Der Deutschlandfunk im Test - „Anästhesierende Wirkung“

Berichtet der Deutschlandfunk tendenziös? Um das zu testen, hat sich ein Autor der „Neuen Zürcher Zeitung“ zwei Tage lang durch das Programm des Deutschlandfunks gehört. Sein Zeugnis für den öffentlich-rechtlichen Radiosender fällt nicht besonders schmeichelhaft aus

„Diskussionen aus der Parallelwelt“: Der Deutschlandfunk bestand den Test der NZZ mit Ach und Krach / picture alliance
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Nie zuvor in seiner Geschichte habe der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland stärker unter Druck gestanden als heute, schreibt die Neue Zürcher Zeitung. Er nähre sich in den Augen vieler durch „Zwangsgebühren“, vor allem aber berichte er tendenziös, also: zu links und zu regierungstreu. Zu einem ähnlichen Befund kam in Cicero jüngst der renommierte Medienwissenschaftler Michael Haller

Weil solche Urteile meist Momentaufnahmen sind und Fehler eher im Gedächtnis blieben als solide Leistungen, hat ein Autor des Blattes die Probe aufs Exempel gemacht: einen Selbstversuch am Beispiel des Deutschlandfunks, und zwei Tage lang am Stück zugehört. Sein Befund? Gemischt. Die Berichterstattung über das umstrittene Buch aus dem Vatikan, in dem der emeritierte Papst Benedikt sich zum Zölibat äußert, fiel ihm unangenehm auf, ebenso wie die Sendung „Umwelt und Verbraucher“, die sich an jenem Tag mit dem „Green New Deal“ der EU beschäftigt. Die Pläne der EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen, so sein Befund, würden „ausführlich vorgestellt, aber kaum hinterfragt“.

Diskussionen aus einer Parallelwelt

Peter Liese, ein christlich-demokratischer Abgeordneter im EU-Parlament, dürfe verkünden, dass durch von der Leyens Maßnahmen viel Geld nach Deutschland fließen werde. Für die Umweltschutzorganisation WWF seien die Pläne der EU ein Schritt, der in die richtige Richtung gehe, allerdings noch nicht weit genug. „Genauso sehen es auch die Grünen im Europaparlament“, zitiert der NZZ-Dauerhörer das Ende des Korrespondentenberichts aus Straßburg und merkt lakonisch an: „Die für den Deutschlandfunk entscheidenden Autoritäten sind damit offenbar zitiert. Vertreter der Wirtschaft, denen Brüssel bald zahlreiche neue Regeln auferlegen wird, kommen nicht zu Wort.“

So kommentiert er sich fair und kritisch zugleich durch die Sendungen und die Nachrichtenblöcke, um schließlich folgendes Fazit zu ziehen: „Es ist nicht alles schlecht im Deutschlandfunk, doch auf die Dauer entfaltet das Programm anästhesierende Wirkung. Diskussionen auf Portalen wie Twitter mögen oft wirken, als fänden sie in einer Parallelwelt statt, doch für das Programm des Deutschlandfunks gilt dasselbe. Und im Gegensatz zu vielen Zeitungen macht sich der Sender erst gar nicht die Mühe, Themen aufzugreifen, die weite Teile der Bevölkerung ganz offensichtlich bewegen. Das ist das eigentliche Problem der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Je eher sie es erkennen, desto grösser ist ihre Chance, relevant zu bleiben.“ 

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