Verteidigungsetat - Bedingt zahlbereit

Die Nato und auch CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn fordern Angela Merkel auf, mehr Geld für die Verteidigung locker zu machen. Die Bundeskanzlerin sagt, sie könne nicht, aber das ist nicht wahr. Sie will nicht

Panzer und Hubschrauber der Bundeswehr: Verteidigung nach dem Prinzip der schwäbischen Hausfrau / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Die Bundeskanzlerin hat unseren amerikanischen Freunden bei der Sicherheitskonferenz in München gezeigt, wie das geht in der Politik: zuzustimmen und zugleich zu widersprechen. Das große Thema der traditionsreichen und unter Wolfgang Ischinger zu neuer Bedeutung gekommenen Veranstaltung war der Zustand der Nato und deren Ausstattung, also die Ausgaben der Mitgliedsstaaten für Verteidigung. Die USA drängen seit langer Zeit die europäischen Alliierten dazu, hier deutlich mehr zu liefern. Bei einem Nato-Gipfel in Wales vor zweieinhalb Jahren hatten sich alle (abermals) dem Zwei-Prozent-Ziel verschrieben. Also endlich zu erreichen, das zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandproduktes für Verteidigung ausgegeben wird.

Merkel lieber Klima -als Kriegskanzlerin

Dieses Ziel hat Angela Merkel in den Jahren seither nicht ganz so demonstrativ vor sich hergetragen wie das Zwei-Grad-Ziel bei der Klimapolitik. Das hängt damit zusammen, dass sie Themen, die mit Panzern, Gewehren und Soldaten zu tun haben, meidet wo es nur geht. Klimakanzlerin zu sein ist imagemäßig ungleich hilfreicher als in den Verdacht zu geraten, Kriegskanzlerin zu sein.

In München kam sie nun aber nicht umhin, zu erklären, warum Deutschland seit Wales nicht liefert. Einerseits erklärte sie dort das Ansinnen der USA für berechtigt, reklamierte aber für Deutschland, dass kurzfristig nicht mehr als die acht Prozent Steigerung des Wehretats drin seien.

Man kann zwar mit einigen Argumenten in Frage stellen, ob das recht starre und einseitige Zwei-Prozent-Ziel für die Nato-Armeen der Weisheit letzter Schluss ist und ob das den Begriff der Sicherheit nicht etwas eng fasst.

Für Flüchtlingshilfe war Geld da

Aber dass Deutschland nicht sofort mehr tun könnte, das ist schlicht nicht wahr. Finanzminister Wolfgang Schäuble sitzt gerade auf mehr als 6 Milliarden Euro Haushaltsüberschuss, über deren Verwendung sich die Große Koalition im aufkommenden Wahlkampf nicht verständigen kann. Deshalb werden diese Milliarden bis auf weiteres in die Flüchtlingshilfe gesteckt, in einen Politikbereich, in den zuletzt aus dem Stand 22 Milliarden Euro pro Jahr an Mitteln im Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt wurden. 22 Milliarden, das ist in der Größenordnung genau die Summe, die dem deutschen Verteidigungsetat fehlen, um das Zwei-Prozent-Ziel einzulösen, dem man sich verschrieben hat.

Die schwäbische Hausfrau

Politik, das lernt jeder Student der Politikwissenschaften, ist vor allem die Allokation von Mitteln, also die Verteilung öffentlichen Geldes nach politischen Prioritäten. Wie das Beispiel des Einsatzes eben jenes Fehlbetrages zum gemeinsamen Nato-Ziel zeigt, ist es politisch möglich, auch ganz abrupt solche Umwidmungen im Staatshaushalt vorzunehmen, wenn man es will. Deshalb wäre es ehrlich gewesen, wenn Merkel den US-amerikanischen Freunden gesagt hätte: Wir könnten schon, aber wir wollen nicht. Es ist das Prinzip der schwäbischen Hausfrau, das die Regierung hier anwendet: Mehr gäbbed mir nedd.

Weshalb am Ende das hängen bleibt, wofür Deutschland in der internationalen Sicherheitspolitik ohnehin berühmt ist: Einiges besser zu wissen, viel zu reden und wenig zu tun. Ausgerechnet das Land, das einem erweiterten Sicherheitsbegriff das Wort redet, hinkt auch dem 0,7-Prozent-Ziel für die Entwicklungshilfe seit eh und je hinterher. Solange das so ist, bleibt auch dieser Hinweis, Sicherheit über das Militärische hinaus zu definieren, nichts weiter als eine Ausflucht.

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