Cristiano Ronaldo - Ein Hoch auf die Wasserflasche

Die Dramaturgie ist an Schlichtheit nicht zu überbieten. Ronaldos „Coca-Cola, bah“, sein Aus-dem-Bild-Schieben zweier Cola-Flaschen führt zum Wertverlust der Marke an der Börse. Dem Fußballstar gelingt so mit minimalem Aufwand etwas, woran sich Julia Klöckner seit Jahren glücklos abarbeitet.

Cristiano Ronaldo mit ungeliebtem Erfrischungsgetränk / Screenshot
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Jens Nordalm leitete bis August 2020 die Ressorts Salon und Literaturen bei Cicero.

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Das war ein denkwürdiger Moment. Wenn man sagt, Macht hat der, dessen kleinste Gesten Größtes bewirken, dann hat Cristiano Ronaldo sehr viel Macht. Denn die Dramaturgie war an Schlichtheit nicht zu überbieten.

Ronaldo blickt zu Beginn der Pressekonferenz, nachdem er sich hingesetzt hat, auf die zwei Cola-Flaschen vor ihm – und sie missfallen ihm ganz offensichtlich. Er scheint ein paar Sekunden zu brauchen, bis er weiß, was er mit ihnen tut. Dann stellt er oder schiebt er sie aus dem Bild. Und hält stattdessen seine Wasserflasche hoch – die Marke nicht erkennbar –, sagt dazu einfach „Agua!“ und murmelt danach noch einmal verächtlich zur Seite „Coca-Cola, bah“.

Geniale Anti-Werbung

Es war eine elementare, ganz offensichtlich unkalkulierte, spontane Geste des Wegstellens, des Aus-dem-Bild-Schiebens – durch diesen bekanntermaßen äußerst asketisch lebenden und tatsächlich vor allem Wasser trinkenden Superstar. Eine Genialität der Anti-Werbung, die keine Absicht so hätte hervorbringen können. Universal verständlich das Ganze, mit minimalem Aufwand.

Und was geschah dann ökonomisch? Der folgende Kursverlust pro Coca-Cola-Aktie summierte sich zu einem Wertverlust der Marke an der Börse um vier Milliarden Dollar. Das heißt, dass etwa institutionelle Anleger und Aktienbesitzer sofort der Meinung waren, diese Aktion Ronaldos schade dem Unternehmen in einem Ausmaß, dass man sich besser von den Papieren trenne.

Nervige Askese?

Denkwürdig – denken wir dem also nach: Ist das eigentlich ein zutreffendes Menschenbild, das wiederum hinter dieser Erwartung der Anleger steckt? Dass Millionen von Menschen wegen dieser Geste, wenn sie sie gesehen haben, beim nächsten Mal etwas anderes zum Trinken bestellen oder in den Einkaufswagen legen? Dass Millionen Menschen das mit dem Zucker zwar immer schon wussten, aber jetzt erst, nach diesen 20 Sekunden Ronaldos, ihre Schlüsse ziehen?

Man möchte eigentlich hoffen, dass so einfach gestrickt die Leute doch nicht sind. Aber vielleicht die Kinder, die Jungs, die sich zwar von Mami nichts verbieten lassen wollen, aber durch diesen Hinweis des großen Ronaldo doch zu beindrucken sind? Das wäre okay. Aber leider werden wir beides nie wissen. Keine Entwicklung der Marke wird sich in den nächsten Monaten und Jahren auf diesen Moment zurückführen lassen. Bei vielen könnte auch Ronaldos nervige Askese zum Gegenteil führen: Der verzichtet auf so viel Spaß – das soll er mal alleine tun!

Das Lob Lauterbachs

Aber nehmen wir an, Ronaldos Macht sei tatsächlich riesig und sein Wegstellen der Flaschen habe die von den Anlegern erwartete Wirkung. Dann wird jetzt der eine oder die andere vor Neid erblasst sein. Was hat nicht etwa Julia Klöckner alles versucht! Gegen den Zucker, all die Kampagnen, im Verein mit all den Gesundheitsinitiativen, der ganze riesige Aufwand – und dann dieses eine Aus-dem-Bild-Schieben! Demütigend. Karl Lauterbach hat auch gleich versucht, wieder in die Offensive zu kommen – und hat Ronaldo gelobt.

Diese kleine Bewegung zweier Flaschen, über kaum mehr als einen Meter, wird Werbern weltweit viel Stoff zum Nachdenken geben. Über die Einfachheit der Szenerie, über die Reduziertheit der Mittel, und über das Gigantische der Wirkung. Regieanweisung: „Geradeaus, aber ohne emotionalen Ausdruck: ‚Agua!‘ – Verächtlich beiseite: ‚Coca-Cola, bah‘.“

„Pofalla beendet Dinge“

Man könnte sich auch draufsetzen und lustige Nebenkampagnen fahren. Erinnern Sie sich noch an Kanzleramtsminister Ronald Pofallas damals als unglücklich empfundene Positionierung in der Geheimdienst-Ausspäh-Affäre? Die hatte er ziemlich früh für beendet erklärt, weil ihm schriftliche Versicherungen der Geheimdienste Großbritanniens und der USA vorlägen, dass es nicht zu millionenfachen Grundrechtsverletzungen in Deutschland gekommen sei. Danach gab es tagelang auf einer Netz-Plattform unter „Pofalla beendet Dinge“ die lustigsten Vorschläge, was er alles einmal beenden könne.

Was könnte man auch jetzt fantasieren, was alles durch Wegstellen verschwindet, was alles so richtig schön ökonomisch abstürzt, wenn jemand es nur aus dem Bild schiebt! So viele hässliche und störende Dinge! Und natürlich noch ganz viel Schädliches. Warum schieben Habeck und Baerbock nicht mal einen Verbrennungsmotor aus dem Bild?

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