Die Bausünden der Leser - Schön ist anders

Das Land von Rhein-Romantik und Fachwerkidylle hat auch seine dunklen Seiten: Deutschland brutal. Wir hatten jüngst unsere Leser dazu aufgefordert, Fotos der markantesten Bausünden aus ihrer Umgebung einzusenden. Und präsentieren: ein „Best of“ von Klassizismus bis Brutalismus.

Das Ihme-Zentrum in Hannover - einst als visionär gefeiert, heute als Bausünde anerkannt / dpa
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Was ist schön? Was ist hässlich? Diese Frage bewegte jüngst Cicero-Chefredakteur Alexander Marguier in seinem täglichen Newsletter. Vorangegangen war die Feststellung, dass es in Deutschland unzählige Bausünden gibt, von denen die Architekturkritik nicht einmal im Entferntesten Kenntnis zu haben scheint. Gibt es in der Nähe Ihres Wohnorts ein Gebäude, über das Sie sich schon immer geärgert haben, weil es einfach Ihren Sinn für Ästhetik beleidigt?, fragte daher die Redaktion und bat Sie als Leser darum, Fotos der brutalsten Stadtansichten einzusenden. Hier das Ergebnis:

Dem Gästehaus bleiben die Besucher aus 

Seit circa drei Jahren finden am Gästehaus der Großen Loge der Freimaurer in Berlin-Dahlem (Peter-Lenne-Str.1) umfangreiche Bauarbeiten statt. Nachdem zunächst das Dach dieses denkmalgeschützten historischen Gebäudes saniert wurde (die herrliche Freitreppe des Gebäudeeinganges wurde häufig zu Filmaufnahmen genutzt), wird nunmehr die rückwärtige Gartenanlage umgestaltet. Diese „Umgestaltung“ besteht darin, dass der Garten (versehen mit Buchen, Kiefern und Tannen) bis zu einer Tiefe von circa fünf Metern ausgehoben, die Bäume größtenteils umgesetzt und schließlich ein rund zehn Meter hohes Betongebäude vor die denkmalgeschützte Alt-Villa gesetzt wurde. Die Umbauarbeiten sind bis zum heutigen Tag noch nicht abgeschlossen. (Wolfgang Henning)

 

Plattenbau „Memi“

Hier ein Bild meiner meistgehassten Bausünde: das so genannte „Memi“, ein Plattenbau an der Menhardstraße in Berlin-Mitte. Laut Kollhoff-Plan von Anfang der 1990er Jahre sollte dieses Teil längst durch ein Hochhaus neuester Prägung ersetzt worden sein, doch die von Rot-Rot-Grün-geführte Bezirksvertretung verteidigt diesen Plattenbau, als wäre es der Kreml. (Reinhard Rupsch)

 

Die „städtebauliche Dominante“

Bonn ist eben nicht nur ehemalige Hauptstadt! Auch architektonisch hat die Stadt einiges zu bieten. Viele Museen, die Universität und einige ehemalige politische Institutionen prägen das grüne und harmonische Stadtbild. Eine Bausünde hat Bonn dann aber doch zu „bieten“: das Stadthaus. Der damalige Entwurf des Stadthauses folgte der Idee einer „städtebaulichen Dominante“. Von vielen Seiten wird der rigorose Abriss des Gebäudes und ein anschließender Neubau gefordert. Vielleicht war das ja auch der Grund dafür, dass zum wiederholten Mal ein Feuer im Bonner Stadthaus gelegt worden ist. Da konnte wohl einer den Abriss kaum abwarten. (Sina Schiffer)

 

Riesige Baustellen

Die riesigen Baustellen an und in der Nähe der Ufer der Spree in Berlin – hier entlang der Eastside Galerie – treiben einen echten Berliner um. Alles Bauten, die, so das Wissen von Architekten, in 70 bis 80 Jahren wieder abgerissen werden müssen. Die Standfestigkeit durch schlechter werdenden Stahl ist dann nicht mehr gegeben. Wenn es mich dann auch nicht mehr betrifft: ein Glück! (Ingo Rossignol)

 

Das ist gründlich misslungen

Das „Kulturforum“ war der Versuch,  ein architektonisch anspruchsvolles Kulturzentrum für (damals West-) Berlin zu schaffen. Das ist gründlich misslungen. Bis heute ist das Gelände – abgesehen von den einzelnen Solitären berühmter Architekten – eine unansehnliche Brache geblieben. Immerhin ist auf der westlichen Seite der Potsdamer Straße Bewegung in die Diskussion gekommen: Die aktuelle Planung sieht Umgestaltung und Errichtung  eines „Museums des 20. Jahrhunderts“ vor. Über die Ostseite wird dagegen nicht gesprochen – dabei müsste gerade hier dringend etwas geschehen. Der (post-) Scharoun’schen  Staatsbibliothek wurden Parkplätze und banale Flachbauten vorgelagert (in denen das Ibero-amerikanische Institut untergebracht ist) – mit dem geballten Charme vorstädtischer Industriegewerbe-Architektur. Diesem Ort fehlt jede urbane Atmosphäre – eher peinlich für ein prestigeträchtiges Kulturforum. (Folkmar W.O. Stoecker)

 

Eine besonders aparte Mischung

Dieses Foto zeigt, wie in meinem Geburtsort München-Pasing schon in den 1970er Jahren direkt im Zentrum ein meines Erachtens „leuchtendes“ Beispiel zum Thema Bausünden als Abschluss einer ganzen Zeile Gründerzeithäuser platziert wurde und bis heute dort prangt. Links davon tut sich der Blick auf die alte Stadtpfarrkirche von Ende 1800 auf, eine besonders aparte Mischung, die ich aber aufgrund einer hinter mir sich auftuenden Baustelle so nicht zusammen festhalten konnte. (Wolfgang Z. Keller)

 

Man schicke sie nach Ludwigshafen

„Wen der liebe Gott will strafen, den schickt er nach Ludwigshafen“, schrieb einst der königlich-bayerische General Heinrich Meyer. Seit die rheinland-pfälzische Industriestadt am Rhein 1969 ihren neuen Hauptbahnhof eröffnete, gibt es einen Grund mehr, dieser Sentenz zuzustimmen. Wer dort aussteigt, fühlt sich, als wäre er in einer von Sowjetarchitektur und Strukturwandel verhunzten  ukrainischen Provinzstadt gelandet. Beton über Beton, über den Bahnhof rauscht eine Schnellstraße, vor dem Bahnhofsgebäude steht ein Betonklotz, auf dessen Dach nur die Buchstaben HOTEL an den eigentlichen Zweck erinnern. Bei der Eröffnung im Mai 1969 nannte die Bundesbahn den Bahnhof „eines ihrer interessantesten und attraktivsten Bauwerke.“ Heute ist er – allgemein anerkannt – ein verödeter Schandfleck und ein Zeugnis der architektonischen und städtebaulichen Verirrungen nach dem Zweiten Weltkrieg. (Moritz Gathmann)

 

Denkmalschutz in Frankfurt am Main

Ist möglicherweise ein Bild von außen

Der Stoltzeturm in der Töngesgasse. (Till Heinz, Frankfurt am Main)

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