Terror durch Flüchtlinge - Merkels zweites Köln

Nach den Terrorattacken von Würzburg und Ansbach ist Angela Merkel beschädigt. Die weiteren Entwicklungen in der Flüchtlingskrise werden über den Erfolg ihrer Kanzlerschaft entscheiden, denn noch einen Fehler werden ihr die Wähler nicht verzeihen

Angela Merkel hätte aus den Fehlern ihres Vorgängers lernen können / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Es hat nichts genützt. Nicht ihre vorgezogene Selbsteinladung in die Bundespressekonferenz. Nicht ihre Beschwichtigungen. Nicht ihr Mantra vom Schaffen. Auch nicht der Flankenschutz ihrer Prätorianer in Politik und Publizistik. Die Anschläge und Attentate von Ansbach und Würzburg sind Angela Merkels zweites Köln. 

Umfragewerte von Merkel brechen ein

In Köln hatten hunderte Flüchtlinge in der Silvesternacht Frauen sexuell bedrängt und misshandelt. In den Tagen danach wurde verheimlicht, verdreht (Justizminister Heiko Maas verstieg sich gar in die Theorie der organisierten Kriminalität), beschönigt. Doch der Bericht des BKA, den die Rheinische Post als erste Zeitung publik machte, ließ an dem erschreckenden Befund keinen Zweifel. Es waren in erster Linie Flüchtlinge, die für die massenhaften sexuellen Übergriffe verantwortlich waren. Merkels Umfragewerte gingen das erste Mal auf Talfahrt.

Nun erweisen sich die Ermittlungen zu Ansbach und Würzburg als eindeutig. Beide Attentäter, Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan, hatten direkten Kontakt zu IS-Leuten in Saudi-Arabien, wie der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe meldet. Und wie seinerzeit nach Köln brechen die Umfragewerte ein. Laut ARD-Deutschlandtrend vom 4. August sind nur noch 47 Prozent der Deutschen mit der Arbeit von Angela Merkel zufrieden. Einen Monat zuvor waren das noch 59 Prozent. 

Merkels zweites Köln

Angela Merkel mag sich noch so sehr dagegen verwahren, aufgrund ihrer Flüchtlingspolitik des vergangenen Jahres persönlich und politisch mitveranwortlich für die blutigen Vorfälle zu sein: Diese Einschätzung liegt nicht allein in ihrem Ermessen. Sondern im Ermessen jedes einzelnen Wählers und jeder Wählerin. Und der aktuelle Deutschlandtrend zeigt: Viele Bundesbürger kommen zu einem anderen Ergebnis als die Bundeskanzlerin. 

Wer will, kann das als ungerecht und undifferenziert betrachten. Mit ihrem Satz und ihrem Alleingang von Ende August/Anfang September vergangenen Jahres hat die Kanzlerin alle Folgen dieser Flüchtlingspolitik zur Chefsache gemacht. Die guten wie die schlechten. Es verhält sich mit dem „Wir schaffen das“ wie seinerzeit mit dem Satz ihres Vorgängers, als Gerhard Schröder 2002 dekretierte, wenn er und seine Regierung es nicht schafften, die Arbeitslosigkeit signifikant zu senken, dann hätten sie es nicht verdient, wiedergewählt zu werden. Wie ein Mühlstein hing ihm dieser Satz um den Hals.

Genauso verhält es sich mit Merkels Satz „Wir schaffen das“. An diesem Versprechen wird sie gemessen, jeder Erfolg auf diesem Feld wird ihr gutgeschrieben, und jeder Rückschlag eben auch angelastet. So ist Politik, und das ist auch richtig so. 

Seehofer ist im Bund keine Alternative

So kommt es, dass Angela Merkel zum ersten Mal in ihrer elfjährigen Amtszeit wankt. Ihr zwischenzeitlich kalmierter Widersacher Horst Seehofer ist nach den Attentaten der islamistisch radikalisierten Attentäter wieder auf den Plan getreten. Er hat ihrem Mantra widersprochen – und profitiert. Seine Umfragewerte und die der CSU steigen, während Merkel verliert – womit auch klar ist, dass die verbreitete These Unsinn ist, der CSU-Chef mache mit seinem Gebaren die AfD stark. Er macht die CSU stark. Wenn die CSU nicht wäre und ihren Anteil zu den Werten der Union beitrüge, läge die CDU auf einem Niveau, auf dem sich die SPD inzwischen eingependelt hat.    

Wird es für Merkel existenziell? In einer Mischung aus Wut, Ohnmacht und Verzweiflung hat Seehofer in einem Sommerinterview als Reaktion auf Merkels Äußerungen zu den Anschlägen abermals erkennen lassen, dass er als Spitzenkandidat der CSU bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr antreten wird. Einige ernstzunehmende Beobachter haben daraus abgeleitet, Seehofer strebe an, Kanzlerkandidat der Union und Bundeskanzler zu werden. Dieser Pass ist etwas steil gespielt. Denn so geht das natürlich nicht. Absurd die Vorstellung, dass sich der gestärkte Seehofer und die geschwächte Merkel wie seinerzeit Merkel und Edmund Stoiber zum Frühstück in Templin oder Ingolstadt treffen und Merkel Seehofer den Vortritt ließe.

Merkel-Nachfolger bringen sich in Stellung 

So lange die CDU den Eindruck hat, dass sie mit Merkel die besten Chancen hat, wird sie sich von der breitbeinigen Schwester aus Bayern nicht reinregieren lassen. Es fällt aber auf, dass sich auch in der CDU die ersten Protagionsten für eine Post-Merkel-Zeit in Stellung bringen. Zuvorderst Finanzstaatssekretär Jens Spahn, der sich deutlich von Merkels Flüchtlingskurs abgrenzt. Und der über eine Eigenschaft verfügt, die es in der Merkel-CDU nur noch selten gibt: Mut.

Eine konzertierte Aktion aus derzeit still Leidenden in der CDU (die es in erklecklicher Zahl gibt) und Alliierten in der CSU könnte Merkel allerdings durchaus gefährlich werden. Jedenfalls ist ihre Position beileibe nicht mehr so komfortabel wie vor einem Jahr. Und jeder etwaige weitere Vorfall nach Köln, Ansbach oder Würzburg schwächte sie weiter.

Außerdem könnte Merkel ein Effekt gefährlich werden, den man den Guttenberg-Effekt nennen mag. Der frühere Shooting-Star der CSU hatte im Zuge des Skandals um seine plagiierte Doktorarbeit noch sehr lange den Rückhalt der Bevölkerung. Für viele war er der Hoffnungsträger einer ganzen Generation in der Union. Seine Beliebtheit schütze ihn lange vor Folgen der Affäre, viel länger, als es die Sachlage hergegeben hätte. Dann aber brachen seine Werte mit einem Schlag rapide ein.

Das Phänomen ist leicht erklärt: Es dauert lange, bis Wählerinnen und Wähler bereit sind, ihr Bild von einem Politiker zu revidieren. Denn darin liegt am Ende auch das Eingeständnis, sich persönlich in jemandem geirrt zu haben. Wenn aber die Faktenlage sich als zu unumstößlich erweist, dann kippt diese Loyalität mit einem Schlag radikal ins Gegenteil und entlädt sich in regelrechter Wut. So war es bei Guttenberg am Ende. Und vor diesem Effekt wäre auch die Kanzlerin nicht gefeit.

Sie hätte es besser wissen müssen

Angela Merkels Vorgänger Gerhard Schröder ist seinerzeit sein Versprechen beinahe zum Verhängnis geworden. Mit Müh und Not hangelte er sich in die nächste Amtszeit, die keine ganze mehr wurde. Heute weiß er, dass sein kühner Satz zum Zusammenhang von Arbeitslosen und seiner Kanzlerschaft einer seiner schwersten Fehler, wenn nicht der schwerste überhaupt war. Und genau vor diesem Erfahrungshorizont hat er im Laufe des vergangenen Jahres zu Merkels historischem Satz zu Protokoll gegeben: „Ich hätte nicht gesagt: Wir schaffen das.“

Dieser Beitrag erschien zuerst auf RP Online.

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