Kampagne „Nazis raus!“ - Die Hashtag-Demokraten

„Nazis raus!“ lautet das Bekenntnis der modernen Widerstandskämpfer. Eine prima Sache – wenn man denn nur wüsste, wohin mit ihnen. Wir hätten da einen konkreten Vorschlag

„Nazis raus!“ Aber wo sind sie denn, und wo sollen sie hin? / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Die Berliner Staatssekretärin und aufstrebende Sozialdemokratin Sawsan Chebli stellt auf Twitter eine sehr berechtigte Frage. Sie lautet: „Warum gibt es unter Demokraten zu #NazisRaus eigentlich keinen Konsens?“

Ja, hmm, warum eigentlich nicht? An einer unscharfen Definition des Begriffs „Nazi“ kann es kaum liegen. Nazis sind ja bekanntlich Anhänger des Nationalsozialismus. Also irgendwas mit Hitler und Drittem Reich und so. Ich kannte zwar mal – und das ist jetzt kein Witz – eine sehr rechtschaffene und keineswegs politisch rechts stehende Kollegin, die sich selbst als „Schlaf-Nazi“ bezeichnete, weil sie ihre kleinen Kinder in den für sie vorgesehenen Kinderbetten beließ, auch wenn diese krakeelend Einlass in die elterliche Heia forderten. Aber diese, zugegebenermaßen etwas rigide, Erziehungsmethode, dürfte von Frau Chebli eher nicht gemeint gewesen sein. Es geht ihr wohl schon um echte Nationalsozialisten, wozu gemäß neuerer Erkenntnisse allerdings auch jene zählen, die etwa den Segnungen der rot-rot-grünen Berliner Regierung eher skeptisch gegenüberstehen. Was natürlich ein Unding ist. Soll es aber geben.

Könnte ein Nazi-Detektor helfen? 

Die ZDF-Reporterin Nicole Diekmann hatte, ebenfalls im Intelligenzmedium Twitter, unlängst „Nazis raus“ gepostet und auf die Frage eines Lesers, wer damit wohl gemeint sei, geantwortet: „"Jede/r, der/die nicht die Grünen wählt.“ Was aber, wie sich später herausstellte, ironisch gemeint war

Nun hält man mit Blick auf das ZDF zwar einiges für möglich, zumal Ironie nicht zu den Kernkompetenzen dieses Senders gehört. Aber lassen wir das mit den Nicht-Grünen einfach mal so im Feld des Humorigen stehen. Wobei ja angeblich in jedem Witz auch ein Körnchen Wahrheit steckt. Schade allerdings, dass die Nazis von heute nicht mit einer Hakenkreuz-Armbinde durch die Gegend laufen dürfen, weil das Zeigen derartiger verfassungsfeindlicher Symbole bekanntlich unter Strafe steht. Das würde die Sache nämlich sehr vereinfachen. Man bräuchte also dringend eine Art Nazi-Detektor – vielleicht eine iPhone-App, die Piepstöne von sich gibt, sobald jemandem in der näheren Umgebung Nazi-Gedanken durch den Kopf gehen. Das wäre übrigens ein tolles Projekt für die renommierte Kreuzberger Hightech-Startup-Szene. Entsprechende Fördermittel stellt der Berliner Senat bestimmt gern zur Verfügung.
 
Mit einem derartigen Gerät könnte man der wahrhaft mutigen und zweifelsfrei hochanständigen Forderung von wegen „Nazis raus!“ auch endlich Folge leisten und die eindeutig als Nazis identifizierten Subjekte endgültig rausschmeißen. Also raus aus ähm… Na ja, zum Beispiel raus aus der Partei. Die AfD etwa hat sich ja soeben ihres sachsen-anhaltischen Landesvorsitzenden entledigt, weil der mit wiederholten Nazi-Sprüchen unangenehm aufgefallen war. Allerdings ist zu bezweifeln, dass mit diesem Schritt der Aufforderung im Sinne von Sawsan Chebli oder Nicole Diekmann Genüge getan wurde. Die würden das wohl eher unter „Nazis trennen sich von Obernazi“ subsummieren. Wobei noch erschwerend hinzukommt, das Poggenburg keineswegs außer Landes geschafft und in weit entfernten Gegenden „entsorgt“ wurde, um hier einmal die Diktion des Alt-Afd’lers Alexander Gauland zu bemühen. Sondern sogleich die Gründung einer neuen Rechtspartei in Angriff nahm. Dumm gelaufen.

Der bessere Hashtag

Es ist offensichtlich gar nicht so einfach, die Parole der modernen Widerstandskämpfer in die Tat umzusetzen. „Nazis raus!“ klingt zwar betörend apodiktisch, und der nicht minder einprägsame Spruch „Kein Platz für Nazis!“ ist aus gutem Grund in Form einer Aufkleber-Postkarte im SPD-Shop erhältlich (5,25 Euro für 25 Stück). Doch der Teufel steckt wie immer im Detail. Mit einiger Sicherheit lässt sich daraus schließen, dass der Teufel selbst ein Nazi ist. Vor diesem Hintergrund empfehle ich, anstatt „Nazis raus!“ einfach „Zur Hölle mit den Nazis!“ zu fordern. Das klingt mindestens genauso gut, ist aber wesentlich konkreter. Dann klappt es vielleicht auch endlich mit dem von Frau Chebli angemahnten „Konsens unter Demokraten“. Für die Partisanen des Internets stelle ich hiermit sogar kostenfrei den erforderlichen Hashtag zur Verfügung: #ZurHoelleMitDenNazis. Ich hoffe, Sawsan Chebli und unsere Demokratie wissen diesen Dienst zu schätzen.

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