Bayernwahl - Söder for President!

Eigentlich müsste Markus Söder nach der Bayernwahl als Kanzlerkandidat gehandelt werden. Denn immerhin holen er und die CSU die mit Abstand besten Ergebnisse für die Union. Aber für Bayern gelten natürlich andere Maßstäbe. Deshalb gibt es jetzt Belehrungen aus der CDU

Trotz 37 Prozent zerknirscht: In Bayern gelten eben andere Maßstäbe, auch für Markus Söder / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Die erstaunlichste Nachricht vom gestrigen Wahltag stammt nicht aus Bayern, sondern aus Brandenburg. Dort, in der Landeshauptstadt Potsdam nämlich, gelang einem SPD-Kandidaten etwas, das dessen Partei kaum noch zugetraut wird: Wahlen zu gewinnen. Mike Schubert heißt der Mann, und mit laut vorläufigem Endergebnis 55,3 Prozent setzte er sich beim Rennen um das Amt des Oberbürgermeisters gegen die parteilose Kandidatin der Linken durch. Doch dieser Erfolg geht natürlich unter angesichts des verheerenden Ausgangs der Landtagswahl für die bayerischen Sozialdemokraten: 9,7 Prozent aller abgegebenen Stimmen sind ein sicheres Zeichen für den weiteren Niedergang, da mag der Freistaat traditionell noch so schwierig für die SPD sein. Mit einem einstelligen Ergebnis in einem westdeutschen Flächenland endet faktisch der politische Gestaltungsanspruch einer einst staatstragenden Partei.

Bindekraft der CSU nach wie vor stark

Besonders bitter für die SPD: Sie konnte vom miserablen Image der CSU nicht, aber auch gar nicht profitieren – es ging bei ihr sogar noch steiler bergab als bei den Christsozialen: Nach vorläufigem Endergebnis steht da ein Minus von 10,9 Punkten, während die Partei von Ministerpräsident Markus Söder immerhin „nur“ um 10,5 Punkte auf jetzt noch 37,2 Prozent absackte. Tatsächlich mögen diese 37,2 Prozent jenem „Beben“ gleichkommen, von dem nun allenthalben zu lesen ist. Man könnte die Zahl aber auch anders lesen, nämlich als Ausweis einer nach wie vor äußerst starken Bindekraft, die die CSU zu entfalten vermag.

Deren Ausgangslage war ja nun alles andere als günstig, verglichen mit der Situation vor fünf Jahren: Der Spitzenkandidat erst seit einem halben Jahr im Amt, noch dazu ohne landesväterlichen Beliebtheitsbonus. Die Partei selbst erschien zerrissen zwischen dem Amtsinhaber und dessen erratisch agierendem Amtsvorgänger und Noch-Parteivorsitzenden Horst Seehofer. Hinzu kam die Belastungsprobe durch Merkels Migrationspolitik und ein für die Wähler kaum noch nachvollziehbares Mäandern durch politische Untiefen zwischen Populismus und Pragmatismus – vom Kreuzerlass bis zu den gelegentlichen Grenzkontrollen. Dass da immerhin noch knapp 40 Prozent aller stimmberechtigten Bürger der CSU ihre Stimme gaben, zeugt von einem gewissen Grundvertrauen in die selbsternannte bayerische Staatspartei.

Die Grünen sind die Metropolen-Partei

Die absolute Mehrheit ist trotzdem verloren, sehr wahrscheinlich für immer. Denn die Grünen haben sich gestern wohl endgültig als neue Metropolen-Partei im Freistaat etablieren können. Sie sind gewissermaßen zum Lager einer gefühlslinken Wohlfühl-Klientel geworden, die mit der christsozialen Hemdsärmeligkeit ebenso wenig anzufangen wissen wie mit einer SPD, die den identitätspolitischen Trends – von Gender bis zu Religion – erkennbar nur noch hinterherläuft. Der ideologische Graben zwischen den größeren Städten auf der einen und der sogenannten Provinz auf der anderen Seite scheint auch in Bayern kaum noch überbrückbar zu sein. Darin liegt die eigentliche Herausforderung für die CSU. Für sie ist die AfD zwar auch ein Problem, aber deren Ergebnis von nur knapp über 10 Prozent war gestern vergleichsweise bescheiden. Mit zunehmender Radikalisierung könnte die AfD als rechtes Sammelbecken enden – zumindest in Bayern, wo Alternativen von Christsozialen schon immer etwas anders ausbuchstabiert wurden als im Rest der Republik.

37,2 Prozent also für die CSU: Grund genug zum Jubel für alle, die diese Partei schon immer für einen reaktionären Haufen gehalten und fast verzweifelt daran geglaubt haben, dass sich die Erfolge des Freistaats in Wirtschaft, Bildung, innerer Sicherheit und nicht zuletzt auch bei der Integration praktisch ohne politisches Zutun eingestellt haben. Dabei wäre ein Ministerpräsident, dem solch ein Wahlergebnis gelingt, unter normalen Umständen ein sicherer Aspirant für eine Kanzlerkandidatur. Nur mal zur Erinnerung: Die Merkel-CDU ist laut Umfragen schon seit längerem unter die 30-Prozent-Schwelle abgetaucht. Aber da Söder nun einmal Söder und Bayern eben Bayern ist, haben hier andere Maßstäbe zu gelten. Für diesen Erkenntnisgewinn ist dann auch gern der eine oder andere Ministerpräsident von der Schwesterpartei CDU behilflich.

Die Anmaßung von Daniel Günther

Zum Beispiel Daniel Günther aus Schleswig-Holstein, der seit seinem beeindruckenden 32-Prozent-Erfolg im vergangenen Jahr einer Jamaika-Regierung vorsteht und sich deshalb offenbar als Zukunftsmodell für die Union versteht. Günther ließ gestern jedenfalls im Handelsblatt verlauten, die CSU müsse jetzt „insgesamt über ihre Führung nachdenken“. Er wolle zwar keine einzelnen Namen nennen, so Günther, bevor ihm dann doch spontan zwei einzelne Namen einfallen: Horst Seehofer und Alexander Dobrindt. Und weiter: „Markus Söder kenne ich zu wenig, was aber eindeutig ist: Der Politikstil, den die CSU pflegt, passt nicht mehr in die Zeit.“

Mit anderen Worten: Die Politik genau jener Partei, die innerhalb der Union immer noch die mit Abstand besten Ergebnisse holt, ist abgemeldet. Zumindest aus der norddeutschen Sicht eines vor sich hin orakelnden Merkel-Adepten. Ob dessen Weissagungen aber auch in bayerischen Gefilden offene Ohren finden? Die dortigen Grünen werden jedenfalls heftig dazu nicken. Und das ist ja die Hauptsache.

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