherzt, geradezu bullig, im Strafraum, gegen drei Franzosen in der 29. Minute. Wiederum gefährlicher Fehlpass in Spielminute 30. Viele Nickeleinen gegen und Reibereien mit Hernández, bis zum Höhepunkt, fünf Minuten vor dem Halbzeitpfiff: Kimmich mit gestreckten Bein, allerdings im Rückwärtsfallen, gegen den Kopf Franzosen, der mit Schmerzen liegen blieb – ob die beiden sich wieder vertragen? Glanztat gegen den zum 2:0 auflegenden Rabiot in Minute 52. Warum Kimmich so viele Ecken schlägt, erschließt sich mir schon lange nicht mehr; seinen Hereingaben von der Eckfahne fehlt es an jeglicher Gefahr, so auch bei Deutschlands erster Ecke nach 63 Minuten.

Sah schlecht aus beim „Abseitstor" (Oxymoron) von Kylian Mbappé. Wird er gegen Portugal erneut als Rechtsverteidiger positioniert? „Wenn er [Joachim Löw] mich als Rechtsverteidiger sieht und das Gefühl hat, dass ich da der Mannschaft am besten helfen kann, weil wir dann am stärksten sind, dann spiele ich Rechtsverteidiger. Ja, der Trainer muss immer entscheiden, mit welchem System er die Wahrscheinlichkeit groß hält, dass wir Spiele gewinnen." Philipp Lahm sieht es etwas anders: „Er ist sicher mehr Spezialist, als ich es war. Seine beste Position ist die vor der Abwehr." Zum Herumprobieren ist es aber zu spät, sobald ein Turnier begonnen hat.

 

- Ilkay Gündogan -

Taktgeber des deutschen Spiels? Fehlanzeige. Trotz der hohen Intensität im Mittelfeld nur selten zu sehen; mehr Aggressivität beim Arbeiten gegen den Ball hätte gut getan. Falls es seine Aufgabe war, für schnelles Umschaltspiel zu sorgen, hat er diese Aufgabe nicht erfüllt; jedoch einen echten Matchplan konnte man aus dem Gekicke sowieso nicht ableiten. Holte einen vielversprechenden Freistoß in der 24. Minute raus, und nahm damit etwas Druck aus dem französischen Spiel.

Sieben Minuten später unterlief ein zu einem französischem Konter führender Fehlpass. Mit einer der wenigen deutschen Chancen in Spielminute 38, allerdings war der Ball schwierig zu nehmen und Gündogan einen halben Schritt zu spät – das hätte ansonsten passen können; dass ich auf den Konjunktiv zurückgreife, zeigt auch, dass es kein nennenswertes Offensivsspiel der Mannschaft gab. Er kündigte vor dem Spiel an: „Wir wollen viele Bälle erobern und die Franzosen dazu zwingen, uns hinterherzulaufen."

Das klappte so nicht. Deutschland hatte sogar mehr Ballbesitz. Berti Vogts unkte, die DFB-Elf würden „von Frankreich überrannt", sollten Gündogan und Kroos die Mittelfeldzentrale stellen; ganz so ist es nicht gekommen, aber die ein oder andere Lücke tat sich schon auf. Ob es wohl, da Kimmich sich – zumindest in dieser Partie – nicht wohlfühlte auf der Außenposition, eine erneute Umstellung geben wird und aus dem Mittelfeldduo ein -trio? Vielleicht kommen dann Gündogans unbestreitbare Qualitäten im Offensivspiel besser zur Geltung.

 

- Toni Kroos -

Wie Hummels und Müller mit schon zwei Siegen gegen die Franzosen. Dabei sollte es nun bleiben. Kroos ist bekanntlich wegen seiner Spielübersicht, Technik und Kontrolliertheit unumstritten bei Joachim Löw, und dankte es ihm mit einem stabilen, sicheren und soliden Auftritt, nicht mehr, nicht weniger. Sein Freistoß in der 25. Minute, ca. 20 Meter vor dem Strafraum, etwas lieblos; schwach die Variante in der 27. Minute, nach Foul von Pogba an Müller.

Kroos war einer der Gründe, weshalb Deutschland in der ersten Halbzeit 92 mehr erfolgreiche Pässe spielte, und auch beim Ballbesitz dominierte. Ließ sich in der 79. Minute böse düpieren von Pogba, der seinerseits pausenlos vom gesamten deutschen Mittelfeld gepiesackt wurde. Kroos sagte vor dem Spiel: „Ich werde nie ein Turnier beginnen mit dem Gedanken, dass eine knappe Niederlage auch okay wäre. Wenn das hier irgendwann so ist, dann komme ich nicht mehr. Ich habe die klare Erwartung an uns, dass wir in jedem Spiel versuchen, zu gewinnen."

Geholfen hat das nicht. Und: „Ich glaube schon, dass unser Kader eine absolut hohe Qualität hat. Es gibt wenige Mannschaften, die das an guten Einzelspielern vorbringen können wie wir. Aber wichtig wird sein, es als Mannschaft hinzubekommen. Wir wollen das enttäuschende WM-Turnier 2018 vergessen machen. Wir wissen, dass das eine schwierige Aufgabe ist.“ Der Start auf Topniveau ist jedenfalls missglückt. „Das Spiel ist keins zum Reinkommen. Die Dinge, die wir bearbeitet haben, sollten im Idealfall bereits am Dienstag funktionieren." Auch das lässt für Portugal - aus deutscher Sicht - nicht hoffen.

 

- Kai Havertz -

Stand laut Spielbogen auf dem Platz. Kaum eine klare Offensiv-Aktion. Lustlos, ohne Saft, keine Körperspannung, auffällige Schwierigkeiten beim Verarbeiten und Halten von Bällen. Frankreich gewann in Halbzeit Eins 64 Prozent der Zweikämpfe; u. a. Havertz machte es ihnen zu einfach. Teilweise unklare Räume, stand häufiger zu nah am eigenen Mann, was das deutsche Spiel berechenbarer machte; die Abstände sind bei einem kompakten Gegner wie Frankreich jedoch entscheidend.

Mehr Pässe in zweiten Abschnitt der ersten Halbzeit; Abschlussversuch in der 42., geblockt; insgesamt hatte Löws Elf in der ersten Halbzeit sechs Torschüsse. Wechsel gegen Sané in Minute 74. Mit diesem Havertz in dieser Startelf wird Deutschland diese EM nicht gewinnen. Ilkay Gündogan meinte, „Gerade Kai mit seinem Finaltreffer kann das nach dem nicht so leichten ersten Jahr in England extrem viel Schub geben, den wir als Mannschaft auch nutzen können" – davon war kaum etwas zu sehen. Mit der Intensität kam er nicht gut zurecht, was u. a. im 1 gegen 1 Situationen mit Hernández zu beobachten war. Jüngster Spieler in der Startelf; überhaupt hat die Mannschaft ein relativ hohes Durchschnittsalter von fast 29 Jahren.

 

- Serge Gnabry -

Einer von sechs Spielern des FC Bayern München in den Startelfs. Laut Lothar Matthäus wäre es gut gewesen, auf den „Block von Bayern München zu setzen"; Gnabry blieb den Beweis schuldig. Ungewohnt giftiges Einsteigen gegen Pogba in der 11. Minute – die Löwsche Vorgabe lautete vermutlich: eklig sein, Widerhaken setzen. Klärte eine der drei französischen Ecken in der ersten Halbzeit; Deutschland hingegen ohne Eckball im ersten Durchgang, was ein Indiz der fehlenden Durchschlagskraft Gnabrys ist.

Mir blieb insgesamt unklar, was Gnabrys genaue Aufgabe im Spiel war. Enttäuschender als Havertz, da man von Gnabry Besseres kennt. Mit der immerhin besten deutschen Chance in der 54. Minute, unter den Augen seines alten und zukünftigen Trainers Hansi Flick. Zweite gute Gelegenheit drei Minuten später, dabei allerdings den Torwart der Blauen übersehend. Ausgewechselt gegen Werner beim Dreierwechsel in der 74. Minute. War wohl gegenüber Werner und Leroy Sané das kleinere Übel. Weitgehend harmlos.

 

- Thomas Müller -

Fast überall zu finden; lautstark. Die Zweikämpfe gegen Kanté brachten mich zum Schmunzeln. Leider stellte sich kaum Harmonie mit Havertz ein. Wurde liebevoll zugestellt von den blauen Trikots und bekam z. B. von Kimpembe stark auf die Knochen. Wartet nun weiter auf sein erstes Tor bei einer Fußball-EM, die seine letzte sein wird. Fand keinen Stich gegen die Männer von Deschamps. Die fehlenden Pass-Optionen taten ihm zusätzlich weh. Regte sich zu Recht auf über Rabiots Spielverweigerung (kann man aus französischer Sicht so machen, grenzte aber an Lächerlichkeit) in der 91. Minute.

Nie hatte eine Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes ihr erstes Spiel bei einer Fußball-Europameisterschafts-Endrunde verloren: Müller war nun Teil dieser unfreiwilligen Premiere. „Prinzipiell tut uns die hinzugewonnene Erfahrung gut. So lange waren die beiden ja nun auch nicht weg. Wir mussten sie jedenfalls nicht neu integrieren. Das ist uns ganz leicht gefallen. Man hatte das Gefühl, als seien sie gar nicht weg gewesen." – diese Einschätzung von Joshua Kimmich traf auf dem Platz sicher zu. Warum Deutschland, als Gewinner der Gruppenqualifikation, in der Vorrunde erst auf den Weltmeister, und nun auf den Europameister trifft, darauf hat auch der sonst so originelle Müller noch keine Antwort gefunden. Was mich ganz besonders für Thomas Müller freut: dass er in München endlich wieder vor Zuschauern spielen darf, „nach vielen Monaten der Leere in den Stadien" (Löw).

Übrigens: Meine Vorschau zur Gruppe F finden Sie hier.

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