Wahlkampf im TV - Fünfkampf schlägt Duell

Nach dem Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz durften im Fernsehen auch die kleinen Parteien ran. Das war weniger staatstragend, aber deutlich informativer und kurzweiliger. Besonders ein Grüner konnte punkten, die AfD hätte wohl besser jemand anderen geschickt

Alice Weidel begrüßt Christian Lindner und überlässt ihm später das Feld / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

So erreichen Sie Constantin Wißmann:

Anzeige

Man hätte den „Fünfkampf“, den die ARD einen Tag nach dem „Duell“ zwischen Angela Merkel und Martin Schulz sendete, auch „Kampf um Platz drei“ nennen können. Und tatsächlich ist die Frage, welche Partei das drittstärkste Ergebnis bei der Bundestagswahl erzielen wird, eindeutig spannender als die um die Spitzenposition. Zu groß ist der Abstand in den Umfragen zwischen Union und SPD, und auch das lauwarme Aufeinandertreffen der Kanzlerin mit ihrem Herausforderer wird daran nicht viel geändert haben. Die sogenannten kleinen Parteien aber liegen ungefähr gleichauf. Außerdem präsentierten sich mit den Grünen und der FDP die einzigen realistischen Alternativen zu einer Großen Koalition.

Warum war die CSU dabei?

Umso merkwürdiger war deswegen die Teilnahme der CSU in Person ihres Spitzenkandidaten Joachim Herrmann, der den Abend erst zu einem „Fünfkampf“ machte. Eine Regionalpartei also, die mit der CDU im Bund eine Fraktion bildet und die in 15 von 16 Bundesländern nicht wählbar ist. Umso besser im Sinne der Fairness, dass Joachim Herrmann in der Diskussion dann weitgehend blass blieb und sich vom üblichen CSU-Sound nicht abhob. „Bayern, Bayern, Bayern“ und „Polizei, Polizei Polizei“ – so lassen sich die gesammelten Beiträge Herrmanns zusammenfassen.

Also konnte man sich auf die anderen vier Parteien konzentrieren, die mit Sahra Wagenknecht (Die Linke), Alice Weidel (AfD), Cem Özdemir (Die Grünen) und Christian Lindner (FDP) ihre Spitzenkandidaten ins Rennen geschickt hatten. Und das war deutlich erhellender und abwechslungsreicher als das Duell am Tag zuvor.

Kaum Themen, die fehlen

Dass dies kein staatstragender Kuschelabend werden würde, lag natürlich schon in der Konstellation begründet. Die Linke beispielsweise kann naturgemäß mit der FDP viel weniger anfangen als die CDU mit der SPD. Außerdem müssen die kleineren Parteien allesamt schauen, dass sie auffallen, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Aber es lag auch an dem Format.

Die Moderatoren wirkten von Anfang an bemüht, dass es nicht wieder so viele Themen, die fehlen, geben würde. Hatten Merkel und Schulz vor allem über Flüchtlinge, Außenpolitik, Sicherheit und den Arbeitsmarkt gesprochen, ging es am Montag um einen breiten Strauß an Themen, darunter auch die Digitalisierung, Bildung und Elektromobilität. Das klappte nicht immer, auch weil die Moderatoren viele Debatten mit dem etwas albernen Blick auf die „Zeit pro Kandidaten“ im Keim erstickten und nicht jeder Politiker zu jedem Thema etwas sagen konnte. Aber insgesamt konnte der Zuschauer doch einen recht umfassenden Überblick über die jeweiligen Positionen gewinnen.

Özdemir stark, Lindner brav

Wirklich neu war dabei jedoch nicht viel. Dass Lindner den Staat besser und effizienter gegen den Terror aufstellen will, Wagenknecht für höhere Renten und niedrigere Mieten ist, Weidel die deutschen Außengrenzen sichern möchte, und Özdemir dafür eintritt, die deutschen Waffenlieferungen an Saudi-Arabien zu stoppen, hatte man auch schon vorher hie und da mal gehört. Aber immerhin: Es wurde gestritten, es gab Schlagabtausche und die Kandidaten nickten sich nicht laufend gegenseitig ab.

Den besten Eindruck machte dabei Cem Özdemir, dem selbst konservative Beobachter einen starken Auftritt attestierten. Özdemir zeigte sich zum richtigen Zeitpunkt scharf, als er etwa die Europakritik der Linken und der AfD gleichzeitig abkanzelte („Ich mag diesen anti-europäischen Populismus weder von rechts noch von links“) und humorvoll, als er in Richtung Herrmann sagte: „Wir beide mussten ja auch dafür sorgen, dass wir die hochdeutsche Sprache soweit erlernen, dass wir hier mitmachen können.“ Auch Christian Lindner konnte häufig punkten und sorgte mit seiner roten Krawatte dafür, dass die Zuschauer ihn auch ohne den Schwarzweiß-Filter seiner Werbespots erkennen werden. Aber insgesamt wirkte der FDP-Chef im Vergleich zu seinen rhetorisch oft brillanten Auftritten doch ein wenig brav.

Alice Weidel neben der Spur

Von Sahra Wagenknecht wird an diesem Abend wenig in Erinnerung bleiben, aber ihre Klientel wird sie bedient haben. Das kann man von Alice Weidel nicht behaupten. Die AfD-Spitzenkandidatin wirkte neben der Spur, als ob sie sich nicht zwischen der Rolle der Provokateurin von Rechts und der Stimme der Vernunft entscheiden wollte. Bezeichnend war eine Äußerung, die wohl nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, aber deutlich vernehmbar war. Wagenknecht hatte gerade mit einem kruden Vergleich die Situation am Mietmarkt beschrieben, „eine Wohnung ist keine Kartoffel, die man sich mal eben bei dem einen oder anderen Gemüsehändler kauft“. Von Weidel war daraufhin ein „Oh Gott" zu hören, dann schaute sie in Richtung Lindner und sagte: „Wollen Sie?“ Linder ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen und konterte Wagenknecht scharf. Warum aber hatte Weidel dem Mitbewerber so das Feld überlassen? Man kann sich vorstellen, was ihre abgesägte Parteifreundin Frauke Petry aus dieser Situation und dem Abend gemacht hätte.

Denn an diesem Abend ging es um viel. Und womöglich war das der Grund, warum der Fünfkampf so viel besser als das Duell war. Schon im Vorfeld war eigentlich klar gewesen, dass Martin Schulz höchstens ein paar Prozentpunkte auf Angela Merkel hätte gutmachen können. Ein paar Prozentpunkte können bei den kleinen Parteien aber den Unterschied machen zwischen dritter und letzter Kraft und sogar zwischen Opposition und Regierung. Wahlen, das hat der Abend gezeigt, können doch ganz schön spannend sein.

Anzeige