Transitzonen vs. Einreisezentren - Union und SPD im Zonenkampf

Kolumne: Leicht gesagt. Was für die Unionsparteien die Transitzone, ist für die SPD das Einreisezentrum. Doch egal ob Zone oder Zentrum – beides sind völlig unausgegorene Ideen, die sich im Kern kaum unterscheiden und die Probleme nicht lösen

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Wie leicht sagt sich: Die Unterschiede sind groß zwischen Union und SPD. Doch bei genauer Betrachtung sind sie das gar nicht in der Flüchtlingskrise. Sie werden nur als groß dargestellt – von den Parteien selbst. Das tun die ja häufig, um sich zu profilieren. In diesem Fall jedoch ist das auf beiden Seiten eine bewusst sinnlose Ablenkungsfehde. Denn CDU, CSU und SPD wissen, dass es keine nationale Lösung gibt. Deswegen soll das Wahlvolk mit Scheinlösungen beruhigt werden, über die nun hart gestritten wird.

Zwei Worte sind die Kampfbegriffe in der Schlacht, die wie aus dem Nichts kam, über Nacht abflaute und schon an diesem Donnerstag beigelegt werden soll: Transitzonen contra Einreiszentren.

Streit um die Transitzone
 

Die Transitzone kam als Vorschlag im September seitens der Union auf den Koalitionstisch. Doch es war von Anbeginn klar, dass es darum Streit geben würde mit der SPD. Denn ausgerechnet Ungarn hatte soeben Transitzonen eingeführt. Es konnte sich dabei auf das Dublin-III-Verfahren berufen, das diese Praxis ausdrücklich ermöglicht. Aber Ungarn war in Verruf, jeder Vergleich gefürchtet nicht nur unter Sozialdemokraten. Auch die Kanzlerin wollte da noch keinesfalls als Flüchtlings-Abschreckerin auftreten, sie genoss doch so viel Anerkennung wegen ihrer demonstrativen Willkommenspolitik.

Dabei gab es längst Transitzonen in ihrem Land. Sie heißen Transitbereiche, und die gibt es seit dem Asylkompromiss von 1993, als das sogenannte Flughafenverfahren für Flüchtlinge eingeführt wurde. Übrigens von Union und SPD.

Im September jedoch musste nun zügig ein Gesetzespaket her, eine rasche Lösung zwischen den drei Koalitionsparteien. Daher sortierten die sogenannten A-Länder, also die SPD-regierten, und die B-Länder, die die Union regiert, mit der Bundesregierung rasch aus, welche Punkte streitlos sind und welche streitbar. Die Transitzonen fanden deshalb keine Erwähnung im ersten Paket, dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, das Ende Oktober verabschiedet worden ist und seit einigen Tagen Gesetz ist.

Die Streitpunkte sollen nun für ein weiteres Gesetzespaket gelöst werden. Inzwischen ist auch Merkel eine vermeintliche Anhängerin der Transitzonen. Das ist die Beruhigungspille für die CSU, die offenbar wirkt. CSU-Chef Seehofer rief zwar eigentlich nach Obergrenzen und polterte mit Ultimaten. Doch am Sonntag reichte ihm offenbar eine wachsweiche Definition von eben diesen Transitzonen.

In dem gemeinsamen Positionspapier zwischen CDU und CSU, einer Art Waffenstillstandsvertrag zwischen den zerstrittenen Schwesterparteien, werden nun Transitzonen „als vordringlichste Maßnahme zur besseren Kontrolle unserer Grenze“ beschrieben und so definiert: „In diesen Transitzonen wird für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern, mit Wiedereinreisesperre, mit Folgeanträgen und ohne Mitwirkungsbereitschaft ein beschleunigtes Asylverfahren einschließlich Rechtsmittelverfahren und Rückführung durchgeführt. Die Ausgestaltung des Verfahrens erfolgt in enger Anlehnung an das Flughafenverfahren, das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Hafteinrichtung ist.“

Der Hinweis, dass es keine Haft sei, wirkt wie explizit für die SPD hineingeschrieben. Denn die will – um sich von Orbáns Ungarn abzugrenzen – keinesfalls Haftmaßnahmen. Dabei hat sie denen einst beim Flughafenverfahren zugestimmt und praktiziert sie in allen von ihr regierten Ländern seit über 20 Jahren.

Die SPD-Version: Einreisezentren
 

Doch in der aktuellen Debatte kümmert sich die SPD erst einmal um das eigene Profil und versucht, ihrem Image als Einwanderungspartei gerecht zu werden – auch semantisch. Deshalb stellte der SPD-Vorsitzende Gabriel bereits am Samstag, also einen Tag vor dem Koalitionsgipfel, flugs seinen Gegenentwurf zu Transitzonen vor: Einreisezentren.

Die Definition dazu gibt es ebenfalls schriftlich, und auch sie zeigt, wie unreif der ganze Plan noch ist: „Einreisezentren können von Bund und Ländern in Erstaufnahmeeinrichtungen und Wartezentren betrieben werden. Es ist zwischen Bund und Ländern ein Verfahren zu verabreden, wo Einreisezentren eingerichtet werden. Anzustreben ist eine regional ausgewogene Verteilung nach Bedarf im ganzen Bundesgebiet.“

Transitzone und Einreisezentrum – beides sind völlig unausgegorene Ideen, die sich im Kern kaum unterscheiden. Beides sollen Registrierstellen für Flüchtlinge sein. Transitzonen irgendwo an der 3000 Kilometer langen Grenze Deutschlands. Ins Land hinein dicht, aber angeblich ja nach hinten offen. Österreich wird sich bedanken für diese Idee und gewiss ein Auge zudrücken, wenn der Flüchtling den Transitbereich mal eben links liegen lässt und über die grüne Grenze geht.

Einreisezentren sollen Registrierungen erzwingen, indem nur Registrierte Leistungen bekommen. Doch auch hier ist völlig unklar, wie jene kontrolliert werden sollen, die von vornherein lieber illegal in Deutschland ihr Lebensglück suchen als legal in ihrem sicheren Herkunftsland weiter im Unglück zu leben.

Wie sehr der Streit um Transitzone versus Einreisezentrum ein Schaukampf ist, zeigten die Kämpfenden schnell. Erst rüstete Seehofer ab und begnügte sich mit der Transitzonenidee statt einer Obergrenze. Beim Treffen am Sonntag wetterte Gabriel noch gegen diese Transitzonen, am Montag waren sie für die SPD immer noch „Haftzonen“. Am Dienstag jedoch, nachdem die CDU angeboten hatte, gänzlich auf Haft verzichten zu wollen, wurde auch die SPD weich. Dann spielten für sie nicht einmal mehr die Kampfbegriffe eine wesentliche Rolle, um die zuvor die Spindoktoren so eifrig gekämpft haben.

Zonen oder Zentren lösen die Probleme nicht
 

Am Donnerstag werden sich Union und SPD nun einigen. Das haben sie so deutlich angekündigt, dass es einer Selbstverpflichtung gleich kommt. Sie werden also irgendwelche Registrierzentren planen. Ob nun an den Grenzen oder weiter im Land, ob nun mit Haftzonen oder nur Leistungsverweigerungsdrohung – nichts davon wird das wahre Problem lösen können.

Denn – und das wissen CDU, CSU und SPD – ohne eine europäische Einigung in dieser Frage läuft nichts. Die Außengrenzen der EU müssen geschützt werden. Die Türkei muss viel Geld und weitere Zugeständnisse in EU-Fragen bekommen, um verlässlich Aufnahmelager zu bauen. Andere Syrien-Anrainer wie Jordanien brauchen auch mehr Unterstützung. Alles wird teuer und wenig liegt allein in deutscher Macht.

Doch genau das will die Bundesregierung nicht zugeben. Deswegen gibt sie nun zähes Ringen und Lösungsfindung vor. Doch jeder weiß: Das wird nur ein ganz kleiner Teil der Lösung eines riesigen Problems sein.

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