- „Subventionierte Arbeitsplätze sind keine Dauerlösung“
Kolumne: Lechts und Rinks. Die Union tritt mit ihrem Wahlprogramm für Steuersenkungen und eine Vollbeschäftigung bis 2025 ein. Die SPD-Politikerin Angela Marquardt hält das für einen Witz. Der Publizist Hugo Müller-Vogg verteidigt das Ziel
Marquardt: Im Wahlprogramm der Union heißt es: „CDU und CSU machen nur Zusagen, die wir auch einhalten können. Das ist eine zentrale Frage der politischen Glaubwürdigkeit und unterscheidet uns von manchen Mitbewerbern.“ Gleichzeitig verspricht die Union im Wahlprogramm die Vollbeschäftigung bis 2025. Das ist ein Witz. Die CDU/CSU hat bis jetzt alles behindert, um zum Beispiel die Zahl der Langzeitarbeitslosen zu verringern. Sie will weder einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt, noch vernünftige Löhne oder gute Arbeit.
Müller-Vogg: Ganz so ist es ja nicht. Die CDU/CSU sagt, sie setze sich „ein ehrgeiziges Ziel“ und wolle „bis spätestens 2025 Vollbeschäftigung für ganz Deutschland“. Was soll daran falsch sein, sich Vollbeschäftigung als Ziel vorzunehmen? Was die Methoden betrifft: Die SPD würde am liebsten Langzeitarbeitslose in 100 verschiedene Fortbildungs-, Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen stecken. So entstehen keine Arbeitsplätze, deren Ertrag die Kosten deckt. Hoch subventionierte Arbeitsplätze helfen niemandem.
Marquardt: Richtig, Subventionen sind keine Dauerlösung. Die Arbeitswelt ändert sich rasant. Wir alle müssen offen für Veränderung sein. Eine moderne Arbeitsmarktpolitik gestaltet den Wandel durch eine gute Balance zwischen sozialer Sicherheit und flexiblen Arbeitsmodellen. Bei der CDU/CSU heißt das Konzept die Steuern „für alle fair und gerecht“ senken und Vollbeschäftigung. Wir brauchen jedoch Einnahmen, um diese Arbeitsmarktpolitik zu gestalten. Sorry, aber was die CDU/CSU da im Angebot hat, kann nicht eingehalten werden. Ich kann da keinen konkreten Plan erkennen.
Müller-Vogg: Steuern sind ein gutes Stichwort. Die SPD will die Reichensteuer auf 48 Prozent erhöhen. Zusammen mit dem Soli sind das dann 50,6 Prozent. Dieser Steuersatz trifft Handwerker, Selbstständige, alle Personengesellschaften und somit gerade die Unternehmen, die die meisten Arbeitsplätze in Deutschland schaffen. Wenn man diesen unternehmerischen Männern und Frauen immer weniger vom Gewinn lässt, dann beschneidet man die Investitionsmöglichkeiten und damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Gerhard Schröder wusste das. Mit seiner Steuerreform im Jahr 2000 hat er für mehr Jobs gesorgt. Martin Schulz hat das leider vergessen.
Marquardt: Martin Schulz vergisst vor allem nicht, dass wir Investitionsmöglichkeiten nur mit einer gerechten Steuerpolitik schaffen können. Im Übrigen wollen wir den Solidaritätszuschlag für untere und mittlere Einkommen ab 2020 abschaffen. Gerade Selbstständige oder Arbeitsplatz schaffende Unternehmen profitieren davon. Und ja, geplante Steuerentlastungen wollen wir unter anderem mit einem höheren Spitzensteuersatz gegenfinanzieren. Was ist falsch daran, Entlastung gleichzeitig mit mehr Gerechtigkeit zu verbinden? Die Message der Union lautet: Steuern bedrohen das individuelle Wohlbefinden und gehören überall gesenkt. Aber wer so denkt, verhindert eine gerechte Verteilung der Steuerlast. Das ist sicher konsequent konservativ, aber keine Antwort darauf, wie der Balanceakt zwischen Einnahmen und Ausgaben gestaltet werden soll.
Müller-Vogg: Also, wie die Abschaffung des Solis für untere und mittlere Einkommen die Investitionsneigung bei Selbstständigen und den insgesamt drei Millionen Personengesellschaften erhöhen soll, erschließt sich mir nicht. Das ist weder Angebots- noch Nachfragepolitik: das ist reine Hoffnungs-Ökonomie. Und was die Gerechtigkeit betrifft: Die oberen 10 Prozent der Einkommenssteuerzahler versteuern mehr als 81.000 Euro im Jahr. Doch diese kleine Gruppe bringt 55 Prozent der gesamten Einkommensteuer auf. Wenn das keine Umverteilung ist, was dann? Ich glaube, für Sie ist Gerechtigkeit erst hergestellt, wenn noch mehr Menschen noch mehr vom Staat weggenommen wird. Schade, dass die SPD steuerpolitisch wieder in der Vor-Schröder-Ära gelandet ist – direkt in den Armen der Linkspartei.
Noch eine Anmerkung zu unserem letzten „Duell“: Ihr SPD-Fraktionschef scheint uns zu lesen. Er plädiert plötzlich für „Öffnungsklauseln“ in Koalitionsverträgen, um bei bestimmten Themen wechselnde Mehrheiten zu ermöglichen. Ein Punkt für Sie.
Dies ist der dritte Teil einer Serie von Streitgesprächen zwischen der linken SPD-Politikerin Angela Marquardt und dem konservativen Publizisten Hugo Müller-Vogg. Trotz der politischen Unterschiede verbindet beide eine Freundschaft. Bis zur Bundestagswahl werden sie regelmäßig das Politgeschehen kommentieren.