Cicero im Januar - Gebt den Geist frei!

Cicero hat die 500 einflussreichsten Intellektuellen Deutschlands gekürt. Mit dabei sind alte Bekannte, aber auch neue Stimmen und solche, die sich in der Flüchtlingsdebatte heftiger Kritik ausgesetzt sahen. Die wichtigste Erkenntnis des Jahres: Die Freiheit des Denkens brauchen wir heute dringender denn je

Nur einige von vielen: Herta Müller, Jürgen Habermas, Peter Handke, Elfriede Jelinek und Juli Zeh / Illustration: Henrik Abrahams
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Zum fünften Mal kürt Cicero die 500 wichtigsten Intellektuellen Deutschlands, ein kleiner Klassiker ist das mittlerweile. Die Liste beruht nicht wie die Person des Jahres von Time auf dem Prinzip Gefühl und Wellenschlag. Sondern auf einer systematischen Quellenauswertung über zehn Jahre. Wer wird wie oft zitiert, wer löst Debatten aus, wer mischt sich intellektuell ein?

Der immer gleiche Reflex

Zu keinem Zeitpunkt war ein Who is Who des Denkens in diesem Land wichtiger als heute. Denn seit dem Erscheinen des letzten Rankings 2013 hat sich die Debattenkultur hierzulande nicht zum Guten entwickelt. Wer sich in der Flüchtlingsfrage die Freiheit zum Widerspruch nahm, sah sich schnell als rechtsnationaler, islamophober Rassist stigmatisiert. So erging es unter anderem dem Philosophen Peter Sloterdijk, der sich in der Februarausgabe
des Cicero nach den Vorgängen von Köln zu Wort gemeldet hatte und daraufhin umgehend von Herfried Münkler und anderen zum intellektuell Aussätzigen erklärt wurde. Es war der immer gleiche Reflex: Schublade mit dem Aufkleber „Rechtskonservativer Nationalist“ auf, Sloterdijk rein, auf den Stapel drauf, auf dem schon Botho Strauß und Rüdiger Safranski lagen. Schublade zu. Ende der Debatte. Auch Alice Schwarzer ging es mit einem Beitrag für Cicero im vergangenen Jahr nicht anders.

Die grüne Hegemonie des Denkens

Peter Sloterdijk findet sich nun auf Platz 2 der neuen Cicero-Liste, Alice Schwarzer auf Platz 7, auch Botho Strauß (12) ist vertreten, und Rüdiger Safranski (47) und Herfried Münkler (13) und Jürgen Habermas (6) ebenso. Mit Recht. Sie alle regen den Geist an, sie alle stimulieren das Denken. Intellektuelle müssen das Recht haben, freier zu denken. Sonst verkümmert der Geist. Der Grüne Winfried Kretschmann, in der Tradition seiner
Lieblingsphilosophin Hannah Arendt, hat deshalb den wichtigsten Zwischenruf des abgelaufenen Jahres getan: Ja, wir Grünen haben derzeit die Hegemonie des Denkens. Aber lasst uns diese Hegemonie bitte nicht gegenüber Andersdenkenden missbrauchen und deren Denken ächten.

In Kretschmanns Sinne ein dringender Wunsch zum Jahreswechsel: Bitte gebt den Geist frei! Wir brauchen ihn. Dringender denn je.

 

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