AfD-Vorsitzender Tino Chrupalla - Gaulands Lehrling

Die AfD will den Verfassungsschutz verklagen. Die Behörde soll den Flügel und die Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) nicht länger als „Verdachtsfall“ führen. Es ist die erste Herausforderung für den neuen AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla

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Tino Chrupalla ist mit Jörg Meuthen Bundessprecher der AfD / picture alliance
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Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Nervös war Tino Chrupalla über Stunden durch die Volkswagenhalle in Braunschweig getigert, die Finger an den Handflächen reibend, hatte hier ein Schulterklopfen bei Alice Weidel abgeholt, da ein Wort des Zuspruchs von Alexander Gauland, dort ein „wird schon“ von Beatrix von Storch. Am Ende reichte es im zweiten Wahlgang gegen den Bundestagsabgeordneten Gottfried Curio. Tino Chrupalla, 44-jähriger Malermeister aus der Oberlausitz, ist seit dem Parteitag im November neben Jörg Meuthen Bundessprecher der Alternative für Deutschland.

Er tritt die Nachfolge des sichtbar ermüdeten Alexander Gauland an, der den Sachsen als seinen Nachfolger protegiert hat. Die AfD-Führungsriege sieht Meuthen und Chrupalla als ideales Duo: Hier der Professor, Wessi und versierte Redner, dort der Handwerker, Ossi und Mann der Tat, der sich um die Belange der kleinen Leute kümmert und ihre Sprache spricht. Die Partei hat gute Erfahrungen mit diesem Konzept gemacht: Der ehemalige Steiger und Essener SPD-Flüchtling Guido Reil stand bei der Europawahl auf Platz zwei der Liste hinter Jörg Meuthen und überzeugt mit seiner kumpelhaft-authentischen Art. Aber Reil ist nicht Bundessprecher, und das ist wohl auch gut so. Dass viele in der AfD auch Chrupalla für eine Nummer zu klein für den Gauland-Posten halten, zeigen sie auf dem Parteitag: Über 41 Prozent stimmen für Chrupallas Konkurrenten.

Alles ein Kalkül der Parteioberen?

Wie wenig der Neuling auf die Härte vorbereitet ist, mit der die Medien AfD-Politiker angreifen, erweist sich noch auf dem Parteitag. Da konfrontiert ihn ZDF-Mann Theo Koll mit einem Video, das ihn 2018 bei einem Treffen mit Bürgern in einer Gaststätte zeigt. Chrupalla sagte damals: „Und da kann man in der Tat von einer Umvolkung reden, dieses Wort sollte man einfach auch mal benutzen.“ Chrupalla dementiert erst, das Wort benutzt zu haben, dann sagt er, er halte den Begriff nicht für rechtsextrem. Auf die Entgegnung Kolls, das sei laut Verfassungsschutz Sprache der Nationalsozialisten, beschuldigt Chrupalla den Verfassungsschutz, politisch zu agieren, um die AfD zu schädigen. Kurzum: Der Auftritt geht in die Hose, in den sozialen Netzwerken wird Chrupalla zum Gespött. Zugleich finden sich viele Kommentare, die Solidarität mit dem „reingelegten“ Malermeister zeigen. Ist das am Ende das Kalkül der Parteioberen, die ihn vorgeschlagen haben?

Geboren wird Chrupalla 1975 im Städtchen Weißwasser in der Oberlausitz in einem „ganz normalen bürgerlichen Elternhaus“: Der Vater ist CNC-Dreher in einer Gießerei, die Mutter arbeitet im Lager und schult nach der Wende auf Floristin um. Nach der Mittleren Reife folgt die Ausbildung zum Maler und Lackierer und 2003 die Meisterprüfung. Chrupalla, heute verheiratet und Vater von drei Kindern, baut einen Malerbetrieb auf. Und entfremdet sich von der CDU, der er nach 1990 für zwei Jahre angehörte. „Bürgerlich-konservativ“ sei er, sagt er. „Ich stehe da, wo ich gestanden habe, als ich zur Jungen Union ging.“ Aber die anderen Parteien hätten sich verändert.

Medientraining für den Neuling

In die AfD tritt er 2015 ein, direkt nach dem Sturz Bernd Luckes, unter dem die Partei „Gefahr lief, eine zweite FDP zu werden“, wie er sagt. Er ist eher auf der Linie von Luckes Nachfolgerin Frauke Petry, baut in Görlitz den Kreisverband der AfD auf und zieht 2017 in den Bundestag ein. Chrupalla siegt in seinem Wahlkreis gegen den heutigen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Das verschafft ihm Respekt.

In der Fraktion macht er sich einen Namen, indem er deren Finanzen in Ordnung bringt, im Plenarsaal poltert er gerne, wirft etwa der Kanzlerin mangelndes Mitgefühl mit dem eigenen Volk vor. Chrupalla gehört zwar nicht dem völkischen Flügel der AfD an, gilt als einer, der zwischen den Fraktionen vermitteln kann. Aber der Flügel unterstützt ihn bei seiner Wahl als einen der ihren.

Einige Tage nach dem Parteitag sitzt Chrupalla in seinem Bundestagsbüro im sechsten Stock des Jakob-Kaiser-Hauses, in den Ärmelaufschlag seines Hemdes sind seine Initialen TC gestickt. Hat er nach dem ZDF-Interview nicht gedacht: Worauf hab ich mich da eingelassen? Chrupalla lächelt schmallippig. „Ich bin nach einem aufregenden Parteitag einfach auf dem falschen Fuß erwischt worden. So etwas sollte zwar nicht, kann aber passieren. Was soll’s?“ Aber was, wenn er in einer Talkshow die gleiche Frage bekommt? Die Antwort, die Chrupalla darauf gibt, wird von seinen Beratern bei der Freigabe der Zitate durch ein „Lassen Sie sich überraschen“ ersetzt. So haben seine Leute es über die letzten Wochen mit vielen gedruckten Interviews gehalten. Damit Chrupalla sich bei Anne Will und Co. nicht um Kopf und Kragen redet, wird er nun erst mal ins Medientraining geschickt.

Dieser Text ist in der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

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