Schröder und Lafontaine - Unwürdiges Schauspiel statt großes Kino

Alt-Kanzler Gerhard Schröder und Ex-Finanzminister Oskar Lafontaine haben einst gemeinsam die deutsche Politik geprägt. Dann wurde aus der Männerfreundschaft eine Feindschaft, die bis heute anhält. Warum die Fehde für ihre Parteien ein Fluch ist

Ein Bild aus vergangenen Zeiten: Schröder und Lafontaine mit ihren damaligen Frauen an der Saarschleife / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Am Ende seines ausführlichen Gesprächs im aktuellen Spiegel genehmigt sich Gerhard Schröder noch einen Schuss Sentimentalität wie einen Schluck guten Rotweins. Wenn man, wie er, so langsam auf die 75 zugehe, „relativieren sich alte Gegnerschaften“, resümiert der Altkanzler vor einer Büste Willy Brandts und spricht milde von seinen beiden Unions-Herausforderern und Widersachern Angela Merkel und Edmund Stoiber. Mit letzterem treffe er sich in letzter Zeit sogar häufiger.

Eine Gegnerschaft aber relativiert sich offenbar nie. Weder bei ihm noch beim Kontrahenten. Im gleichen Interview nämlich ätzt Schröder gegen seinen alten Antipoden Oskar Lafontaine, überhöht die Antipathie parteipolitisch und lädt sie polemisch auf. Solange „die Familie Lafontaine“ in der Linkspartei tonangebend sei, sei eine Koalition der SPD mit der Linken auf Bundesebene nicht hinzubekommen.

Postwendend keilt Oskar Lafontaine in der Welt am Sonntag zurück: Ein Ende von „Lohndrückerei und Rentenkürzungen“ könne es in Deutschland erst geben, „wenn die SPD wieder vom Plagiat zum Original wird“. Sprich: Wenn sie sich vom Schröder-Erbe verabschiedet und auf seine Linie begiebt.

Zwei Ausnahmepolitiker

Ein unwürdiges Schauspiel zweier großer Ausnahmepolitiker der Bundesrepublik Deutschland ist das. Denn ganz egal, wie man zur Politik des einen oder des anderen steht. Ganz egal, wie man zur SPD und zur Linkspartei steht: Beide waren und sind auf ihre Weise markante und faszinierende Persönlichkeiten, wie sie der Politikbetrieb nur selten hervorbringt. Lafontaine und Schröder, das war immer großes Kino.

Als Korrespondent jener Jahre denkt man etwas wehmütig an die Zeit zurück, als diese beiden großen Egos sich belauerten und beharkten. Aber am Ende eben doch gemeinsam den felsenhaften Kanzler Helmut Kohl bezwangen. Es gab diese emblematischen Bilder mit ihren damaligen Ehefrauen an der Saarschleife, die signalisieren sollten: Zwischen uns passt kein Blatt Papier. Und doch waren immer wieder kleinere und größere Rempler mitzuerleben. Der raffinierte Gerhard Schröder trickste den gewieften Oskar Lafontaine im Kampf um die Kanzlerkandidatur aus, indem er die Landtagswahl in Niedersachsen zum Maßstab seiner Kanzlerambitionen machte.

Lafontaine fügte sich in die Rolle des Kanzlermachers, brachte die SPD eisern auf Kurs, quälte und zermürbte über den Bundesrat unerbittlich die regierende Union. Rempelte nebenbei noch einen Schattenwirtschaftsminister von Schröder namens Jost Stollmann aus dem Weg – alles mit dem Ziel und in dem Glauben, als Schatzkanzler den Regierungschef steuern zu können. Ein Irrglaube, wie sich innerhalb weniger Monate erwies. Der Rest ist ebenso Legende wie Geschichte. Zartgelbe Plüschpuschen an Kinderfüßen rechts und links von Lafontaines Ohren sind das emblematische Gegenbild zur trauten Zwei- und Viersamkeit an der Saarschleife.

Sie könnten ihren Frieden machen

Die Plüschpuschen vom Balkon sind längst im Müll, aus dem kleinen Lausbuben auf Lafontaines Schultern ist ein Mann von Anfang 20 geworden. Gerhard Schröder hat sieben intensive Jahre im Kanzleramt verbracht, das Land geprägt mit seinem Nein zum Irakkrieg und seiner Agenda 2010. Und Oskar Lafontaine hat seine ganze Energie, seine ganze Willenskraft in das Projekt gesteckt, eine Konkurrenzpartei zur SPD aufzubauen. Was ihm gelungen ist.

Sie könnten also, beide jenseits der 70, nach langer politischer Karriere und im Herbst ihres Lebens ihren Frieden miteinander machen. Sie könnten gemeinsam erkennen: Der eine wäre ohne den andern nie Kanzler geworden. Und der andere wäre (wie nun in Analogie auch Sigmar Gabriel für sich erkannte) nie von einer Mehrheit der Deutschen zum Kanzler gewählt worden. Diese altersweise Erkenntnis allein wäre es wert, gemeinsam eine gute Flasche Rotwein zu leeren, oder auch zwei.

Highländer-Prinzip schlägt Altersmilde

In trauten Momenten behauptet der Altkanzler aus Hannover schon mal, dass er und „Oskar“ längst wieder klar miteinander seien. Dass er sich nur nicht öffentlich mit Lafontaine zeigen könne, weil Altvordere der SPD wie Hans-Jochen Vogel, der bis heute nurmehr vom „Saarländer“ spricht, das nicht aushalten würden. Auch Lafontaine äußert sich gelegentlich in diese Richtung.

Aber es stimmt nicht. Die Fehde lebt und lastet wie ein Fluch auf ihren Parteien. Die Passage aus Schröders Interview und Lafontaines Replik noch am gleichen Wochenende entlarven alle anderslautenden Behauptungen als Lippenbekenntnisse. So wie jene kafkaeske Schulterschluß-Übung auf jenem ins Surreale spielenden SPD-Parteitag nach der Bundestagswahl 1998. „Ganz persönlich, lieber Oskar“, wandte sich Schröder unter Bezug auf kritische Berichte über ihr Verhältnis an Lafontaine: „Lass‘ sie bellen, die Karawane zieht weiter.“

Sehr viel weiter zog die Karawane der beiden nicht. Ihre Wege trennten sich wenige Monate später im offenen Eklat. Dabei ist es bis heute geblieben. Offenbar ist das Highlander-Prinzip „Es kann nur einen geben“ bei Alphatieren wie Schröder und Lafontaine wirkmächtiger als eine einsetzende Altersmilde, die Schröder im Spiegel erkennen ließ. Das ist persönlich schade für die beiden. Und politisch lähmend für ihre Parteien.

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