Inoffizieller Wahlkampfauftakt der CDU - „Wenn Du willst, sagen wir – heute!“

Viele Unionsanhänger sind verzweifelt, weil weder von der Partei noch von ihrem Kanzlerkandidaten irgendwelche Impulse ausgehen. Beim Landestag der Jungen Union in Hessen traten an diesem Samstag dann aber Jens Spahn und vor allem Armin Laschet auf – und setzten mehrere Spitzen gegen die Grünen. Kommt jetzt endlich Schwung in den Wahlkampf?

Armin Laschet am Samstag beim Landestag der Jungen Union in Hessen / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Die entscheidende, weil seit Wochen in der Luft liegende Frage kam von einem Mitglied der Jungen Union (JU): Wann denn der Wahlkampf eigentlich beginnen solle, wollte der junge Mann von Jens Spahn wissen, der an diesem Samstag als Gastredner zum 100. Landestag der hessischen JU nach Gießen gekommen war. Spahns Antwort: „Wenn Du willst, sagen wir – heute!“

War also diese unter anderen Umständen wenig aufsehenerregende Veranstaltung so etwas wie der halboffizielle Wahlkampfauftakt der CDU? Wahrscheinlich schon. Denn nicht nur der Bundesgesundheitsminister gab sich dort die Ehre, auch der Kanzlerkandidat persönlich war gekommen. Und Armin Laschet ließ die Zuschauer wissen, er wünsche sich, „dass der Wahlkampf Fahrt aufnimmt“. Was ja nun in erster Linie an ihm selbst liegen dürfte, weshalb er auch gleich hinzufügte: Am nächsten Samstag würden Angela Merkel, Markus Söder und er die heiße Phase einläuten. Es stehe eine Richtungsentscheidung für Deutschland bevor.

Bizarre Einleitung

Nach einer etwas bizarren Einleitung, die vom Zweiten Weltkrieg und der Nazi-Herrschaft direkt zur AfD überleitete, um über einen Schlenker nach Afghanistan beim Mauerbau von vor 60 Jahren zu landen, kam Laschet dann bei seinen Kernaussagen an. Im Wesentlichen ging es ihm dabei um die von vielen Mitgliedern seiner Partei erwünschte Abgrenzung von der Linken, der SPD und insbesondere den Grünen als wahrscheinlich unvermeidbarem künftigen Koalitionspartner. Dabei griff er als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident vor allem auf Erfahrungen aus seinem eigenen Bundesland zurück.

Ja, die Unionsparteien wollten ein klimaneutrales Deutschland schaffen, bekannte er. Aber eben gleichzeitig mit dem Ziel, Industrieland zu bleiben und die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten der Menschen zu bewahren. Das ist Laschet zufolge nur möglich durch Innovations- und Forschungsgeist – und eben nicht auf dem Wege einer Verbotskultur, wie sie sich in der Corona-Pandemie weitflächig ausgebreitet hat. Die „Methode Corona“ mit einem von Gesichtsmasken bis zu Abstandsregeln alles bestimmenden Staat sei jedenfalls für andere Politikfelder kein Zukunftsmodell.

Im Gegensatz zu seinem Amtskollegen und Gegenspieler aus Bayern verteidigte Laschet den für das Jahr 2038 vereinbarten Kohleausstieg – dabei handele es sich um einen sozialverträglichen Kompromiss, den die Politik mit zahlreichen Interessengruppen nach langem Ringen getroffen habe. Deutschlands Bemühungen um Klimaschutz dürften nicht dazu führen, dass etwa die Stahlproduktion ins Ausland abwandert und dort das gleiche Erzeugnis mit einer schlechteren Öko-Bilanz hergestellt werde. Diese Gesamtaufgabe eines Ausgleichs zwischen wirtschaftlichen und klimapolitischen Zielen traue er „weder Linken, SPD noch Grünen zu“.

Kritik an rot-grüner Vorgängerregierung

Und überhaupt: In Nordrhein-Westfalen habe die rot-grüne Vorgängerregierung den Braunkohleabbau bis zum Jahr 2045 ebenso beschlossen wie die Rodung des Hambacher Forsts – um sich „wenige Monate nach dem Regierungswechsel an die Spitze der Gegenbewegung zu stellen“. Auch auf dem Gebiet der inneren Sicherheit habe Rot-Grün in NRW für eine desaströse Bilanz gesorgt. Sein eigenes schwarz-gelbes Kabinett setze mit einer „Null-Toleranz-Politik gegenüber Kriminalität“ auf ein klares Gegenmodell. Dazu gehöre auch: Wer als Migrant Straftaten begehe, müsse in sein Herkunftsland zurückgeführt werden. Laschet zufolge gilt das offenbar auch für Afghanistan; jedenfalls machte er nicht deutlich, dass in diesem Fall Ausnahmen zu gelten hätten.

Ansonsten spulte der Kanzlerkandidat viele Punkte ab, die er schon bei früheren programmatischen Reden in den Fokus genommen hatte. Als da wären: schnellere Genehmigungsverfahren, Ausbau der Bahn-Infrastruktur, weniger Bürokratie, bessere Integration durch Bildung und Spracherwerb, Selbstertüchtigung durch Chancengleichheit. Und nicht zuletzt: keine Steuererhöhungen, erst recht nicht nach der Pandemie. Gerade bei letztgenanntem Punkt wandte sich Laschet ausdrücklich gegen anderslautende Pläne von SPD und Grünen: „Wir werden alles tun, dass es dazu nicht kommt.“

Gesundheitsminister Spahn hatte zuvor in seiner Rede daran erinnert, dass „wir noch mittendrin sind in der Pandemie“ (die vierte Welle komme ganz sicher) – Geimpfte aber „in den nächsten Monaten keine neuen Einschränkungen“ zu fürchten hätten. Impfen sei ohnehin „die entscheidende Größe“ im Kampf gegen Corona, und mit bisher 100 Millionen verabreichter Impfdosen sei „eine der größten logistischen Leistungen der Bundesrepublik“ erbracht worden. Im Vergleich zu anderen Staaten sei Deutschland gut durch die Pandemie gekommen.

Jens Spahns „Bewältigungsstolz“

Wie Laschet setzte auch Spahn den Akzent auf Innovation; die Bundesrepublik müsse technologisch wieder souverän werden und dürfe in Schlüsselbereichen nicht vom Ausland abhängig sein. Der vom deutschen Unternehmen Biontech entwickelte Impfstoff zeige, wie groß das Potential hierzulande sei; ohnehin könne man die Pandemie-Bewältigung auch als deutsche Erfolgsgeschichte erzählen („Bewältigungsstolz“), so Spahn. Und machte deutlich, dass insbesondere die Grünen mit ihrer Verbots- und Regulierungskultur wenig zukunftsfähig auf ihn wirkten.

Noch ein kleiner Seitenhieb gegen die Grünen kam mit Blick auf das Saarland, wo der dortige Landesverband wegen interner Streitigkeiten am Aufstellen einer Landesliste gescheitet war: „Im Saarland kann man die Grünen nicht wählen, im Rest der Republik sollte man sie nicht wählen“, rief Spahn zur Begeisterung seines Publikums, das ihn zuvor mit eher mauem Applaus begrüßt hatte. Und eine weitere Spitze gegen den wohl künftigen Koalitionspartner leistete sich der Gesundheitsminister: „Die einen wollen den Erziehungsauftrag, wir wollen den Regierungsauftrag!“

Gegen Ende seiner Rede deklamierte Jens Spahn: „Wir wollen Deutschland in goldene zwanziger Jahre führen!“ Wenn am 26. September der neue Bundestag gewählt wird, werden zwei Jahre (und mithin ein Fünftel) dieser Dekade allerdings schon verstrichen sein. Time waits for no one. Auch nicht auf die nächste Bundesregierung – in welcher Konstellation auch immer.

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