#Metoo-Debatte - Nicht alle Männer sind Sexisten. Aber

In der #Metoo-Debatte sind dieselben Abwehrmechanismen zu sehen wie in allen Diskussionen um Sexismus. Unsere Top 8 der häufigsten Einwände und die passenden Antworten

Aussagen wie „Sie hat ja auch einen zu kurzen Rock getragen“ gibt es immer noch häufig / picture alliance
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Lena Guntenhöner ist freie Journalistin in Berlin.

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„Nicht jeder Mann ist ein Problemfall“

Nein, sicher nicht. Aber darum geht es auch nicht. Debatten wie #Aufschrei oder #metoo zeigen ja allein durch die schiere Masse der Beiträge, dass das Problem ein strukturelles ist, dass es immer wieder auftritt, in unterschiedlichen Ausprägungen und unterschiedlicher Intensität, und dass es im Kern darum geht, Macht zu demonstrieren. Die ist in unserer Gesellschaft eben sehr ungleich zwischen den Geschlechtern aufgeteilt. Das zeigen nicht nur der oft zitierte Frauenanteil im neuen Bundestag, sondern auch der in Führungspositionen oder bei C4-Professuren, das höhere Risiko auf Altersarmut, der Gender Pay Gap (bereinigt oder nicht, es bleibt eine Lücke) oder auch „weiche“ Faktoren. Dazu gehören die Tatsachen, dass Frauen in der Werbung immer noch meist als Dekorationsobjekt fungieren und Mädchen und Jungen oft sehr unterschiedlich erzogen werden. Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Zur Beruhigung: Nein, nicht alle Männer sind Sexisten und Frauen können genauso sexistisch sein. Wir halten eben alle gerne an dem fest, was wir kennen, auch wenn uns das selbst einschränkt.

„Frauen sind selbst Schuld“

Aussagen wie „Sie hat ja auch einen zu kurzen Rock getragen, sie hat ja auch geflirtet“ sind immerhin seltener geworden. Das heißt aber nicht, dass sie nicht mehr vorkommen. Im Fall Weinstein hieß es dafür, die Frauen hätten ja karrieretechnisch auch vom Kontakt zum Filmproduzenten profitiert. Immer wiederkehrend und genauso absurd sind auch die Vorwürfe, die Frauen, die sich jetzt äußern, seien „weinerlich“, „hysterisch“ und „aufmerksamkeitsgeil“. Und dass manche Beschuldigungen vielleicht wirklich erfunden sind, ändert nichts an den strukturellen Ursachen des Machtmissbrauchs (siehe oben).

„Die Debatte ist ein alter Hut, so ein paar Ewiggestrige wie Harvey Weinstein wird es immer geben. Ich selbst mache keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen“

Dieses Argument führt sich selbst ad absurdum. Wer für sich selbst bereits Geschlechterunterschiede als größtenteils sozial gemacht erkannt hat, dem sollte doch daran gelegen sein, dass diese Ungleichbehandlung auf gesellschaftlicher Ebene ebenso abgeschafft wird. Und das geht eben nur über Debatten.

„Warum muss das immer so radikal klingen?“

Kleine Vermutung: Vielleicht steckt hinter der Frage auch nur das Klischee, dass Frauen bitte nicht unbequem, wütend, laut oder gar fordernd sein sollen? Bei einer Debatte mit unzähligen Twitter-Beiträgen und Artikeln lässt sich die Forderung nach Differenzierung jedenfalls nicht ganz nachvollziehen. Vielmehr gilt es, danach zu streben, dass nach der Empörungswelle nicht doch viele weitermachen wie bisher.

„Nicht jeder kann ein Sexismus-Experte sein“

Natürlich kann man nicht in jedem Thema drin sein. Was aber viele Männer und Frauen nicht davon abhält, sich trotzdem jederzeit zu Wort zu melden. Wie in jeder anderen Diskussion auch gibt es eben hilfreiche und weniger hilfreiche Beiträge. Sich vorher zu informieren, schadet nie.

„Was darf Mann denn jetzt überhaupt noch?“

Ohne Frage verunsichert es, sich mit Sexismus, Geschlechterrollen und gesellschaftlichen Machtstrukturen auseinanderzusetzen, übrigens nicht nur Männer. Aber warum muss das etwas Schlimmes sein? Vielleicht weil Mann gelernt hat, dass er Schwäche und Selbstzweifel niemals zeigen darf, das Ritterimage könnte ja dahin sein? Wenn aus Verunsicherung Nachfragen entstehen und auch Männer irgendwann merken, dass sie genauso in diesem ganzen Rollenbildkorsett gefangen sind (als Ernährer, als Beschützer, als Eroberer und so weiter) dann wäre doch schon sehr viel gewonnen.

„Männer werden doch auch diskriminiert“

Ja, und das ist schlimm. Wie gesagt, auch Frauen können sexistisch sein. Wir sollten aber Opfer nicht gegeneinander ausspielen. Genau das passiert ja auch, wenn eine Frau eine Geste als diskriminierend empfunden hat, eine andere aber nicht, und es dann heißt, die eine stelle sich eben nur an. Oder wenn es heißt, in der #Metoo-Debatte werde alles in einen Topf geworfen, vom dummen Spruch bis hin zur Vergewaltigung, und man könne das ja gar nicht miteinander vergleichen. Statistisch ist aber belegt, dass Übergriffe überwiegend von Männern ausgehen und das hat – Überraschung – etwas mit der gesellschaftlichen Verteilung von Macht zu tun.

„Der öffentliche Pranger ist nicht der richtige Weg“

Die Entscheidung, welches der richtige Weg ist, sollte wohl nur das Opfer treffen. Das lange Schweigen hat ja denselben Grund wie die Belästigung selbst: ein soziales Gefüge, in dem sich „manche Menschen sehr viel erlauben können, ohne dafür belangt zu werden, und andere so wenig Macht haben, dass sie nicht einmal gehört werden“. Vielleicht wäre in minder schweren Fällen von Sexismus das direkte Gespräch wirklich sinnvoller. Allerdings weiß ich aus eigener Erfahrung, dass man manches auch erst im Nachhinein versteht und es kein zweites Aufeinandertreffen gibt. Und wer solche Forderungen erhebt, sollte sich kurz fragen, ob er oder sie schon mal in einer ähnlichen Situation war.

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