Würzburg - Amokläufer hat sich rasant radikalisiert

Der Axt-Attentäter von Würzburg hatte laut Staatsanwaltschaft „politische Motive“. In einem Bekennervideo des „Islamischen Staates“ soll er eine „heilige Operation“ in Deutschland angekündigt haben

Amoklauf in einem Regionalexpress / picture alliance
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Er war den Ermittlern nicht bekannt, lebte unauffällig in einer Pflegefamilie und wurde innerhalb von kurzer Zeit zum Attentäter: Der 17-jährige Afghane, der in der Nacht zum Dienstag in einem Zug bei Würzburg fünf Menschen zum Teil schwer verletzte, hatte wohl politische Motive.

Er habe sich an „den Ungläubigen“ dafür rächen wollen, „was sie ihm und seinen Glaubensbrüdern angetan haben“, sagte der Leitende Bamberger Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager bei einer Pressekonferenz am Dienstagabend. Der Täter war gläubiger Muslim, aber der Polizei bislang nicht aufgefallen.

„Allahu Akbar“-Rufe

Ein Zeuge habe von „Allahu Akbar“-Rufen berichtet, „Gott ist groß“ auf Arabisch. Dies war nach Angaben der Ohlenschlagers deutlich auf einem der Anrufe zu hören, die an die Rettungsleitstelle gingen. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hatte zuvor davon berichtet: „Es gibt eine Aussage, dass der Täter, kurz bevor er von der Polizei erschossen wurde, einen islamischen Ausruf gemacht haben soll.“

Im Zimmer des Jugendlichen stellte die Polizei zudem eine „handgemalte IS-Flagge“ sicher, teilte der CSU-Politiker weiter mit. Darauf sei ein Text zu lesen gewesen, der darauf hinwies, dass sich der Täter „in letzter Zeit selbst radikalisiert hat“.

Die dem „Islamischen Staat“ nahestehende Nachrichtenagentur Amak meldete, dass der Attentäter ein „Kämpfer“ der Terrormiliz sein soll. Der Staatsschutz ermittelt in diesem Zusammenhang.

Zudem veröffentlichte die Agentur Amak am Abend ein angebliches Bekennervideo des Jugendlichen. Darin hält der 17-Jährige ein Messer in der Hand und bezeichnet sich als „Soldat des 'Islamischen Staates'“. Er kündigte eine „heilige Operation“ in Deutschland an: „Ihr kommt in unsere Länder, um unsere Männer, Frauen und Kinder zu töten. (...) So Gott will, werdet ihr in jeder Straße, in jedem Dorf, in jeder Stadt und auf jedem Flughafen angegriffen.“

Bäcker-Lehre in Aussicht

Ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums sagte: „Der Mann auf dem Video ist der Täter von Würzburg.“ Auch das Bundeskriminalamt bestätigte die Echtheit des Materials. Zeugen wollen den Zug-Angreifer zweifelsfrei erkannt haben.

Wie der Jugendliche derartiges Gedankengut entwickeln konnte, ist den Ermittlern bislang ein Rätsel. Er war als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen. Zunächst lebte er in einer Einrichtung der katholischen Kolpingbewegung in Ochsenfurt im Landkreis Würzburg. Vor zwei Wochen sei er in eine Pflegefamilie gezogen. Er soll sogar ein Praktikum in einer Bäckerei absolviert haben. Nach Angaben des bayerischen Sozialministeriums hatte er gute Aussichten auf eine Lehrstelle.

Der Bamberger Staatsanwalt Ohlenschlager erklärte bei der Pressekonferenz auch, was der Auslöser der Tat hätte sein können. Der junge Mann habe am vergangenen Wochenende vom Tod seines Freundes in Afghanistan erfahren. Daraufhin habe er sich an „Ungläubigen“ rächen wollen, die seinen muslimischen Freunden Leid angetan hätten. Seinen eigenen Tod soll der Jugendliche in Kauf genommen haben. 

Grauenhafte Szenen

Es müssen grauenhafte Szenen in dem Regionalexpress gewesen sein. Der Bundespolizei zufolge waren am Montagabend rund 25 bis 30 Reisende in dem Zug von Treuchtlingen nach Würzburg unterwegs. Kurz vor der letzten Haltestelle in Heidingsfeld soll der 17-Jährige seinen Angriff gestartet haben. Er schlug mit Axt und Beil auf die Köpfe der Fahrgäste, verletzte drei Personen schwer und eine Person leicht. Zwei von ihnen schweben noch immer in Lebensgefahr.

Bei den Opfern habe es sich um eine Familie und deren Freund aus Hongkong gehandelt. Das berichtete die „South China Morning Post“. Der Vater und der Freund hätten versucht, ihre Mitreisenden vor dem Angreifer zu schützen. 14 Fahrgäste erlitten einen Schock.

Der Zug stoppte per Notbremse, der Täter floh. Zufällig befand sich in Würzburg ein Sondereinsatzkommando, das sofort nach Heidingsfeld geschickt wurde. Der Täter habe die Polizisten mit einer Axt angegriffen, woraufhin er vor Ort erschossen wurde.

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