AfD und Deutscher Kulturrat - „Wo bleibt die Pluralität?“

Der Deutsche Kulturrat und die AfD sind sich spinnefeind. Dennoch streiten der Kulturrats-Geschäftsführer Olaf Zimmermann und der AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Jongen offen über Politik und Kunst, Migration und Toleranz

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„Rüsten Sie und Ihre Parteifreunde endlich rhetorisch ab!“, fordert Olaf Zimmermann von Marc Jongen / Luca Abbiento
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Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Die Redebeiträge der AfD im Bundestag schwanken zwischen tiefem Ernst und großer Empörung. Gehen Sie, Herr Jongen, auch zum Lachen in den Keller?
Marc Jongen: Unser ernster, oft auch empörter Habitus passt zu den Verhältnissen, die wir im Bundestag und im politischen Deutschland vorfinden. Man schwankt da oft zwischen Lachen und Weinen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass ich des Lachens fähig bin.

Sie, Herr Zimmermann, sind der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, des Spitzenverbands der deutschen Kulturverbände. Diese Stellenbeschreibung verheißt wenig Freude.
Olaf Zimmermann: Der Kulturrat versucht aus 257 Bundeskulturverbänden eine gemeinsame Idee zu entwickeln, einen Kompromiss zu finden. Solche Arbeit im politischen Raum ist manchmal lustig und manchmal das Gegenteil, aber immer notwendig.

Was ist denn eigentlich Kultur?
Jongen: Bei dem amerikanischen Ethnologen Clifford Geertz heißt es, Kultur sei die Lebensweise einer Gesellschaft. Mir ist ein erweiterter Kulturbegriff wichtig, der sich nicht auf die Themen des Feuilletons beschränkt. Kultur durchdringt alle Subsysteme der Gesellschaft, jenseits von Theater, Literatur und bildender Kunst.

Zimmermann: Kultur ist alles, was nicht Natur ist. Insofern halte auch ich die Verengung des Begriffs auf die klassische Hochkultur für falsch. Deren Verbände sind im Kulturrat ebenso vertreten wie Soziokultur und Computerspiele.

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats

Der Kulturrat hat ein großes Vertrauen in die wirklichkeitsverändernde Kraft von Papier. Keine Woche vergeht ohne eine politische Resolution, die vom Kulturrat entweder initiiert oder unterstützt wird. Sie befürworten unter anderem die „Brüsseler Erklärung – Für die Freiheit der Kunst“ gegen den „Angriff von rechts“, die „Berliner Erklärung der Vielen“ gegen „rechtspopulistische sowie völkisch-nationale Strömungen“, die „Initiative kulturelle Integration“ zur „Integration der Menschen, die nach Deutschland kommen, aber auch derjenigen, die bereits in Deutschland leben“, ferner die „Allianz für Weltoffenheit“ und die „Aktion Deutschland #vereint“. Das ist ein gewaltiger Textausstoß.
Zimmermann: Um bei so vielen Partnern, wie sie der Kulturrat vertritt, auf eine gemeinsame Position zu kommen, muss man sich sprachlich auf gewisse Formulierungen einigen. Die Resolutionen sind Ergebnis eines Ringens um Übereinkunft, die dann für alle Unterzeichner verbindlich gilt. Es ist richtig, dass der Deutsche Kulturrat sich intensiv mit Positionen in die kulturpolitischen Debatten einbringt. Neben den von Ihnen erwähnten Themen befasst sich die Mehrzahl unserer Stellungnahmen mit der Kulturordnungspolitik wie dem Urheberrecht und der Künstlersozialkasse.

Jongen: Diese Resolutionen sind Ausdruck einer Politisierung der Kultur, die vom Kulturrat maßgeblich vorangetrieben wird. Ihre Vielzahl deutet auf eine Krise des linken Milieus, das sich von neuen kulturellen Kräften herausgefordert sieht. Statt mit diesen neuen Kräften den Dialog zu suchen, igelt man sich ein.

Jetzt gerade findet ein solcher Dialog statt.
Jongen: Das ist begrüßenswert. Hoffentlich bleibt es bei keiner einmaligen Schaufensterveranstaltung.

Zimmermann: Wir wollen den Dialog führen und weiterführen. Zum Kern der Demokratie gehört, dass man bei politischen Meinungsverschiedenheiten im Gespräch bleibt. Wir sind eine zivilgesellschaftliche Organisation, und als solche haben wir auch eine politische Meinung. In unserer Satzung steht an erster Stelle, dass wir uns für Kunst- und Meinungsfreiheit einsetzen. Wo diese durch neurechte Gruppierungen infrage gestellt wird, können wir nicht neutral bleiben. Die AfD muss akzeptieren, dass es neben anderen politischen Parteien auch zivilgesellschaftliche Akteure gibt, die ihr widersprechen.

Marc Jongen, kulturpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion

Jongen: Natürlich wissen wir, dass ein Großteil des Streites um die Richtung der Kultur außerhalb der Parlamente stattfindet. Das akzeptieren wir. Die zivilgesellschaftlichen Akteure einschließlich des Kulturrats sollten aber auch akzeptieren, dass sich die AfD um den Vorsitz im Kulturausschuss des Bundestags bewirbt, und keine Protestaktionen dagegen starten. Gerade der Kulturrat erzeugt da leider ein dialogfeindliches Klima, trotz unseres heutigen Gesprächs. Mir kommt es verdächtig vor, wenn ich höre, dass Sie als Dachverband eine Vielzahl von Gruppen repräsentieren und zu einer einzigen gemeinsamen Meinung finden müssen. Wo bleibt die Pluralität, die Sie sich auf die Fahnen schreiben? Warum moderieren Sie nicht die unterschiedlichen Stimmen, statt sie auf Linie zu bringen?
 

Zimmermann: Sie, Herr Jongen, sprachen doch zuerst von der „Entsiffung“ des „links-grün versifften Kulturbereichs“ und der „propagandistischen Begleitmusik der Masseneinwanderung“. Damit war der Grundtenor der AfD gesetzt. Und dann wundern Sie sich, wenn Sie Gegenwind bekommen?

Jongen: Sie verdrehen die Reihenfolge, Herr Zimmermann. Das Zitat, eine drastische Formulierung Akif Pirinccis, habe ich erst gebraucht, nachdem der Kulturrat und Hunderte Kulturschaffende gegen mich agitiert hatten. Ich war sehr konziliant in die Auseinandersetzung hineingegangen.

Zimmermann: Ihre Reden im Bundestag sind oft von einer derartigen Schärfe und Brutalität, dass es sehr schwer wird, miteinander zu reden. Der Kulturrat soll zur Meinungsbildung im zivilgesellschaftlichen Kulturbereich beitragen und nicht nur moderieren. Wir wollten in der Tat verhindern, dass die AfD den Vorsitz im Kulturausschuss erhält, wofür Sie im Gespräch waren. Durch Äußerungen, wie ich sie eben zitierte, haben Sie sich in unseren Augen hierfür disqualifiziert. Sie können uns gerne dafür kritisieren, aber genau das ist unsere Aufgabe.

Jongen: Nein. Sie wollten im Schulterschluss mit der Antifa verhindern, dass die drittstärkste Fraktion im Bundestag so behandelt wird, wie es guter parlamentarischer Brauch ist. Das hat mit Meinungsbildung nichts zu tun, das ist undemokratisch.

Zimmermann: Das sind doch nur Schlagwörter. Wo haben wir je mit der Antifa zusammengearbeitet?

Jongen: Die Menschen auf Ihren Unterschriftenlisten sind vielfach dieselben, die auf Demonstrationen mit der Antifa laufen und gegen die AfD polemisieren. Sie gehören, mit Verlaub, zur Nadelstreifenfraktion der Antifa. Und Schlagwörter sind die Spezialität des Kulturrats. Statt einer Auseinandersetzung in der Sache wird ein Popanz errichtet und mit den Attributen „rassistisch“, „völkisch“ oder „nationalistisch“ beklebt. Das sind reine Diskursverhinderungsvokabeln. Gerne gestehe ich zu, dass auch auf unserer Seite manchmal mit Projektionen gearbeitet wird.

Das Zitat von der Kultur als der „propagandistischen Begleitmusik der Masseneinwanderung“ stimmt aber?
Jongen: Das stimmt. Wenn es verboten ist, mit kulturellen Mitteln kritisch an die Migration und deren Folgen heranzugehen, haben wir ein Problem.

Zimmermann: Wo, bitte schön, ist denn Kritik an der Migrationspolitik verboten?

Jongen: Ihre Resolutionen laufen darauf hinaus, jede kritische Betrachtung der Migrationsfrage aus dem Diskurs auszuschließen.
 

Zimmermann: Ihre Partei wurde innerhalb kurzer Zeit zur drittstärksten Fraktion. Da können Sie nicht ernsthaft behaupten, Ihnen sei irgendetwas verboten worden. Sie machen einen politischen Durchmarsch mit Ihren Themen. Sobald es Kritik gibt, stilisieren Sie sich zum Opfer. Das hat mit der Realität überhaupt nichts zu tun.

Jongen: Und ob!

Zimmermann: Sie wurden in den letzten Jahren von den Medien geradezu gepampert, sonst wären Sie nicht so schnell so stark geworden. ZDF-Chefredakteur Peter Frey hat es jüngst so formuliert, und da hat er recht.

Jongen: Da muss ich jetzt aber wirklich lachen. Wir leben im selben Land und zugleich in vollkommen unterschiedlichen Realitäten. Das kann ich nur fasziniert zur Kenntnis nehmen. Alles, was Sie sagen, ist vollkommen grotesk und lässt sich durch Zahlen und Fakten widerlegen. In öffentlich-rechtlichen Talkshows war die AfD in den vergangenen Monaten fast gar nicht vertreten, in krassem Missverhältnis etwa zu den Grünen.

Die AfD sollte öfter in Talkshows eingeladen werden?
Jongen: Natürlich. Sie muss dort ihrer politischen Bedeutung angemessen vertreten sein, wie jede andere Partei.

Zimmermann: Ihre Partei hat in der Vergangenheit enorm davon profitiert, dass über eine sehr lange Zeit in sehr vielen Talkshows über Flüchtlinge diskutiert wurde, als gäbe es keine anderen Themen mehr.

Sie, Herr Zimmermann, loben in der Zeitung des Kulturrats, Politik und Kultur, jene Kultureinrichtungen, „die mit ihrer Arbeit ein klares Signal gegen rechts und für eine weltoffene Gesellschaft setzen“. Anlass ist der Protest gegen die Absage eines Konzerts der linken Musikgruppe Feine Sahne Fischfilet durch die Stiftung Bauhaus in Dessau. Wird es auch einmal ein Signal gegen links geben?
Zimmermann: Es muss Signale geben, wenn es eine Bedrängung gibt, und derzeit gibt es eine rechte Bedrängung. Gäbe es eine Bedrängung von links, müssten sich Kultureinrichtungen genauso deutlich, klar und unmissverständlich gegen eine linke Bedrängung widersetzen.

Jongen: Eine solche linke Bedrängung gibt es längst.

Zimmermann: Nein, gibt es eben nicht. In Dessau sollte es rechte Demonstrationen gegen diesen Auftritt geben – das ist absolut legitim. Aber nicht in Ordnung ist es, aus Angst vor rechten Randalen einzuknicken und die Kunstfreiheit zu beschneiden.

Jongen: Nicht in Ordnung ist es, wenn der Kulturrat das Recht einer Stiftung in Abrede stellt, aus freien Stücken ein Konzert abzusagen. Wir haben diese Absage nicht gefordert. Fakt ist aber, dass täglich Aktivitäten, die die AfD plant, abgesagt werden müssen, weil man aus Angst vor linker Gewalt einknickt. Ich selbst habe das mehrfach erlebt. Der Kulturrat könnte, wenn er hier dieselben Maßstäbe anlegte, täglich eine Resolution für die Versammlungsfreiheit der AfD verfassen. Hinter Ihrer Solidaritätsadresse für Feine Sahne Fischfilet verbirgt sich außerdem eine Parteinahme für die Inhalte, die diese linksradikale Band vertritt.

Zimmermann: Nein, es geht um Kunstfreiheit. Wir sind nicht die Oberzensoren, weder bei linker noch bei rechter Kunst.

Jongen: Sie verhalten sich aber so.

Zimmermann: Die weit überwiegende Mehrzahl von gewaltverherrlichenden, rassistischen Texten haben wir im Bereich des Rechtsrocks. Das sind die Fakten.

Jongen: Diese Texte im rechtsradikalen Bereich sind vollkommen widerwärtig, da sind wir uns einig. Nur halten sich rechtsradikale Bands in ihrem kleinen, isolierten Milieu auf und beherrschen Gott sei Dank nicht die öffentliche Meinung. Linksradikale Kulturschaffende hingegen werden hofiert, von den öffentlich-rechtlichen Medien bis hinauf zum Bundespräsidenten. Für das #wirsindmehr-Konzert nach den Vorfällen in Chemnitz hat Herr Steinmeier geworben. Glauben Sie mir: Würde der Bundespräsident rechtsradikale Bands unterstützen, würde ich mich sofort dem Widerstand dagegen anschließen.

„Sie verwechseln permanent Ursache und Wirkung!“ (Marc Jongen)

Zimmermann: Warum gab es denn dieses beeindruckende Konzert in Chemnitz? Das müssen wir uns doch fragen.

Jongen: Das ist das Grundproblem. Sie verwechseln permanent Ursache und Wirkung.

Zimmermann: Nein, es gab eine furchtbare Gewalttat und Demonstrationen gegen diese Gewalttat, denen es leider an der notwendigen Empathie für die Opfer gemangelt hat. Die Opfer wurden instrumentalisiert.

Jongen: Wo bleibt denn die Empathie des linken Kulturmilieus für die Opfer? Das Einzige, was ihnen bei solchen Gewalttaten einfällt, ist eine Demonstration gegen rechts. Das kann man schon im Wortsinn pervers nennen.

Zimmermann: Wir bedauern zutiefst diese Opfer, und ich finde es geradezu unglaublich, wie viele Opfer wir in den vergangenen Jahren hatten. Wir gehen auf die Straße, weil Rechte diese Opfer instrumentalisieren.

Jongen: An diesem Punkt zeigt sich unser fundamentaler Dissens. Sie gehen nonchalant über die Tatsache hinweg, wie sehr und auf welchen Wegen sich unser Land verändert – nicht durch die angebliche Instrumentalisierung von Opfern, sondern dadurch, dass es diese Opfer in hoher Zahl gibt und zwar aufgrund einer fehlgeleiteten Migrationspolitik. Es halten sich Menschen in unserem Land auf, die sich ganz offensichtlich in weit höherem Ausmaß als die einheimische Bevölkerung kriminell verhalten. Der Kulturbetrieb befleißigt sich einer dogmatischen Schönfärberei, ganz entgegen dem Anspruch der Kulturschaffenden, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Zimmermann: Es war eine humanitäre Entscheidung, 2015 die Grenzen zu öffnen. So sieht es auch weiterhin der allergrößte Teil der Bevölkerung in Deutschland. Beim Umgang mit der Einwanderung danach gibt es positive und negative Elemente.

Jongen: Nennen Sie mir nur ein positives Element bitte.

Zimmermann: Unsere Gesellschaft profitiert davon, wenn sie mit neuen Ideen, neuen Menschen in Kontakt gebracht wird.

Jongen: Nur jene können davon profitieren, die noch am Leben sind. Einige wurden grausamst ermordet durch Zugewanderte.

Zimmermann: Wenn wir die Grenzen nicht geöffnet hätten, wären die Menschen massenweise gestorben.

Jongen: Das ist reine Fantasie. Niemand wäre an der österreichisch-ungarischen Grenze gestorben.

Zimmermann: Die Menschen hatten Hunger, froren, schon vor der ungarischen Grenze. Warum soll man Menschen, die in Not sind, nicht helfen? Woher kommt nur Ihre kalte Hartherzigkeit? Das widerspricht unseren Werten vollkommen.

Jongen: Woher kommt die Hartherzigkeit, reihenweise junge Menschen, die schon länger hier leben, um mit Angela Merkel zu reden, einer Ideologie von Toleranz und Weltoffenheit zu opfern? Nur um der Welt zu zeigen, wie humanistisch und gutherzig wir sind? Das verstehe ich bei Ihnen nicht und noch weniger bei den Regierenden, deren Amtseid will, dass sie dem deutschen Volk dienen und nicht der ganzen Menschheit. Das ist humanitaristische Gesinnungsethik. Unter dem Deckmantel des Humanismus nehmen Sie Todesopfer in Kauf, um sich selbst besser zu fühlen.

Sie haben mehrfach betont, Herr Zimmermann, dass der Kulturrat an der Seite der Kunstfreiheit steht. Darf der Leipziger Maler Axel Krause mit Ihrer Unterstützung rechnen? Er verlor seinen Galeristen, weil er Kritik an der Migrationspolitik geäußert hatte und sich als AfD-Wähler outete.
Zimmermann: Die Freiheit der Kunst gilt universell, nach rechts wie nach links. Diesen Fall kenne ich im Einzelnen nicht. Generell sind Künstler durch das Grundgesetz glücklicherweise sehr weitgehend geschützt. Ich war selbst früher Kunsthändler. Nur schwer hätte ich mir damals vorstellen können, mit Künstlern zusammenzuarbeiten, mit denen ich politisch überhaupt nicht harmoniert hätte. Aber natürlich darf man einem Künstler nicht verwehren, sich für ein Stipendium zu bewerben oder in öffentlichen Museen ausgestellt zu werden, nur weil er AfD-Mitglied ist. Wir sollten sachlich miteinander streiten, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Ist die Flüchtlingskrise der Grund unserer gesellschaftlichen Verwerfungen oder nur der Auslöser? Grund scheinen mir eher die großen sozialen Veränderungen, die die Moderne mit sich bringt: Globalisierung, Digitalisierung, ein neues Familienbild. Wann zerstört Globalisierung möglicherweise das Empfinden von Heimat? Darüber sollten wir reden.

Jongen: Gerne. Nur sollten wir nicht so tun, als hätte es die Verschärfung all dieser Fragen durch die Migrationskrise nicht gegeben. Ihr Bekenntnis zur Kunstfreiheit hat leider den Charakter eines Lippenbekenntnisses. Ein Künstler, der in keiner Galerie und in keinem Museum mehr Anschluss findet, ist zwar nicht verboten, aber die Wirkung ist dieselbe. Natürlich darf ein Galerist frei wählen, welchen Künstler er vertritt. Das geht die Politik nichts an. Dieser Rauswurf war aber kein privater Einzelfall, sondern symptomatisch für die allgemeinen Verhältnisse. Die politische Meinung des Staatsbürgers Axel Krause ist im Kulturbetrieb unerwünscht.

Zimmermann: Sie stellen sich die Kultur schon wieder als einen monolitischen Block vor. Wenn man überhaupt einen Bereich nicht auf Linie bringen kann, dann ist es der Kulturbereich. Wohl aber hat er die Sorge, die AfD wollte ihn, wäre sie an der Macht, auf Linie bringen.

Jongen: Das ist abwegig. Ich wünschte mir eine Kultur, die so wäre, wie Sie sie beschreiben: vielfältig, offen für den Dialog, voller unterschiedlicher Positionen. Tatsächlich gibt es diesen Pluralismus immer weniger. Je lauter Toleranz und Vielfalt propagiert werden, desto weniger sind sie real noch zu finden. Uns liegt nichts ferner als eine Gleichschaltungspolitik. Wir sind die einzige Oppositionspartei, die den übermächtigen kulturellen Linksblock herausfordert und ihn zwingt, die eigenen Positionen zu schärfen. Seien Sie doch froh, dass es uns gibt.

Zimmermann: Dann lassen Sie uns gemeinsam arbeiten an Vielfalt, Pluralismus, Toleranz – und rüsten Sie und Ihre Parteifreunde endlich rhetorisch ab. Beleidigen Sie nicht, drohen Sie nicht. Ich meinerseits stehe weiterhin für konstruktive Gespräche bereit.

Und Sie, Herr Jongen? Was nehmen Sie mit?
Jongen: Wenn es, wie hier, spiegelbildliche Vorwürfe gibt, dann ist das meistens für beide Seiten ein Grund, an sich zu arbeiten.


Dieser Text stammt aus der Dezember-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Online-Shop erhalten.














 

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