Wahlplakate im Check - Einmal nett lächeln, bitte!

Die Parteien investieren zu jedem Bundestagswahlkampf Millionen in die Wahlwerbung. Angesichts der bescheidenen Wahlplakate mag man das kaum glauben. Viele hätten so auch von 2013 sein können

Text: Achim Schaffrinna / Fotos: die Parteien
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Chiara Thies ist freie Journalistin und Vorsitzende bei next media makers.

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„Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen“, das wusste schon Loriot. Zum Anschauen bieten sich jetzt wieder reichlich Gelegenheiten: Sieben Wochen vor der Bundestagswahl mutieren die Straßen Deutschlands zu einem Plakat-Dschungel. Die Parteien liefern sich einen Wettkampf im Plakatieren und betreiben immer größeren Aufwand in Sachen Wahlwerbung. Die CDU lässt sich das 20 Millionen Euro kosten, die SPD sogar 24. Das macht nach aktuellen Hochrechnungen eine Million Euro für jeden Prozentanteil ihrer Wählerstimmen.

Wahlkampf mit Witz

Doch eigentlich ist die Massenplakatierung in Zeiten der Digitalisierung absurd. Wer sich aber die Social Media Aktivitäten der Parteien anschaut, den wundert nichts mehr. Anders als mit dem Zitat „Das Internet ist für uns alle Neuland“, ist der missglückte Hashtag #fedidwgugl der CDU nicht zu erklären. Zum besseren Verständnis: Der Hashtag ist die Abkürzung des Wahlkampfslogans „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. Aus der Internetgemeinde gab es dafür zu Recht einen Shitstorm. Wahrscheinlich ist es auch besser, wenn Politikergesichter nicht als aggressive Pop-Up-Werbung weggeklickt werden müssen. Analog kann man die Wahlplakate ganz im Sinne Loriots noch auf die altmodische Art herunterreißen. Denn obwohl darauf Strafen stehen, scheint das ein Ritual mit zunehmendem Trend zu sein. Besonders für die AfD gilt: Umso höher die Wahlwerbung hängt, desto sicherer ist sie.

Dabei muss Vandalismus nicht zwingend Zerstörung bedeuten. Es gehört ebenso zum Straßenbild, dass die Wahlplakate von Unbekannten eigenmächtig verschönert werden. Das reicht von den wenig kreativen, aber Allzeit-Hits der Teufelshörner und dem Hitler-Bart über Beschimpfungen bis zu inhaltlichen Antworten auf die Slogans. Manch einer aus den Parteien reagiert mit Witz auf die Schmierereien an den eigenen Plakaten und schreibt munter Antworten daneben. 

Die Plakate im Vergleich

Wer soll überhaupt auf den Plakaten zu sehen sein? Spitzenkandidaten oder auch andere? Das hat jede Partei unterschiedlich beantwortet. Die Linke konnte sich nicht entscheiden. Letztlich hat sie sich für die Doppelspitzen von Partei- und Fraktionsvorsitz „entschieden“. Mehr oder weniger lächeln uns nun Sahra Wagenknecht, Dietmar Bartsch, Katja Kipping und Bernd Riexinger entgegen. Einige „Politikverdrossene“ lernen jetzt immerhin, dass die Linke aus mehr Personen als Frau Wagenknecht besteht.

Die FDP setzt ganz auf ihren Parteichef Christian Lindner. Der wurde in weißem Hemd und mit Sunny-Boy-Attitüde fotografiert. Das Ganze in schwarz-weiß und mit sehr viel Text auf dem Plakat. Ob tatsächlich jemand stehenbleibt, um das zu lesen, darf bezweifelt werden. Die Grünen nahmen das zum Anlass einen Hashtag eigens für die FDP zu kreieren: #Lindnersprueche. Jürgen Trittin twitterte zu dem Wahlplakat: „Freie Fahrt für Porsche Fahrer? Eigentlich wollte ich nie was anderes“. 

Die Grünen haben nur ihr Spitzenduo Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt plakatiert. Auf der Webseite werden sie mit „Katrin&Cem“ aufgeführt. Das könnte man auch eingeritzt in die Rinde eines Baums im Park lesen. Dabei sieht man die Katrin und den Cem selten zusammen in den Talkshows auftreten. Ist die Sommerromanze etwa schon vorbei?

Auch SPD und CDU halten es klassisch und zeigen ihre Kanzlerkandidaten. Merkel hat ihre Deutschlandlandkette dieses Mal zuhause gelassen, aber sonst lächelt sie wie seit zwölf Jahren ihren potenziellen Wählern entgegen. Allerdings wurde auch der CDU-Slogan „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“ von den Grünen kreativ zu Ende gedacht: dafür braucht es mehr Klimaschutz.

Martin Schulz jedenfalls macht auf den Plakaten eine sehr viel bessere Figur als bei seinen Wahlkampfauftritten. Hier muss er allerdings auch keine Kieler Sprotten essen und so tun, als ob sie schmecken würden. Die verlorenen Landtagswahlen und das Chaos in Niedersachsen sieht man ihm jedenfalls nicht an. Kompetent lächelnd hört er seinem Gegenüber zu. 

Man sollte meinen, es wäre genug darüber diskutiert worden, ob man Fotos der eigenen Kinder ins Internet stellen darf. Aber nein. Da kommt Frauke Petry, lässt sich mit ihrem Sohn Ferdinand für die Wahlplakate der AfD ablichten und setzt der Diskussion die Krone auf. Das Schweinchen Babe Plakat der Partei spielt in einer ähnlichen Liga. Das kleine, niedliche Ferkel ist zusammen mit dem Slogan „Der Islam? Passt nicht zu unserer Küche“ zu sehen. Manch einer wird das wohl eher als Werbung für die Tierschutzpartei verstehen.

Die Werbung als Vorbild

Eigentlich sollen Plakat ja die Botschaften der Parteien vermitteln. Das soll mithilfe einer visuellen Sprache gelingen, die über reine Textaussagen hinausgeht. Einige Parteien scheitern an dieser Umsetzung jedoch krachend. Ein Vorbild kann die Werbung sein. Hier setzt man auf Emotion statt Wissen. Je näher die Werbeaussage der Plakate am eigenen emotionalen Bedürfnis liege, desto größer sei also die Chance, den Betrachter als Wähler zu gewinnen, sagt der Designer Achim Schaffrinna. Wie gut den einzelnen Parteien das gelungen ist, hat er analysiert und seine Einschätzungen in der Bildergalerie  zusammengefasst.

 

Achim Schaffrinna hat in Hannover Kommunikationsdesign studiert. Danach hat er zehn Jahre lang in Agenturen gearbeitet und ist seit 2011 selbstständig. Seine Analysen finden Sie in Gänze auf seiner Webseite. 

 

 

 

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