Scholz-Debatte - Von Gutmenschen und Sehrgutmenschen

Geht es nach Angela Merkel, leben wir „gut und gerne“ in Deutschland, Olaf Scholz sieht sich als „Sehrgut-Verdiener“ und die SPD verabschiedet ein „Gute-Kita-Gesetz“. Und dann sind da noch die sogenannten Gutmenschen. Also alles gut?

Der „Sehrgut-Verdiener“ Olaf Scholz / dpa
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Marko Northe hat die Onlineredaktion von cicero.de geleitet. Zuvor war er Teamleiter Online im ARD-Hauptstadtstudio und Redakteur bei der "Welt". Studium in Bonn, Genf und Berlin sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 

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„Ganz gut“, das war am Wochenende in Kurzfassung die Antwort von Olaf Scholz auf die Frage im Bericht aus Berlin, wie viel er verdiene. Angesichts seines monatlichen Bruttoeinkommens von 16.000 Euro mag das hanseatisches Understatement gewesen sein.

Ob „ganz gut“ wirklich die richtige Definition ist oder doch eher das „sehrgut“, mit dem Scholz zwei Tage später seinen Verdienst in eigenwilliger Schreibweise korrigierend beschrieb, müssen Menschen klären, die sich besser mit Geld auskennen, als der Autor dieses Textes.

Wahrscheinlich kommt es dabei eh auf den Blickwinkel an: Für den CEO der Deutschen Bank wären 16.000 Euro im Monat völlig inakzeptabel, obwohl Scholz’ Verantwortung und Arbeitspensum nicht kleiner sein dürfte. 

Auffällig ist allerdings der inflationäre Gebrauch des Wortes „gut“ in der deutschen Politik. Angefangen haben muss es mit der Bezeichnung „Gutmensch“ in den 1990er Jahren, wobei bei dieser Beschimpfung „gut“ ja eben nicht „gut“ bedeutet, sondern eher das, was das Sprichwort „Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“ meint. „Gut“ kann also „schlecht“ bedeuten, da geht es schon einmal los. 

„Gut und gerne“

Ganz und gar nicht ironisch war es gemeint, als die CDU im Bundestagswahlkampf 2017 ihren Claim „Für ein Land, in dem wir gut und gerne leben“ präsentierte. Dass das Ganze allerdings von der Partei zu #fedidwgugl abgekürzt wurde, war vielleicht keine gute Idee. Der kryptische Hashtag sorgte jedenfalls für viel Verwirrung.

Und das mit dem „gut und gerne“ hängt Angela Merkel bis heute nach, wenn man in die sozialen Netzwerke oder Kommentarspalten diverser Medien schaut, vor allem wenn mal wieder irgendwo ein Irrer (vorzugsweise mit Migrationshintergrund) auf Menschen losgegangen ist. Das solle also das Land sein, in dem wir „gut und gerne leben“, fragen Foristen dann gerne sarkastisch. 

Das Gute und die Politik schließen sich aus

Man sieht also: Wenn in der Politik etwas den Stempel „gut“ bekommt, ist die Ironie und zuweilen gar der Sarkasmus nicht weit. Das dürfte die SPD auch schon bemerkt haben, nachdem sie neue Gesetzesvorhaben betitelt hat, als würden sie die Namensgebung Werbeagenturen überlassen, die sonst für Supermarktketten arbeiten: Seitdem das „Gute-Kita-Gesetz“ „auf den Weg gebracht“ wurde, heißt es bei jeder neuen Idee aus dem Willy-Brandt-Haus sogleich höhnisch: Jetzt kommt wohl das „Gute-Homeoffice-Gesetz“ oder das „Gute-Lieferketten-Gesetz“. 

Es funktioniert einfach nicht mit dem Guten in der Politik. Das mag in der Natur der Sache liegen, schließlich ist eine Regierung im besten Falle Problembewältiger und allzu häufig leider Problemaufschieber, sodass die Realität meistens alles andere als gut ist. Spätestens seit der Weimarer Klassik wissen wir zudem, dass das Wahre, das Gute und das Schöne ein und dasselbe sind, und in der Politik ist es meistens nicht schön, die Wahrheit gesagt wird oft auch nicht, von daher kann es auch nicht gut sein.

Wer dann auch noch ständig betonen muss, dass er etwas gut machen will, indem er seine eigenen Vorhaben „gut“ nennt, erregt den Verdacht, dass das, was er vorhat, eben nicht gut ist.

Früher hätte man das Großverdiener genannt

Bei Olaf Scholz scheint das Rechtfertigungsproblem momentan besonders groß zu sein, denn es reicht nun offenbar nicht mehr, „ganz gut“ zu verdienen, es muss nun „sehrgut“ sein. Früher hätte man das wahrscheinlich Großverdiener genannt, aber das „groß“ ist keine moralische Kategorie, während „sehrgut“ zumindest so klingt, als habe man ein herausragendes Zeugnis ausgestellt bekommen. 

Über „Sehrgut“ hinaus geht im Politik-Deutsch nicht mehr viel, seitdem uns die Nazis mit ihrem Größenwahn alles versaut haben. „Groß“, „am größten“, „extrem gut“ oder „über alles“ sind Kategorien, in denen besser nicht mehr gedacht werden sollte. Dementsprechend verschämt klingt das „gut“ und auch das „sehrgut“, als wolle man eigentlich „das Beste oder nichts“, wie es bei Daimler heißt, traue sich aber solche Superlative nicht zu. Zu recht, denn wohin es führen kann, wenn alles "GREAT" und "BIGLY" ist, sehen wir am amerikanischen Präsidenten und seinem öffentlichen Auftreten, das immer mehr dem eines Diktators gleicht.

Scholz jedenfalls will, wenn er denn Kanzler werden sollte, Steuererhöhungen für „Sehrgut-Verdiener“, also auch für ihn selbst, durchsetzen. Wir hätten da einen Namensvorschlag für das Vorhaben: Das „Gute-Sehrgut-Verdiener-Gesetz“.

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