Böhmermann-Affäre - Merkels Entscheidung ist richtig

Angela Merkel lässt die Causa Böhmermann dort entscheiden, wo sie hingehört: im Gerichtssaal. Es ist richtig, dass nicht die Exekutive bestimmt, was die Judikative entscheiden soll. Bei dem „Schah-Paragrafen“ handelt es sich trotzdem um eine juristische Verirrung

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Auch wenn jetzt viele aus ihren rosaroten Wolken fallen in Deutschland: Angela Merkels Entscheidung, das vom türkischen Präsidenten angestrebte Verfahren gegen Jan Böhmermann zuzulassen, ist völlig richtig. Es ist unter den zwei schlechten Möglichkeiten, die sie hatte, die weniger schlechte.

Nicht lange streiten muss man über die Frage, ob es sich bei diesem ominösen Paragrafen 103 des Strafgesetzbuches um eine juristische Verirrung handelt. Besonders abwegig daran ist, dass die Bundesregierung gewissermaßen als erste Instanz darüber befinden soll, ob dem Begehren des ausländischen Staats- oder Regierungschefs  stattgegeben wird, wenn dieser sich gegen Schmähungen und falsche Tatsachenbehauptungen vor Gericht zur Wehr setzen möchte.

Widerspruch zum Prinzip der Gewaltenteilung


Das nun setzt dem absurden „Schah-Paragrafen“ noch ein kleines Krönchen auf. Denn man muss nicht Montesquieu heißen, um darin einen Widerspruch zum Prinzip der Gewaltenteilung zu sehen. Die Exekutive bestimmt, was die Judikative tut oder lässt? Das geht nun eigentlich, um ein Kanzlerinnenwort zu bemühen: gar nicht.

Deshalb ist die Entscheidung Merkels richtig: Weil sie vom Vorkosterrecht, das der Regierung in diesen Fällen qua Gesetz einräumt, keinen Gebrauch macht. Sondern die Sache dort entscheiden lässt, wo sie hingehört: im Gerichtssaal. Es ist also nicht in erste Linie ein Kotau vor Herrn Erdogan, sondern der richtige Reflex, nicht in die Räder der Gerichtsbarkeit zu greifen.

Jan Böhmermann wurde nicht geopfert


Und ohne dem Verfahren und dem Urteil vorzugreifen: Wer jetzt glaubt, die Kanzlerin habe Böhmermann nun Erdogan ausgeliefert, gewissermaßen für den Türkei-Deal in der Flüchtlingspolitik geopfert, der hat zu wenig Vertrauen in die Bedeutung der Meinungs- und Kunstfreiheit in Deutschland und den Wert, den der Rechtsstaat ihnen in diesem Land jenseits aller Geschmacksfragen zubilligt. 

 

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