Sponsoring auf dem SPD-Parteitag - Rent a Sozi

Die SPD bedankt sich nach ihrem Bundesparteitag bei dessen Sponsoren: darunter Doc Morris, Microsoft und der Impfstoff-Gigant Pfizer. Muss man sich wundern, wenn manche dem neuen Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit seiner Booster-Kampagne eine zu große Nähe zur Pharmaindustrie unterstellen?

Hauptsache keine roten Zahlen: SPD-Logo / dpa
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Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Mal ehrlich, würden Sie Ihre Tochter auf einen Kindergeburtstag schicken, der von Nutella oder von Kinderschokolade gesponsert wird? Ein Gschmäckle hätte das doch ganz sicher schon – wenn auch ausnahmsweise mal ein süßes. Ganz anders sähe es natürlich aus, würde die Party von Smith & Wesson oder von Heckler und Koch geschmissen werden. Und wie oft schon haben wir unser feines alteuropäisches Näschen gerümpft, wenn drüben in Amerika wieder mal ruchbar wurde, dass die altehrwürdigen Republikaner eine Handvoll Dollar mehr von der National Rifle Association einstreichen durften. Derlei, so waren wir uns in der Alten Welt meistenteils sicher, würde es im hochmoralisierten Europa wohl niemals mehr geben.

Dabei feiert der Lobbyismus auch und gerade im Parteienstaat bundesrepublikanischer Prägung – Lobby Control sei es geklagt – noch immer fröhliche Urständ. Jahr für Jahr fließen Hundertausende Euro von Unternehmen, Pressuregroups oder auch nur von finanzkräftigen Einzelpersonen in die Kassen der Schatzmeister nahezu aller im Bundestag vertretener Parteien. Je intensiver der Zugriff aufs Kanzleramt, desto höher sind dabei in der Regel die Summen, die gewiefte Lobbyisten für einen Griff an den Rockzipfel der Macht zu zahlen bereit sind.

Geld für Infostände

Wer erinnerte sich etwa nicht noch an die legendären „Vorwärts-Gespräche“ der deutschen Sozialdemokratie. Unter dem Motto „Rent a Sozi“ vermittelte damals eine SPD-Agentur 35 Treffen mit SPD-Politikern und -Ministern der Wahl, wenn man nur einmal bereit war, für, sagen wir, ein gesetzte Abendessen eine entsprechende Summe auf den Tisch zu legen. Insgesamt sollen damals 191.800 Euro auf die Habenseite der Parteikonten von SPD-Schatzmeister Dieter Nietan geflossen sein. Eine pfiffige Idee. Denn das Parteienfinanzierungsgesetz definiert nunmal Grenzen. Derzeit liegen die bei 50.000 Euro. Fällt eine Parteispende großzügiger aus, muss sie dem Bundestagspräsidenten gemeldet und öffentlich gemacht werden. Da braucht es also schon gewiefter Strategien, will man den einen oder anderen Euro mehr in der Kasse klingeln lassen.

Eine hierfür seit Jahren beliebte Methode ist auch das Parteitagssponsoring. Unternehmen zahlen dabei Geld an die jeweiligen Parteien, und als Gegenleistung dürfen sie in den Vorhallen der austragenden Messehallen und Veranstaltungszentren einen Werbe- oder Infostand aufstellen. Nicht selten gleichen Parteitage daher schon mittelgroßen Handelsmessen, auf denen man zwischen den Firmenlogos von VW und British American Tobacco den einen oder andere Plausch abhalten und bei Bier und Veggie-Wurst den Abgeordneten seines Vertrauens umzirzen darf. In Corona-Zeiten wurde das „Große Hallo“ etwas abgespeckt. Oft stehen jetzt nur noch ein paar geräumige Firmenlogos verloren in der Lobby (selten wird der Begriff noch so ursprünglich gebraucht wie hier) herum und künden davon, wer hierzulande alles die Pforten der Macht belagern darf.

„Zulässige Form der Parteienfinanzierung“

So war es wohl auch beim SPD-Bundesparteitag 2021, auf dem am letzten Wochenende über den Ampelkoalitionsvertrag abgestimmt und Lars Klingbeil zum SPD-Vorsitzenden gewählt wurde. Ach, und dann war da auch noch Kevin Kühnert – der Mann, der vor zwei Jahren noch behauptet hatte, man müsse wieder mehr Sozialismus wagen, und der auf dem Parteitag zum neuen Generalsekretär der guten alten Tante SPD gewählt wurde. Und all das gesponsert und gelabelt von unter anderem Doc Morris, Microsoft und dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen.

Sei‘s drum: „Sponsoring ist eine zulässige Form der Parteienfinanzierung.“ So steht es in den Richtlinien des SPD-Parteivorstands zur Zusammenarbeit mit Ausstellern und Sponsoren. Und die anderen Parteien machen es doch schließlich auch. Bündnis 90/Die Grünen etwa haben auf ihren Parteitag 2019 insgesamt 277.000 Euro Sponsorengelder eingenommen, in etwa so viel wie die FDP, die bei ihrem Bundesparteitag im April 2019 laut einer Recherche von Abgeordnetenwatch 282.280 Euro vereinnahmt hat. Kinkerlitzchen aber im Vergleich zur deutschen Sozialdemokratie: Hier hat man bereits zwei Jahre zuvor 422.090 Euro mit dem Sponsoring des ordentlichen Bundesparteitags eingenommen.

Nun will man nicht päpstlicher sein als Papst und SPD-Vorsitzender zusammen. Wichtig ist doch allein: „Leistung und Gegenleistung müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.“ Auch dieser Satz stammt aus dem SPD-Papier zum Parteiensponsoring – und da war man bei diesem Parteitag sicherlich auf der Sonnenseite. Denn diesmal hatte man einen ganz neuen Sponsor mit an Bord: den Big-Pharma-Player Pfizer – just jenen US-Impfstoffriesen also, der gegen Ende des Jahres 2021 2,3 Milliarden Dosen eines Vakzins ausgeliefert haben will, mit dem er seinen Umsatz um 31 Milliarden Euro steigern wird. Und wenn dann auch noch die Ampel-Koalitionäre unter der Expertise des neuen Gesundheitsministers Karl Lauterbach der Impfpflicht, dem Booster und am Ende vielleicht auch noch dem Doppel-Booster ihren Segen geben werden, dann können zumindest Pfizer und Biontech ihre Prognosen 2022 noch einmal ganz nach oben korrigieren. Wie gesagt: Ein Gschmäckle hat das alles schon. Natürlich ist die Politik aufgrund von Sponsoring noch nicht käuflich. Aber mieten hat unter Sozialdemokraten eh eine weit längere Tradition.

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