Bundeswehr unerwünscht - Friedrichshain-Kreuzberg ist nicht zu helfen

Soldaten als Helfer gegen die Corona-Pandemie? Nein, danke. Brandschutz im autonomen Hausprojekt? Nicht so wichtig. Das Bezirksamt im links-alternativen Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sabotiert aus ideologischen Gründen die Arbeit des Gesundheitsamtes und der Bauaufsicht.

In Friedrichshain-Kreuzberg auch als Corona-Helfer unerwünscht: Die Bundeswehr / dpa
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Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Im Berliner „Szenebezirk“ Friedrichshain-Kreuzberg ticken die Uhren bekanntlich etwas anders als im Rest der Republik. Dort stellen die Grünen als mit großem Abstand stärkste Partei die Bezirksbürgermeisterin. Platz 2 belegt die Linke vor der SPD. CDU, FDP und AfD haben eher den Status von Kleinparteien, ungefähr auf dem Level der Satiretruppe Die PARTEI und den letzten Überresten der Piraten, die ebenfalls im Bezirksparlament vertreten sind.

Dass dieses politische Gefüge und die dahinter stehende Lebenswelt Folgen hat, liegt auf der Hand. Denn die Stadtbezirke haben in Berlin – anders als in anderen Städten – relativ weitreichende Kompetenzen. Manche Vorgehensweisen des Bezirks, etwa für die Eindämmung der Immobilienspekulation und der Verdrängung ärmerer Bewohner durch explodierende Mieten, kann man durchaus begrüßen, sie sind zumindest diskutabel. Allerdings wird derzeit intensiv untersucht und auch von der Staatsanwaltschaft ermittelt, ob es beispielsweise beim bezirklichen Vorkauf von Häusern zu gravierenden Unregelmäßigkeiten gekommen ist. 

Experimentierfreudige Bezirkspolitik

Auch bei der Verkehrsplanung leistete sich das von der – gelinde gesagt – begeisterten Fahrradfahrerin Monika Hermann (Grüne) geführte Bezirksamt einige schräge Kapriolen, wie etwa kommunikative Sitzecken an Fahrbahnrändern, Verkehrs- und Parkeinschränkungen mit aufgestellten Findlingen und äußerst merkwürdigen Fahrradtangenten. Doch die Gratwanderung zwischen experimentierfreudiger Bezirkspolitik, ideologischer Verbohrtheit und offenem Rechtsbruch geht manchmal auch so richtig schief und kann bisweilen auch ziemlich gefährlich werden. Exemplarisch stehen dafür zwei der vielen Säue, die derzeit durch das Dorf Friedrichshain-Kreuzberg getrieben werden.  

Drohender „Militarismus“ in Gesundheitsämtern?

Der Bezirk ist einer der Hotspots der Corona-Pandemie in der Hauptstadt, was angesichts der dort hoch entwickelten Party-Kultur auch kaum verwundern kann. Niemand stellt in Frage, dass den bezirklichen Gesundheitsämtern eine zentrale Rolle bei der bestmöglichen Eindämmung der Pandemie zukommt, durch die Identifizierung und Nachverfolgung von Infektionsketten. Doch dafür mangelt es den jahrelang kaputtgesparten Ämtern schlicht an Personal, und jede Form von einigermaßen qualifizierter Hilfe wird händeringend gesucht. Diese leisten in vielen Teilen des Landes und auch in den anderen elf Bezirken Berlins Angehörige der Bundeswehr.

Doch im gallisches Dorf folgt das Bezirksamt der im August von den Linken auf einem Landesparteitag beschlossenen Direktive mit dem Titel „Bundeswehr raus aus den Gesundheitsämtern“. Eine „schleichende Vermischung ziviler und militärischer Kompetenzen“ sei wegen „der Erfahrungen mit dem deutschen Militarismus eindeutig abzulehnen“, heißt es darin. Katina Schubert, die Landesvorsitzende der Partei, schlug stattdessen laut der Berliner Zeitung vor, man könne dafür ja auch Personal aus anderen (ebenfalls chronisch unterbesetzten) Ämtern abziehen oder gekündigte Mitarbeiter der aufgegebenen Karstadt-Filialen einsetzen. Ob die LINKE künftig auch den Einsatz der Bundeswehr bei Flutkatastrophen und Deichbrüchen verbieten will, ist bislang nicht bekannt.

Stadtrat bremst Bauaufsicht aus

Auf einer im wahrsten Sinne des Wortes anderen Baustelle tummelt sich derweil der grüne Baustadtrat Florian Schmidt. Dabei geht es um gravierende Brandschutz- und weitere gefährliche Mängel in einem linksautonomen Hausprojekt in der Rigaer Straße, in dem sich die Bewohner teilweise festungsartig verbarrikadiert haben. Doch statt die bereits vor einigen Jahren angezeigten Mängel endlich in Augenschein zu nehmen zu lassen und gegebenenfalls deren Beseitigung anzuordnen, sieht sich Schmidt wohl in der Rolle des weisen Friedensstifters – und untersagte der bezirklichen Bauaufsicht, in irgendeiner Weise in dem Haus aktiv zu werden.            

Wie es in beiden Fällen weiter geht, ist derzeit unklar. Auch im „rot-rot-grünen“ Berliner Senat ist man über die Eskapaden in Friedrichshain-Kreuzberg nicht sonderlich amüsiert. Vielleicht sagt der ja den Parteifreunden im gallischen Dorf mal deutlich, dass sowohl Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie als auch Brandschutz und Bauaufsichtsrecht dort ebenfalls gelten.
 

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