FAQ - Hat Maik G. recht?

Der Fall des Pegida-Demonstranten Maik G. hat eine Diskussion zum Persönlichkeitsrecht entfacht. Hat er recht, durfte er nicht gefilmt werden? Und wie sieht es aus mit dem Verhalten der Polizei? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick

Noch sind nicht alle Fragen zu Maik G. und seiner Anstellung beim LKA Sachsen geklärt / picture alliance
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Autoreninfo

Tobias Gostomzyk ist seit 2012 Professor für Medienrecht an der TU Dortmund.

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Dürfen Journalisten prinzipiell an jeder Demonstration teilnehmen?
Journalisten dürfen wie jedermann an öffentlichen Versammlungen teilnehmen. 

Wann dürfen Journalisten andere Menschen filmen und fotografieren? 
Es ist zu unterscheiden zwischen dem Filmen und Fotografieren von Menschen und der Veröffentlichung dieser Aufnahmen: Im öffentlichen Raum dürfen Journalisten andere Menschen grundsätzlich filmen und fotografieren. Das Anfertigen von Bildaufnahmen verstößt nicht gegen das Recht am eigenen Bild der aufgenommenen Personen. Dies wäre allein beim Veröffentlichen und Verbreiten dieser Aufnahmen zu bedenken. Auch datenschutzrechtlich sind Pressevertreter gesetzlich privilegiert, weil sie einer öffentlichen Aufgabe nachkommen. Werden Aufnahmen zur Berichterstattungszwecken angefertigt, ist dies kein Verstoß gegen das Datenschutzrecht, obwohl sich über die Aufnahmen etwa sagen lässt, wann eine Person wo – und im Falle einer Demonstration – zu welchem Zweck gewesen ist. 

Und konkret: Durfte das Team den Mann filmen, auch wenn er sie deutlich auffordert, das zu unterlassen? 
Auch die Bitte der Unterlassung allein führt nicht zu einem Verbot des Filmens. Zwar ist jetzt offenkundig nicht mehr von einer Einwilligung des Gefilmten auszugehen. Aber Filmen allein bedeutet noch nicht veröffentlichen oder verbreiten. Das gilt gerade für Demonstrationen, wo der Zweck darin besteht, für ein bestimmtes Anliegen Öffentlichkeit zu schaffen. Journalisten fertigen eben regelmäßig viel Videomaterial an, um anschließend hiervon nur einen Bruchteil zur Veröffentlichung zu nutzen. Vom bloßen Filmen kann also noch nicht auf eine Veröffentlichung geschlossen werden.

Und was gilt für die Umstehenden, etwa die Polizisten?
Auch die Polizisten fordern auf, das Filmen zu unterlassen. Allerdings gibt es hierzu auch kein allgemeines Recht. Vielmehr ist Voraussetzung für das Vorgehen der Polizei gegen Ton- und Bildaufnahmen das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Erst dann darf die Polizei Maßnahmen nach pflichtgemäßen Ermessen treffen. Hier ist auf die Rechtsprechung zu verweisen. Ob eine Gefahr für ein Schutzgut vorliegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Im Dresdener Fall ist keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit erkennbar.

Was gilt für im Unterschied zu öffentlichen Räumen für private?
Im privaten Räumen existiert grundsätzlich ein Film- und Fotografierverbote, bereits wegen des Hausrechts. Weiter ist der Persönlichkeitsschutz stärker zu akzentuieren, weil – anders als bei Demonstrationen – die Privat- oder sogar die Intimsphäre betroffen sein kann. Eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs kann sogar strafbar sein, § 201 StGB. 

Dürfen diese Aufnahmen veröffentlicht werden?
Es ist zu unterscheiden: Die Aufnahmen des Demonstranten durften dargestellt werden. Zunächst ist seine Erkennbarkeit fraglich. Er trägt Hut und Sonnenbrille. Geht man von dieser Unkenntlichkeit aus, bestand zwar offenkundig keine Einwilligung hinsichtlich der Veröffentlichung, im Gegenteil. Doch ist von einem öffentlichen Interesse an der Veröffentlichung der Aufnahmen auszugehen. Dies lässt sich wegen des exponierten Auftretens des Demonstranten gegenüber Medienvertretern, der öffentlichen Beschuldigung einer Straftat sowie der Reaktion der Polizei hierauf begründen; spätestens aber wegen mit der nachfolgenden enormen öffentlichen Diskussion. Das bedeutet nicht, dass jetzt jeder Demonstrant auf Versammlungen Sorge haben, groß im Fernsehen gezeigt zu werden. Es bedarf vielmehr eine besonderen herausgehobenen Handlung, damit jemand im Portrait gezeigt werden darf. Denn das Recht Bilder von Demonstrationen zu veröffentlichen, rechtfertigt grundsätzlich nur die Demonstranten als Menschenmenge zu zeigen. Deswegen hätten auch weitere Personen, die auf dem Video in Großaufnahme zu sehen sind – etwa ein Mann im grünen Hemd und eine Rollstuhlfahrerin –, gepixelt werden müssen.

Unter welchen Umständen dürfen Polizisten Journalisten in ihrer Arbeit einschränken?
Wenn der Verdacht von durch Pressevertreter begangenen Straftaten im Raum steht, darf die Polizei dem nachgehen. Dazu gehört zunächst auch die Identitätsfeststellung. Unnötig Langes Festhalten von Pressevertretern ist allerdings problematisch, zumal ohne jede Angabe von Gründen. Hier muss das Vorgehen der Polizei – wie jedes staatliche Handeln – jedenfalls verhältnismäßig sein. Deswegen hat sich die Polizei inzwischen auch entschuldigt, wie Medienberichten zu entnehmen war.

Ist es problematisch, dass der Demonstrant jemanden grundlos anzeigte?
Grundsätzlich ist die falsche Verdächtigung eine Straftat (§ 164 StGB). Allerdings muss man hierfür wider besseres Wissen handeln. Auf dem Video sieht es so aus, als sei der Demonstrant fälschlicherweise überzeugt davon, dass man nicht „ins Gesicht filmen“ dürfe. 

Ändert sich etwas durch den Umstand, dass der Mann beim LKA Sachsen beschäftigt ist (offenbar nicht verbeamtet)?
Auch für jemand im öffentlichen Dienst Beschäftigten gilt in seiner Freizeit das Recht seine Meinung frei zu sagen und auch zu demonstrieren. Hier gelten besondere Loyalitätspflichten gegenüber dem Arbeitgeber, die im Einzelfall zu ermitteln sind. Das Arbeitsverhältnis darf nicht nachhaltig gestört werden. Problematisch wird es rechtlich, wenn sich dabei jemand gegen die Verfassung stellt. 

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