Ria Schröder von der FDP - Eine Frage der Balance

Mit ihrer Kritik an Parteichef Christian Lindner und seinem Kurs hat sich Ria Schröder, die neue Vorsitzende der Jungen Liberalen, in der FDP schnell einen Namen gemacht. Ein Porträt

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Dank der neuen Juli-Vorsitzenden Ria Schröder ist Kritik an FDP-Chef Christian Lindner wieder möglich / picture alliance
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Timo Lehmann arbeitet als freier Reporter in Hamburg und Berlin

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Es ist das Ende eines regnerischen Tages, als Ria Schröder auf einem Bein steht. Die Vorsitzende der Jungen Liberalen trägt rote Ballerinas. Sie balanciert auf einem Fußballen, holt Schwung aus dem Handgelenk und wirft einen Tischtennisball. Treffer. Also darf sie noch mal werfen. Wieder balanciert sie, wieder trifft sie in den Bierbecher auf dem Tisch vor ihr und gewinnt das Trinkspiel. Ihre Mitspieler auf dem Sommerfest der Julis in Nürnberg müssen ihre Bierbecher leeren.

In der FDP muss Ria Schröder seit kurzem ganz andere Balanceakte bestehen. Im April wurde die 26 Jahre alte Juristin an die Spitze der Jugendorganisation gewählt. Forsch, bisweilen nassforsch hat sie sich seitdem präsentiert und sich so innerhalb weniger Monate als Widersacherin der Parteiführung profiliert.

Kritik an FDP-Chef Lindner

Schröder stört vor allem, dass sich die FDP-Parteispitze migrationskritisch äußert. Im Mai etwa sagte FDP-Chef Lindner, beim Bäcker in der Schlange wisse man nicht, ob der Nebenmann „eigentlich ein sich bei uns illegal aufhaltender, höchstens geduldeter Ausländer“ sei. Man sei im Asylstreit näher bei CSU als bei CDU, twitterte er im Juni. Und nach den Geschehnissen in Chemnitz gab Wolfgang Kubicki der Bundeskanzlerin persönlich eine Mitschuld. Die FDP, die sich immer als Partei der Mitte bezeichnet hat, blinkt offenbar plötzlich rechts. Ria Schröder wirft dem Parteichef eine „Anbiederung zur CSU“ und den „Stil der Rechtspopulisten“ vor.

Schröder ist davon überzeugt, solche Äußerungen schadeten der Partei. Und der Abgrund, in den die FDP nach der Niederlage bei der Bundestagswahl 2009 geblickt hat, ist nicht weit. „Selbstverständlich muss man die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel kritisieren“, sagt Schröder mit ihrer leisen Stimme. „Bis heute hat es die Bundesregierung nicht geschafft, einen Verteilungsschlüssel in Europa zu verhandeln.“ Die Frage sei nur das Wie.

Der sakrosankte Lindner

Die FDP müsse auf ihre Worte achten, so die Jungliberale. Schröder will mehr Mitglieder mit Migrationshintergrund, mehr Frauen, mehr Menschen ohne akademischen Bildungsabschluss in die Partei holen. Dass die FDP eine Männerpartei sei, nur die AfD hat noch weniger Frauen in ihren Reihen, sei auch eine Frage bestimmter Strukturen. Auch den Parteichef verschont die Juli-Vorsitzende nicht. „Eine Fokussierung, in der sich alles um Christian Lindner dreht, hat uns im Wahlkampf zwar genutzt, aber jetzt müssen wir die FDP breiter aufstellen.“

Töne wie diese waren in der FDP lange nicht zu hören. Seit Lindner die Liberalen zurück in den Bundestag geführt hat, ist er quasi sakrosankt. Er hat die Jamaika-Verhandlungen abgebrochen und die FDP auf einen bürgerlich-liberalen Oppositionskurs getrimmt, Bürgerrechtsthemen, einst eine Domäne der Partei, wurden vernachlässigt. Aus einem Haufen egozentrischer Individualisten ist zugleich eine stramm organisierte Truppe mit Hang zum Personenkult geworden. Allenfalls ein Grummeln war über den Lindner-Kurs zuletzt aus der Partei zu vernehmen. Mit der neuen Juli-Vorsitzenden ist das plötzlich wieder anders.

Nicht linksliberal, sondern liberal-liberal

Geboren wurde Ria Schröder 1992 in dem Örtchen Blankenrath in Rheinland-Pfalz. In Hamburg studierte sie an der Bucerius Law School. 2013 trat sie in die FDP ein und 2017 kandidierte sie auf einem hinteren Listenplatz erstmals für den Bundestag.

Natürlich gehört es auch in der FDP zum Anforderungsprofil der Vorsitzenden der Jugendorganisation, Unruhe zu stiften. Manche in der FDP fühlen sich bei Ria Schröder bereits an den rebellischen Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert erinnert. Aber zu viele Feinde darf sich Ria Schröder auch nicht machen. Sonst gerät die politische Karriere in Gefahr. Der Grat zwischen Auflehnung und Anpassung ist gerade in einer Partei, die politisch schon tot schien und dank eines charismatischen Parteichefs gerade ihre Wiederauferstehung erlebt hat, schmal. Also versichert sie, trotz ihrer Kritik an Lindner und Kubicki: „Die FDP ist nicht nach rechts gerückt.“

Und beim linken Parteinachwuchs kommt Schröders Kurs an. Nachts um halb zwei ist die Party vorbei. Ein paar Julis laufen durch Nürnberg, einer dreht sich um sich selbst. Neben Schröder spaziert ein lokaler Jungliberaler. „Ria, ich bin wirklich positiv überrascht“, sagt er. „Wieso das?“, fragt Schröder. „Du wirkst ja eher ruhig und kooperativ. Hätte nicht gedacht, dass du der Parteispitze so Contra geben kannst.“ Schröder schaut auf den nassen Boden, wo das Licht der Straßenlaternen schimmert. „Du bist linksliberal.“ Schröder blickt ihm ins Gesicht. „Das stimmt nicht. Ich bin liberal-liberal, also in der Mitte“, sagt sie bestimmt – und da will sie die FDP auch halten.

Dies ist ein Text aus der Oktober-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Onlineshop erhalten.

















 

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