Barbara Schöneberger - „Der Berg soll rufen, doch bitte ohne Mountainbiker, und dann ein Apfelbaum“

Die Moderatorin Barbara Schöneberger über ihre idealen letzten 24 Lebensstunden in den Bergen Österreichs wie Pippi Langstrumpf im Landlust-Land, über die Hoffnung, dass ihr Mann an diesem Tag nicht von einem Fußballspiel eingespannt sein wird und über ihre Organe, die gespendet werden sollen

Erschienen in Ausgabe
„Ich möchte alle meine Organe spenden. An mir ist alles wiederverwertbar“ / Maurice Weiss/Ostkreuz
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Autoreninfo

Nadine Emmerich ist freie Journalistin.

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Ich verbringe meine letzten 24 Stunden in den Bergen. Ich habe auch ein Zuhause in Österreich, diese Umgebung bedeutet für mich Rückzug. Von dort aus habe ich noch nie gearbeitet. Ich bin früh wach, um zu sehen, wie die Sonne über den Bergen aufgeht. An meinem letzten Tag muss alles idyllisch sein: Pippi Langstrumpf im Landlust-Land. Die Berge und eine blühende Blumenwiese sind dabei fast das Schönste, was ich mir vorstellen kann.

Familie ist das Wichtigste an diesem Tag. Der Morgen beginnt mit einem großen Frühstück mit allen – wir sind dann so um die 20. Später mache ich einen Spaziergang auf den Berg vor unserem Haus, da nehme ich dann aber nur noch die Kinder und meinen Mann mit. Wir gehen nicht bis ganz oben, ich bin kein Gipfel-Typ, und das finde ich auch zu anstrengend für die letzten 24 Stunden. Auf einem schönen Plateau breiten wir unsere Decke aus. Es gibt nichts Besseres, als auf einer Wanderung Pause und Picknick zu machen – und nicht zu wissen, welche Köstlichkeiten man dabeihat. Bei uns packt immer der Mann den Rucksack, und ich weiß nie, was drin ist.

Mit meinem Aussehen gebe ich mir ein bisschen mehr Mühe als sonst. Es geht ja auch um den Eindruck, den ich hinterlassen werde. Ich habe etwas an, von dem ich weiß, dass meine Familie es schön findet, wahrscheinlich eine Jeans, ein kariertes Hemd und Bergstiefel. Unbequeme Klamotten habe ich in meinem Leben genug getragen. Wir liegen im Schatten, essen Brot, Käse, Radieschen, Gurken, Tomaten und beobachten Tiere. Den ganzen Tag begegnet uns niemand. Was ich an meinem letzten Tag auf keinen Fall sehen möchte, sind Mountain­biker in Funktionskleidung. Musik höre ich nicht. Die Musik, die ich mag, ist traurig. Bei einem Rachmaninow-Klavierkonzert würde ich zu melancholisch.

Organe sollen gespendet werden

Wenn die Sonne untergeht, gehen wir nach unten, ich will zum Schluss nicht auf dem Berg stehen. Ich bin keine Sterneguckerin, das ist mir zu langweilig. Abends will ich zu Hause unterm Apfelbaum sitzen. Die Kinder sind im Bett. Vielleicht sage ich ihnen nichts. Ich bin nicht gut im Verabschieden. Wenn ich mit meinem Mann da sitze, würden wir ganz viel noch mal durchsprechen. Das mache ich oft, dass ich alles durchgehe, um es nicht zu vergessen. Wie wir uns kennengelernt haben, wie wir die Kinder bekommen haben, was wir für ein großes Glück gehabt haben, so weit zu kommen. Ich hoffe, an dem Abend ist keine Champions League und Bayern spielt. Das würde meinen Mann ablenken.

Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann sollten meine letzten 24 Stunden etwas vor Ablauf der Zeit enden. Ich möchte erlöst werden, bevor ich anfange zu denken, dass es gleich so weit ist. Ich glaube nicht, dass nach dem Tod etwas kommt. Besser als hier kann es eh nicht werden. Auch was meine Beerdigung angeht, bin ich emotionslos. Das sollen andere bestimmen. Allerdings finde ich das Bild, in einer Holzkiste in der Erde vergraben zu sein, gruseliger als die Vorstellung, verbrannt zu werden. Auf jeden Fall möchte ich alle meine Organe spenden. Ich habe eine tolle Leber und eine superneue Lunge. Ich trinke nicht, ich rauche nicht und esse kaum Fleisch. An mir ist alles wiederverwertbar.

Barbara Schöneberger: Die 1974 in München geborene Moderatorin Barbara Schöneberger veröffentlichte im Mai ihr viertes Album „Eine Frau gibt Auskunft“, mit dem sie ab März 2019 durch zehn deutsche Städte tourt

Dieser Text stammt aus der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Onlineshop erhalten.












 

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