Neue Umfrage - Die Union in der Existenzkrise

In Mecklenburg-Vorpommern kündigt sich ein politisches Erdbeben an. Die neueste Umfrage von Insa im Auftrag von Cicero sieht die AfD bei den Landtagswahlen am kommenden Sonntag vor der CDU. Für die Christdemokraten ist das eine Katastrophe

Angela Merkel und CDU-Spitzenkandidat Lorenz Caffier bei einer Wahlkampfveranstaltung am 29.08.2016 / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

So erreichen Sie Alexander Marguier:

Anzeige

Die einfache Frage lautet: Welchen Anspruch hat die CDU noch an sich selbst? Zum Selbstverständnis dieser Partei, gegründet als bürgerliche Sammlungsbewegung, gehörte schon immer und oft sogar zuallererst die Regierungsfähigkeit. Allerdings war damit eben nicht nur ein „irgendwie Mitregieren“ gemeint, sondern durchaus ein Gestaltungswille unter konservativ-liberalem Vorzeichen und mit christlich-sozialer Prägung.

Es reicht aber ein Blick auf die derzeitigen Verwerfungen der deutschen Politik, um festzustellen: Weit ist es damit nicht mehr her. Während die bayerische Schwesterpartei CSU knallhart und alles andere als erfolglos an der Verteidigung ihrer absoluten Mehrheit im Freistaat arbeitet, hat sich etwa die baden-württembergische CDU klaglos und kleinlaut in ihre Rolle als Juniorpartner der Grünen eingefunden. Hauptsache mitregieren.

AfD bei 23 Prozent, CDU nur 20 Prozent

Wenn an diesem Sonntag in Mecklenburg-Vorpommern gewählt wird, könnte sogar ein neues Kapitel im Niedergang der Christdemokraten eingeläutet werden – sollte tatsächlich die AfD stärker abschneiden als die Union. Das zumindest ist nach einer aktuellen Umfrage des Instituts Insa im Auftrag von Cicero zu erwarten. Demnach käme die CDU auf 20 Prozent der abgegebenen Stimmen, die AfD auf 23 Prozent. Es wäre die Kernschmelze der Union, wenn sich rechts von ihr eine Partei auf Landesebene etablieren könnte, die größer ist als sie selbst. Noch dazu in dem Bundesland, wo auch der Wahlkreis der Kanzlerin liegt. Ganz davon abgesehen, dass es für eine Fortsetzung der Großen Koalition unter dem SPD-Ministerpräsidenten Erwin Sellering sehr, sehr knapp werden würde.

Angesichts dieser Zahlen wirkt der Spruch von Kanzleramtsminister Altmaier, die Werte für die AfD würden aufgrund der Maßnahmen der Bundesregierung in der Flüchtlingskrise „wie ein Soufflé“ in sich zusammenfallen, nur noch wie ein frommer Wunsch. Die Alternative für Deutschland scheint sich als feste Kraft zu etablieren, und die Union hat dazu sehr viel beigetragen. Die Gründe sind bekannt. Mit Wählerbeschimpfung kommt man nicht weiter, und gesundbeten lässt sich die Lage auch nicht. Der alte Spruch von Franz Josef Strauß, wonach es rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, hat nichts von seiner Gültigkeit verloren.

Für die CDU bleibt bald nur noch die Opposition

Zumindest dann nicht, wenn die CDU sich nicht damit abfinden will, in Zukunft nur noch zusammen mit der SPD oder mit den Grünen regieren zu können  oder eben, wie in Sachsen-Anhalt, mit beiden gemeinsam, weil selbst große Koalitionen nicht mehr mehrheitsfähig sind. Tatsächlich befinden die Christdemokraten durch den Aufstieg der AfD in einer Sackgasse: Koalitionen mit den Rechtspopulisten sind ausgeschlossen, wogegen die SPD in den meisten Bundesländern mit den Grünen und der Linkspartei regieren könnte. Demnächst womöglich auch in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin.

Kein Wunder also, dass jetzt der ehemalige CDU-Bundesgeschäftsführer Peter Radunski seine Partei dazu ermuntert hat, den Bann gegen die AfD aufzuheben. Bei solchen Forderungen geht es dann nur noch um den eigentlichen Markenkern der Union, nämlich die Regierungsfähigkeit.

Die CDU muss wieder konservativ werden

Eine Koalition von CDU und AfD wäre allerdings, mehr noch als der Verlust politischer Gestaltungskraft, das Eingeständnis des Scheiterns jenes von der Parteivorsitzenden vorgegebenen Kurses nach überall und nirgendwo. Tatsächlich befindet sich die Christdemokratie derzeit in der schwersten Krise seit ihrem Bestehen. Ein Erdbeben kündigt sich da an, und den Bewohnern des Unionshauses wird es nicht helfen, sich unter der Tischplatte zu verkriechen. Es ist vielmehr eine Frage der gesellschaftlichen Statik und der politischen Bindungskräfte. Immerhin: Um die Einsturzgefahr zu bannen, muss sich diese Partei nicht neu erfinden. Genau das hat sie nämlich in den vergangenen Jahren versucht. Mit absehbarem Ergebnis.

Das Umfrageergebnis (erhoben am 29. August) für die am Sonntag bevorstehende Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern von Insa im Auftrag von Cicero:

SPD 28%, AfD 23%, CDU 20%, Die Linke 15%, Bündnis90/Die Grünen 6%, FDP 2%, NPD 2%. 

Für die repräsentative Umfrage wurden 1031 Wahlberechtigte telefonisch befragt. Sonstige Parteien kamen zusammen auf 4 Prozent. Die maximale Fehlertoleranz liegt bei +/- 3 Prozentpunkten.

Anzeige