Vor dem CDU-Parteitag am Samstag - Merz braucht ein sehr gutes Ergebnis, Laschet einen starken Abgang

Zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren wählt die CDU am Samstag einen neuen Bundesvorsitzenden. Nach dem eindeutigen Erfolg von Friedrich Merz bei der Mitgliederbefragung im Dezember steht dieser bereits als neuer Parteichef fest. Gleichwohl verspricht der digital abgehaltene Parteitag, nicht langweilig zu werden. Schließlich muss die CDU zeigen, dass sie wieder da ist – wenn auch nur als Opposition.

Wird Armin Laschet auf dem Parteitag Größe beweisen? / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Dieser 34. Parteitag ähnelt in gewisser Weise dem vom 7. November 1998 in Bonn. Auch damals hatte die CDU/CSU bei der Bundestagswahl nach 16 Jahren das Kanzleramt verloren. Der gegen Gerhard Schröder unterlegene Helmut Kohl beendete seine politische Laufbahn unter anderem mit dem Appell an die Delegierten, „die CDU wieder zur führenden politischen Kraft in Deutschland zu machen“. Von der Ex-Kanzlerin Angela Merkel wird dergleichen nicht zu hören sein. Die langjährige CDU-Vorsitzende (2000–2018) hatte zur Partei nur ein rein funktionales Verhältnis. Im politischen Ruhestand braucht Merkel die Partei nicht mehr; warum sich dann noch am Parteitag beteiligen?

Die Wahl des Vorsitzenden ist eine Formsache. Das Ergebnis wird jedoch darüber Aufschluss geben, inwieweit die 1001 Delegierten – überwiegend hauptamtliche Politiker – ihren Frieden mit Merz gemacht haben und wie sehr ihnen an einem Signal der Geschlossenheit liegt. Die Mehrheit dieser Vertreter der Basis hat Merz zweimal bewusst durchfallen lassen, angefeuert von den „Merkelianern“ und zweifellos zum Wohlgefallen der Kanzlerin.

Merz müsste über 90 Prozent der Stimmen bekommen

Gut die Hälfte derselben Parteifunktionäre und Mandatsträger müsste nun – erstmals – ihr Kreuz bei Merz machen. Der hat in den letzten Wochen in zahlreichen innerparteilichen Videokonferenzen viel Positives über die Langzeitkanzlerin gesagt, deren Regierung er noch im Herbst 2019 eine „grottenschlechte“ Performance bescheinigt hatte. Schließlich zeigt sich an der Höhe der Zustimmungsquote, ob die Partei sich für den neuen Aufbruch in der Opposition hinter ihm versammelt oder nicht.

Falls die CDU wieder zu dem für sie einst typischen Pragmatismus zurückfindet, müsste Merz weit über 90 Prozent der Stimmen bekommen. An der nüchternen Überlegung, auf den zu setzen, der am ehesten Erfolg verspricht, hatte es die CDU-Führung bei der Nominierung des Kanzlerkandidaten 2021 jedoch fehlen lassen. Sie beharrte gegenüber Markus Söder und der CSU – ungeachtet aller Umfragen – auf Armin Laschet. Das Ergebnis ist bekannt.

Für den gescheiterten Kanzlerkandidaten ist dieser Parteitag sicher eine bittere Stunde. 13 Monate nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden muss er am Samstag einen Rechenschaftsbericht über seine Amtszeit geben. Positives kann er dabei nicht berichten; jede Schönfärberei des Wahlergebnisses würden ihm die Delegierten übelnehmen.

Laschet sollte sich ein Beispiel an Kohl nehmen

Falls Laschet ein Beispiel für einen starken Abgang sucht, sollte er die Abschiedsrede Kohls von 1998 lesen. Bei seinem letzten Auftritt als Parteivorsitzender wiederholte der Ex-Kanzler seine Aussage vom Wahlabend, „dass ich die volle Verantwortung für den Ausgang der Bundestagswahl übernehme“. Und fügte hinzu: „Als Spitzenkandidat von CDU und CSU ist es für mich selbstverständlich, die Konsequenzen aus diesem Ergebnis zu ziehen. Deshalb scheide ich heute aus meinem Amt als Parteivorsitzender aus.“

Wie tief Laschet von den Ereignissen des Wahljahres 2021 noch getroffen ist und ob er ungeachtet der bitteren Niederlage mit sich im Reinen ist, wird sich daran zeigen, wie er mit seinem Nachfolger umgeht. Im Dezember fiel auf, dass Laschet – obwohl noch immer Parteivorsitzender – die Bekanntgabe des Ergebnisses der Mitgliederbefragung Generalsekretär Paul Ziemiak überließ, ganz so, als ginge ihn das alles nichts mehr an. Kohl hatte das 1998 anders gemacht, als er sagte, er sei „ganz besonders froh, dass heute Wolfgang Schäuble für den Vorsitz der Christlich-Demokratischen Union kandidiert. Er steht für ein klares programmatisches Profil.“ Wie ehrlich das auch immer gemeint war: Den Delegierten gefiel es.

Der letzte Auftritt Laschets als Parteivorsitzender kann und wird den Parteitag beeinflussen. Wenngleich er und Merz vor gut einem Jahr Konkurrenten waren, so hat der unterlegene Merz ihn im Wahlkampf loyaler unterstützt als viele andere Partei-„Freunde“. Gleichwohl: Merz wird so oder so gewählt werden. Aber in welcher Erinnerung die Delegierten seinen Vorgänger behalten werden, liegt am Samstag allein an Laschet.

Auf Ralph Brinkhaus kommt es an

Bei Laschet geht es um den Blick zurück. Für Ralph Brinkhaus hingegen geht es um die eigene Zukunft als Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er muss die Rede seines Lebens halten, muss ein klares Konzept präsentieren, wie er mit der Fraktion die Schwachstellen der Ampel-Regierung aufdecken und zugleich die Rolle einer allesverneinenden Fundamentalopposition vermeiden will. Und wie er sich das künftige Zusammenspiel von Fraktion und Partei vorstellt. Nur so könnte er die Delegierten – darunter auch die allermeisten Bundestagsabgeordneten – überzeugen, dass die CDU mit einer Doppelspitze Merz/Brinkhaus stärker wäre als mit Friedrich Merz in der Doppelfunktion als Partei- und Fraktionsvorsitzender.  
Die CDU hat bei ihrem Parteitag Anfang 2021 bewiesen, dass sie „digital“ kann. Ein noch so reibungsloser Ablauf einer Veranstaltung mit wenigen führenden Politikern vor Ort und den Delegierten vor den heimischen Bildschirmen kann freilich kein Ersatz für eine Präsenzveranstaltung sein, bei der man die Stimmung spüren kann – Begeisterung wie Desinteresse, Beifall wie Missfallen. Umso mehr gilt in Corona-Zeiten die abgewandelte Weisheit des Fußballtrainers Alfred Preißler: „Grau is’ im Leben alle Theorie – aber entscheidend is’ auf’m Bildschirm.

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