Asylstreit zwischen CDU und CSU - „Der Sprengsatz ist noch nicht entschärft“

Peter Hausmann gilt als Urgestein der CSU und war Chefredakteur des von ihr herausgegebenen „Bayernkurier“. Im Interview kritisiert er seine Partei und Innenminister Horst Seehofer für den Kurs gegen Kanzlerin Angela Merkel scharf

Horst Seehofer und Angela Merkel: „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ / picture alliance
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Herr Hausmann, Sie sind ein Urgestein der CSU, waren mehrere Jahre Regierungssprecher unter Helmut Kohl und Chefredakteur des Bayernkurier. Danach wollten Sie sich eigentlich nicht mehr zur CSU äußern, jetzt haben Sie Ihr Schweigegelübde gebrochen und einen Artikel auf Ihrem Blog veröffentlicht, aus Wut. Warum sind Sie wütend auf Ihre Partei? 
Der Umgang der CSU-Spitze mit der Kanzlerin ist unter aller Kanone. Das ist nicht der Stil, wie man miteinander umgeht, wenn man Ultimaten setzt und versucht, jemanden auf offener Bühne zu demontieren. So hat es aber Horst Seehofer mit Angela Merkel gemacht. Das hat Seehofer schon einmal getan, beim Parteitag der CSU 2015

Ihr Blogartikel trägt den Titel „Denn sie wissen nicht, was sie tun“. Was meinen Sie damit?
Das Ganze hat mich eben erinnert an den alten Film mit James Dean. Darin zettelt ein zorniger junger Mann ein Autorennen an mit seinem Gegenspieler, bei dem zwei Wagen mit hoher Geschwindigkeit auf einen Abgrund zurasen. Die Spielregeln besagen, wer zuerst bremst, hat verloren. So kommt mir auch dieser Konflikt vor. Man hat das Gefühl, dass vieles unbedacht geschieht, ohne dass groß über die Konsequenzen nachgedacht wurde.

Um im Bild zu bleiben: Könnte man bei der CSU nicht auch sagen, dass sie beim Thema Flüchtlingspolitik seit 2015 den Fuß auf dem Bremspedal gelassen hatte, um den Frieden in der Union nicht zu gefährden? Und jetzt drückt sie eben auf’s Gas, weil die Spitzen sehen, dass es bei dem Thema nicht vorangeht?
Das Verwunderliche an dieser Auseinandersetzung ist doch aber, dass es offenbar gerade nicht um das Ziel geht: Menschen, die nicht im Einklang der Flüchtlingscharta der UN hierher gekommen sind, auch wieder zurückschicken zu können. Darüber sind sich doch alle einig. Der aktuelle Konflikt behandelt aber ein Randthema. Ob die Grenzen in einem nationalen Alleingang geschlossen werden können oder nicht. Ob das rechtlich überhaupt zulässig ist, darüber sollen sich Juristen den Kopf zerbrechen. Aber entscheidend ist doch die Frage, ob die anderen europäischen Staaten diesen Alleingang akzeptieren würden.

Und da haben Sie Zweifel?
Italien, wo ja aktuell die meisten Flüchtlinge landen, könnte sagen: „Wir registrieren die gar nicht erst und winken die einfach durch”. Und die Österreicher könnten wie 2015 Busse chartern, die die Flüchtlinge an die deutsche Grenzen bringen. Und was machen wir dann? Wie werden wir reagieren, wenn sich wieder tausende und abertausende Flüchtlinge an unseren Grenzen stauen? Werden wir die Bilder von verzweifelten Menschen aushalten, die ohne Hilfe unter freiem Himmel campieren? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine ideale Lösung ist. Eine europäische Lösung erscheint da doch sinnvoller.
 

Peter Hausmann / picture alliance

Aber in der CSU ist man offenbar anderer Meinung. Sie haben lange eine nicht unbedeutende Rolle in der Partei gespielt. Was sind da die Motive für den Schritt, in dieser Frage nicht nachgeben zu wollen?
Die Wahl in Bayern im Oktober spielt da sicherlich eine entscheidende Rolle. Auch weil der Eindruck erweckt wird – auch durch manche reißerische Schlagzeile in den Medien – dass Deutschland nicht in der Lage ist, Menschen, die nicht rechtmäßig hierhergekommen sind, zurückzuschicken. Das Problem ist aber: Wenn man den Populisten nachgibt, dann läuft man der Stimmung in der Gesellschaft immer hinterher. Und wenn ich die Umfragen zur Landtagswahl betrachte, habe ich nicht das Gefühl, dass das erfolgsversprechend ist. Die AfD liegt kontinuierlich bei über zehn Prozent und die CSU verliert sogar. Und das obwohl die CSU in der Flüchtlingspolitik eigentlich schon seit 2015 einen harten Kurs fährt, auch in der Abgrenzung zur Kanzlerin.

Aber können Sie nicht nachvollziehen, dass es in der Bevölkerung anscheinend eine hohe Frustration bei der Flüchtlingspolitik gibt, gerade zum Beispiel mit Blick auf den offenbaren Asylbetrug im Bamf-Skandal? Und ist es da nicht legitim für eine konservative Partei wie die CSU, diese Frustration aufzugreifen und Änderungen anzugehen?
Das sage ich nicht, dass es dafür keine Gründe gibt. Dass Menschen Angst davor haben, dass sich ihr Land verändert, das ist eine verständliche menschliche Regung. Und es ist absolut nachvollziehbar, dass die Menschen den Kopf schütteln, wenn sie hören, dass zum Beispiel ein Leibwächter von Osama Bin Laden nicht abgeschoben werden kann. Und wenn Mädchen vergewaltigt werden und ermordet werden, ist es verständlich, wenn es Unruhe in der Gesellschaft gibt. Da muss die Politik Wege finden, um die Gesellschaft zu befrieden und dem Missbrauch des Rechtsstaates Einhalt bieten. Aber wir können nicht den Rechtsstaat demontieren.

Dennoch ist die Kanzlerin Angela Merkel für viele Menschen, auch in der CSU, durch ihr Verhalten in der Migrationspolitik zu einer Hassfigur geworden. Können Sie nicht verstehen, dass da viele sagen „jetzt ist Schluss” und die Reißleine ziehen wollen?
Das kann man natürlich so sehen. Ich bin aber dafür,  die Dinge vom Ende her zu denken. Und ich sehe diese Einstellung eher bei Angela Merkel. Was soll denn passieren, wenn es wirklich zu einem Bruch der Union kommt?

Erzählen Sie es uns!
Da würde es nur Verlierer geben. In einer repräsentativen Demokratie werden die Hälfte der Mandate direkt vergeben. Wenn man da dem Wähler zwei Kandidaten aus dem eigentlich selben Lager anbietet, schwächt man die eigene Position. Nicht umsonst hat Franz Josef Strauß 1976 darauf verzichtet, seine Theorie „Getrennt marschieren, vereint schlagen” in die Wirklichkeit umzusetzen.

Könnte eine Trennung für beide Parteien nicht auch eine Befreiung sein?
Davon halte ich nichts. Vor allem, weil es sehr schwierig werden würde, die Parteien wieder zusammenzubringen. Die CDU würde der CSU lange nicht verzeihen, dass man ihre Kanzlerin, Spitzenkandidatin und Parteichefin aus dem Amt getrieben hätte. Da liegt kein Segen drauf, wie man in Bayern sagt. 

Trotzdem scheint es, als stehe die CSU geschlossen hinter dem Kurs von Markus Söder und Horst Seehofer. Wie erleben Sie das?
Das stimmt zweifellos. Ich vertrete mit meiner Kritik sicherlich eine Minderheitenmeinung. Dazu stehe ich. Ich verstehe auch den Markus Söder, ihm rennt ja in Bayern bis zur Wahl die Zeit davon. Und er hat schon viele richtige Dinge angestoßen. Aber in diesem Punkt kann ich mit ihm nicht übereinstimmen. Momentan kommen weniger Flüchtlinge nach Deutschland, als von der CSU mit der Obergrenze gefordert. Dass man in dieser Zeit die Situation so eskalieren lassen kann, dass es auf einen Grundsatzkonflikt der Schwesterparteien hinausläuft, dafür fehlt mir das Verständnis. Da sollte man mit ruhiger Hand vorgehen und nicht in dieser Aufgeregtheit. Die ist nur Wasser auf die Mühlen von anderen Leuten, die damit ihr politisches Süppchen kochen. 

Horst Seehofer hat jetzt Angela Merkel die von ihr erbetene Zwei-Wochen-Frist eingeräumt. Wird er nun doch wieder zurückrudern? Oder wie wird es weitergehen in dem Konflikt?
Der Sprengsatz ist noch nicht entschärft. Man konnte bei den parallelen Pressekonferenzen sehen, dass weder Horst Seehofer noch Angela Merkel momentan bereit sind, große Zugeständnisse zu machen. Das gilt auch für die Parteien. Die CDU ist immer dann besonders geschlossen aufgetreten, wenn von draußen die Schläge kommen. Und die CSU präsentiert sich auch in großer Geschlossenheit. Nur sollte die CSU wissen: Es gibt jetzt viele Leute, die sich zurücksehnen nach den alten vermeintlich glorreichen Zeiten unter dem großen Nationalkonservativen Franz Josef Strauß. Wenn man aber seine Reden und Schriften liest, kommt man schnell darauf: Dieses Bild ist absoluter Stuss. Strauß war ein liberalkonservativer Geist mit einem großen europäischen Herz.

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