SPD nach G20-Gipfel - Der rechtschaffene Prügelknabe

Nach den Randalen in Hamburg um den G20-Gipfel beginnt bei den Parteien das Spiel um die politische Verantwortung. Dabei zeigt sich ein Muster: Die SPD geht der CDU immer wieder auf den Leim. Den Sozialdemokraten fehlt dabei eine nicht sympathische, aber erfolgreiche Eigenschaft

Trägt wirklich nur Olaf Scholz die Verantwortung für die Krawalle in Hamburg? / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Die SPD ist eine Partei, der man vieles anlasten kann, mit der man inhaltlich in vielen Punkten überkreuz liegen kann. Aber eines muss man ihr lassen. Sie ist eine Partei, die es sich nie leicht macht. Die es im Zweifel sogar lieber sich selbst als anderen schwer macht. Sie ist eine im Kern liebenswert (oder auch bedauernswert) rechtschaffene Partei. Sie ist keine ruchlose Partei. Sie ist oft zu gut für diese Welt. Wahrscheinlich ist das zwangsläufig so, wenn man Gerechtigkeit zu seinem obersten Grundwert erklärt.

Daran laboriert die Partei nun wieder. Ihr stellvertretender Parteivorsitzender und Hoffnungsträger für Künftiges trägt in seiner Eigenschaft als Erster Bürgermeister von Hamburg die Last der Verantwortung für die außer jede Kontrolle geratenen Ausschreitungen am Rande des G20-Gipfels in der Hansestadt. Olaf Scholz, gerade noch der Held, der den Bau der Elbphilharmonie zum Erfolg geführt hat, ist nun derjenige, dem die Bilder eines in dunkle Rauchwolken verhüllten Hamburgs politisch zur Last gelegt werden.

Ruf von Scholz nachhaltig beschädigt

So wie er sich in der Öffentlichkeit präsentiert, weiß er selbst darum, dass er das aushalten muss. Er weiß auch, dass er den Mund zu voll genommen hatte, als er im Vorfeld den G20-Gipfel mit dem Hamburger Hafengeburtstag verglich. Und er weiß auch, dass dieses Chaos-Wochenende seinem Ruf nachhaltig schaden wird. Zumal er nicht zuletzt deshalb Erster Bürgermeister von Hamburg wurde, weil er sich als Innensenator der Stadt mit harter Hand Respekt verschafft hatte.

Nun muss er in einer Talksendung ertragen, wie Kanzleramtsminister Peter Altmaier von der CDU gütig seine schützende Hand über ihm ausbreitet. Der Frage der Moderatorin aber ausweicht, wieso es eigentlich Angela Merkels erste Wunsch war, Hamburg als Austragungsort für den Weltgipfel zu wählen. Ist die Hansestadt doch nach Berlin wegen der so genannten autonomen, tatsächlich gewaltbereiten linksextremen Szene, der schlechteste denkbare Flecken Deutschland für dieses Großereignis.

Man würde gerne mehr wissen darüber. Weshalb es die Kanzlerin als Gastgeberin in die Hansestadt zog und weshalb Scholz diesem Ansinnen bereitwillig nachgab. Festzuhalten gilt es aber: Angela Merkel trägt als Initiatorin der Veranstaltung in mindestens dem gleichen Maß politische Verantwortung für das Debakel wie Olaf Scholz. Und es ist eine Groteske, wenn sich Kanzlermann Altmaier als gütiger Onkel geriert, anstatt den Teil der Verantwortung für das Kanzleramt zu übernehmen.

CDU geht es vor allem um Macht

Es erweist sich hier ein Muster im Umgang von CDU und SPD, den beiden Volksparteien, die in einer Großen Koalition verbunden sind. Denn der naiv-rechtschaffenen SPD steht eine kühl-ruchlose CDU gegenüber. Eine Partei, deren erstes Ziel nicht irgendeine Weltanschauung oder Vision ist, sondern Machterwerb und Machterhalt. Im Prinzip könnte sie sich „Verein für die Einnahme des Kanzleramtes nebst weiterer reizvoller politischer Posten in Deutschland“ nennen, so wie es die Konservativen in Frankreich ganz unverblümt taten, als sie ihre Partei von 2002 bis 2015 UMP nannten. Die Kürzel standen für „Union pour un mouvement populaire“, also Union für eine Volksbewegung. Viele haben das P nicht ganz zu Unrecht zu „presidentielle“ umbuchstabiert. Eine Union für den Einzug in den Élysée-Palast.

Die deutsche Version führt nun als Kanzler-Karriere-Vereinigung ungeniert einen Wahlkampf mit dem Schwerpunkt innerer Sicherheit. Dabei geriert sie sich einerseits so, als habe sie mit maßgeblichen Ursachen der veränderten Sicherheitslage nichts zu tun. Und die SPD tut ihr (absehbar) den Gefallen, dass sie auch hier zu rechtschaffen ist, den Zusammenhang zwischen der neuen Sicherheitslage und Merkels misslungener Migrationspolitik zum Thema zu machen. Auch wenn viele in der SPD natürlich ganz genau wissen, dass diese die Achillesferse der Kanzlerin in diesem Wahlkampf ist.

SPD bleibt nur ein Trostpreis

Die CDU wird andererseits mindestens billigend in Kauf nehmen, dass ein Bürgermeister einer Stadt nun für die Folgen einer Ortswahl der Kanzlerin gerade stehen muss. Und die SPD hingestellt werden kann als jene Partei, der man das Land doch besser nicht anvertraut. Oder will jemand, dass Hamburg künftig überall ist?

Einigermaßen klar ist jetzt schon, wie das ausgeht. Die SPD kann den Sonderpreis „Fair Play“ in diesem Wahlkampf schon jetzt für sich in Anspruch nehmen. Und die deutsche UMP alias CDU ist ihrem ersten und wichtigsten Vereinsziel abermals ein gutes Stück näher gekommen

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