Rot-Rot-Grün - Bitte nicht!

Christoph Seils hat kürzlich für eine rot-rot-grüne Koalition auf Bundesebene geworben. Der frühere stellvertretende Regierungssprecher Klaus Vater widerspricht ihm nun: Eine solche Regierung stünde sich selbst im Weg

Zum Malen käme Rot-Rot-Grün wohl nie, schreibt Klaus Vater / picture alliance
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Autoreninfo

Klaus Vater (SPD, *1946) war stellvertretender Regierungssprecher der Großen Koalition im Jahr 2009. Zuvor war er Sprecher von Bundesarbeitsminister Walter Riester und Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Heute ist er Krimiautor und Beirat der Kommunikationsagentur Advice Partners.

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Am 4. April luden SPD, Linke und Grüne zu einer Veranstaltung des Kölner DGB mit mehr oder weniger gleichlautenden Worten ein. Zitat: „Ein Gespenst geht um in Deutschland. Das Gespenst einer politischen Mehrheit jenseits der Union. Einer Mehrheit für soziale Gerechtigkeit, Innovation, Demokratie….“

Ich werde misstrauisch, wenn im Jahre 2016 in einer Einladung ein Satz des Kommunistischen Manifestes zu lesen ist: „Ein Gespenst geht um in Europa…“ Das Marx-Engelsche „Gespenst“ hat sich selber erlegt und erledigt. Was von ihm am Ende übrig geblieben war, das war im Archipel Gulag gelandet oder unter die Fittiche von Oligarchen gekrochen, die ihre Länder ausnahmen, als seien das Weihnachtsgänse. Erstaunlicher noch ist, was dann in der Einladung folgte: „Im Freistaat Thüringen ist diese Politik kein Gespenst mehr…“

Die Linke ist unzuverlässig in Sachen Israel

Das ist naiv und zugleich falsch. In Thüringen wird im Prinzip dieselbe Politik betrieben wie in anderen Ländern der Republik. Denn Ministerpräsident Ramelow, den ich für einen tüchtigen Politiker halte, ist nicht Fidel Castro und Erfurt ist nicht Havanna. Die Linke als Koalitionspartner in einer Bundesregierung? Konjugieren hilft:

In der Partei die Linke klagt die eine Seite darüber, dass eine andere Seite antisemitisch, wenigstens aber so antiisraelisch sei, dass sie die Existenz Israels in Frage stellen könnte. In der Parteijugend der Linken gibt es Leute, die ich als Judenhasser betrachte. Der Freitag schrieb über eine von der Links-Jugend mitorganisierte Veranstaltung in Essen: „Die meist jungen Männer der pro-palästinensischen Demo hielten Schilder hoch, auf denen ein Davidstern mit einem Hakenkreuz verschmelzte. Das zeigen des Hakenkreuzes ist in der BRD zurecht verboten. Die Polizei griff jedoch nicht ein.“ Mit einer Partei, die an diesem Punkt nicht zu 100 Prozent verlässlich ist, die wackelt und eiert, kann es keine Koalition geben es sei denn, man will die Sozialdemokratie zerlegen.  

Lafontaine und Wagenknecht stehen einer Koalition im Weg

Ich kann mir ferner nicht vorstellen, dass die SPD zusammen mit einer Linken regieren will, in der Oskar Lafontaine aus den Kulissen operiert und von „Fremdarbeitern“ faselt, weil zugewanderte Frauen und Männer mit hier Geborenen um Arbeitsplätze konkurrieren. Lafontaine ist über die Jahre er selbst geblieben. Einst hatte er Helmut Schmidt bescheinigt, über die nötigen Sekundärtugenden zu verfügen, die man brauche, um ein KZ zu führen. Schon damals hätten wir Lafontaine rausschmeißen müssen! Man stelle sich vor, ein so ehrenwerter Politiker wie Peter Altmaier hätte das Nazi-Wort Fremdarbeiter benutzt. Panorama, Monitor und frontal21 hätten gemeinsam den großen katholischen Exorzismus eingeleitet. Vade Satanas!

Ich kann mir auch ein Koalieren mit Sahra Wagenknecht nicht vorstellen, die sich wie eine gusseiserne Kanone verhält, die sich losgerissen hat, um hin und her zu rollen und alles zu zerschlagen, was ihr in die Quere kommt. Mechthild Küpper hat dieser Tage in einem lesenswerten FAZ-Beitrag („Das nationalbolschewistische Kalkül“) beschrieben, dass sich die Extreme von links und rechts hinter Wagenknechts Nebelbänken berühren. Und mit denen und der soll Willy Brandts SPD koalieren? Mit den Wagenknechts, Dehms, Groths, Högers und anderen?

Weil eine Befragungsfirma namens Insa herausgefunden haben will, dass eine beträchtliche Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern rot-rot-grün für eine echte Möglichkeit hält? Ausgerechnet Insa, die stets und ständig die AfD stärker schätzt als der Rest der Meinungsbefrager.  

Für schwierige Zeiten ist eine linke Regierung nicht geeignet

Wir leben in schwierigen Zeiten. Unsere Gesellschaft befindet sich in einem polarisierten Zustand. Völlig enthemmt fordern Leute dazu auf, die Bundeskanzlerin aus dem Land zu jagen und ihren Vizekanzler aufzuhängen. Das Bundeskriminalamt teilte mit, dass im ersten Halbjahr 2016 drei Mal mehr Anschläge auf Asylheime verübt worden seien als im ersten Halbjahr 2015 nämlich 665. Wir wissen nicht, ob Donald Trump im nächsten Jahr das Weiße Haus in Washington bewohnt. Wir wissen nicht, was die russische Föderation tatsächlich im Baltikum vorhat. Wir wissen nicht, was noch alles in der Region von Syrien bis Libyen geschieht. Was aus Europa wird.

Und ausgerechnet während dieser schwierigen Zeiten sollen SPD und Grüne mit der Linken koalieren, die keine Kriegseinsätze gegen den sogenannten IS will, die Putin für die Krim-Besetzung nicht gescholten hat, die aus der NATO austreten und Europa umkrempeln will? Das glaubt doch niemand im Ernst.

Die Große Koalition ist nicht so unerfolgreich wie es scheint

So wie andere auch halte ich eine große Koalition nicht für die beste Lösung unter dem Gesichtspunkt der Balance der parlamentarischen Kräfte. Aber ein nationales Unglück ist eine solche Koalition nun auch nicht. Was auch immer bei Rot-Rot-Grün auf dem Tisch liegt, das meiste kann auch von einer schwarz-roten Koalition geleistet werden. Die Liste der Reformen der großen Koalitionen ist im Übrigen mehr als ansehnlich. Man muss sie sich nur mal anschauen. Richtig ist, dass Schwarze und SPD-Rote in der strategischen Haushaltsfrage weit auseinander liegen. Richtig ist auch, dass die große Koalition bei der Pflegepolitik und der Teilhabe weit unter dem bleibt, was machbar wäre.

Aber warum eine rot-rot-grüne Koalition organisieren, die sich nicht mal über die Einführung einer Vermögensteuer einigen könnte, weil Teile der Grünen sagen: Niente? Die Koalition aus SPD und einer schöpfungswahrenden CDU ist schließlich kein Betriebsunfall, sondern das Ergebnis von Wahlen. Und eine andere Koalition anzustreben als die gegenwärtige, weil Deutschlands Talkshow-gewohnte Politik-Professoren von Falter über Korte bis Patzelt gegenwärtig keine Fernseh-Konjunktur haben, aber dann wieder eine hätten, wäre doch albern oder nicht?

Die Wählerinnen und Wähler haben das letzte Wort. Manchmal hat es gedauert, bis die politische Klasse begriffen hat, um was es ging. Die Standardformel des verstorbenen FDP-Vorsitzenden Genscher lautete, leicht sächsisch ausgesprochen: „Dr Wähler hat uns nüscht verstanden.“ Mag ja sein, aber doof waren die Wähler nie. 

Lesen Sie hier den Artikel „Die Wähler sind weiter als die Politiker“ von Christoph Seils.

 

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