„Maischberger“ zum Einfluss des Islam - Wenn ein Muslim Präsident wird

Wie viel Einfluss übt der Islam aus? Darüber diskutierte Sandra Maischberger mit ihren Gästen. Vorher lief die TV-Verfilmung des Romans „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq. Mit Houellebecqs Roman hatte die Diskussion nicht viel zu tun, stattdessen ging es vornehmlich um Symboldebatten

Das Kreuz ist ausgehöhlt: Edgar Selge in der Theateradaption des Romans „Unterwerfung“ im Hamburger Schauspielhaus / picture alliance
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Autoreninfo

Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

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Wer bei Twitter den Hashtag #Maischberger eingibt, findet Tweets zweier Fronten: Die Islamisierungsgegner mit Aussagen wie „Je mehr Moslems in einem Land sind, desto schneller geht das Land zurück ins 7. Jahrhundert“. Und die „Kampf gegen rechts“-Front mit Tweets à la „Wie lange möchte die ARD dem aufkeimenden Faschismus noch hofieren?“ In der veröffentlichten Meinung scheint letztere dominant zu sein.

Wie schon für Frank Plasbergs „Hart aber fair“-Sendung zum Thema „Flüchtlinge und Kriminalität“ hagelte es auch für Sandra Maischberger im Voraus Kritik und Vorwürfe. Die Talkshow stellte die Frage „Sind wir zu tolerant gegenüber dem Islam?“ zur Debatte. Der Titel spalte Deutschland in ein „wir“ gegen „den Islam“, riefen Kritiker. Die anschließende Änderung in „Wo endet die Toleranz?“ konnte an den Vorwürfen nichts ändern. „Und schon wieder ein AfD-Thema in einer Talkshow“, titelte eine Zeitung genervt. Die Süddeutsche Zeitung beklagte, „die Häufigkeit und der alarmistische Ton der Debatten“ seien „unverhältnismäßig“. Das Jugendportal bento verglich Maischberger sogar mit der rechtsnationalistischen Zeitschrift Compact.

Fragwürdige Gäste-Wahl

Die Süddeutsche Zeitung hat recht, wenn sie alle Diskussionsrunden zu dem Thema Islam als Scheindebatten anprangert. Diese spalten unsere Gesellschaft – abgesehen davon, dass sie schon längst gespalten ist. Daran hatte in der gestrigen Runde auch Haluk Yildiz, Bundesvorsitzender der Kleinpartei Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG), einen nicht unerheblichen Anteil. Der Erdogan-Freund zückte gleich zu Beginn die Opferkarte. Seine Beiträge lassen sich in etwa so zusammenfassen: Mit dem Islam gibt es eigentlich gar keine Probleme, wir müssen alle nur toleranter sein und dürfen nicht pauschalisieren. Allen liberalen und kritischen Muslimen hat er mit seinem Auftritt einen Bärendienst erwiesen. Warum wurde eine dubiose Gestalt wie er, aber kein reflektierter Islamwissenschaftler vom Typ Navid Kermani eingeladen? Zum Beispiel anstelle von Spiegel-Journalist Jan Fleischhauer, der als gemäßigter Konservativer mit ironischem Grinsen diesmal die meiste Zeit überflüssig blieb.

Yildiz hatte sich somit schnell lautstarke Gegner gemacht: Die CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner, die ihr Buch wider das Kopftuch und die Vielehe bewarb, und die Publizistin Necla Kelek mit gewohnt scharfen Vorwürfen gegen den politischen Islam. Neben Fleischhauer war zudem auch Bettina Gaus von der taz eingeladen, die eher ruhige Töne anschlug.

Houellebecqs „Unterwerfung“

Vor der Sendung lief die Verfilmung des Bestseller-Romans „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq. Jene Dystopie über ein Frankreich im Jahr 2022, in der sich sämtliche bürgerliche Parteien mit einer gemäßigten islamischen Partei verbünden, um Marine Le Pen als Präsidentin zu verhindern – wodurch der charismatische Muslim Mohammed Ben Abbès an die Macht kommt und die Scharia etabliert. Eine TV-Kritik ist nicht nötig, denn die Verfilmung in typisch einfallsloser ARD-Spielfilm-Ästhetik ist enttäuschend und erreicht bei weitem nicht die Radikalität der großartigen Romanvorlage, in der Houellebecq mit boshafter Lakonie die Rückratslosigkeit und den Opportunismus der libertär-selbstbezogenen intellektuellen Elite im Westen bloßstellt.

Bei Maischberger spielten die blinden Flecken, die Houellebecq in „Unterwerfung“ wie in allen seinen Romanen beleuchtet, kaum eine Rolle: Die kalte Kehrseite der sexuellen Liberalisierung, wenn Sex und Liebe pornographisiert und den Regeln der Marktökonomie unterworfen werden; die transzendentale Obdachlosigkeit und die Unfähigkeit zu Verbindlichkeit im spätmodernen Zeitalter der Beliebigkeit; die Korrumpierbarkeit der gutsituierten Liberalismus-Prediger. Nur Jan Fleischhauer ließ einen solchen Aspekt kurz aufblitzen, als er das zeitgeisthörige Wellness-Christentum deutscher Kirchenvertreter kritisierte und konstatierte: „Ein Teil des Unbehagens über Muslime in diesem Land ist, dass die noch an etwas glauben.“

Viele Symboldebatten

Ansonsten ging es vor allem um Symboldebatten: Schweinefleischverbot in Kitas; Muslima, die nicht am Schwimmunterricht teilnehmen wollen; Umbenennung des St.-Martins-Fest in Laternenfest; Imame, die Frauen den Handschlag verweigern. Julia Klöckner berichtete von einer solchen Erfahrung mit einem Iman und befürchtete, eine Einschränkung der Frauenrechte durch den Einfluss des Islam. Das Beispiel spräche für ein „krudes Frauenbild“. Haluk Yildiz spulte dazu die üblichen Stigmatisierungsvorwürfe ab: Er forderte, man müsse den theologischen Hintergrund verstehen und warf Klöckner vor, nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen.

Auch in die symbolische Bedeutung der Verschleierung von Frauen interpretiere sie zu viel hinein. „Woran machen Sie Gleichberechtigung fest?“, fragte er empört. Frauen verschleierten sich freiwillig, es gäbe kein Beispiel, in denen eine Frau dazu gezwungen werde. Auch das von Kelek kritisierte Familienrecht samt Ehezwang, das sie als menschenverachtend bezeichnete, sah Yildiz nicht. Im Islam dürfe es gar keinen Zwang geben. Spätestens an dieser Stelle hätte man am liebsten den Fernseher ausgeschaltet, würde man nicht dafür bezahlt, sich die Sendung anzusehen und darüber zu schreiben. Sie könne diese Muster der Erklärung nicht mehr hören, entgegnete Klöckner genervt: „So wird Integration nie gelingen“, sagte die CDU-Politikerin.

Die altbekannten Meinungen

Und sonst die bekannten Meinungen: Necla Kelek schließt das Schreckensszenario eines islamisierten Deutschlands nicht aus, dem Islam spricht sie ab eine Religion zu sein. Er sei schon immer auch Politik gewesen und hätte jede Chance zur Reformierung nicht genutzt. Sie verwies auf den Umgang mit Mädchen an Schulen mit hohem Migrationsanteil. Man erreiche diese Kinder nicht mehr –  Schuld daran sei, dass Deutschland seine Werte nicht vertritt. „Wir dürfen die Kinder nicht den Verbänden überlassen“, forderte sie. Bettina Gaus entgegnete, Schuld daran sei nicht die hohe Anzahl der Muslime. Schulen mit 80 Prozent Migranten seien ein Problem, weil viele kein Deutsch sprechen. Deutsche Eltern suchten sich dann andere Schulen, aus Angst, dass die Defizite sich auf ihrer Kinder auswirken. Schuld sei also die Schulpolitik, die nicht genug Geld für Förderunterricht in die Hand nehme.

Zu Schweinefleischverzicht und Umbenennungen von Weihnachts- und St.-Martins-Märkten sind sich die meisten einig: Wenn sich alle einig sind, dass kein Schweinefleisch gegessen werde, sei es in Ordnung. Wenn mehr Muslime in Kitas sind, sei es legitim, in Frage zu stellen, ob es Schweinefleisch geben muss – es gäbe ja genug anderes. Wobei an dieser Stelle die Frage interessant gewesen wäre, was mit den Minderheitenrechten der deutschen Kinder in diesen Kitas ist. Kelek kritisiert eine ihrer Auffassung nach herrschende Forderungs-Mentalität bei Muslimen. „Keine andere Religion fordern so viel im Alltag wie Muslime“, kritisierte sie. Fleischhauer hingegen sieht einen vorauseilenden Gehorsam bei Deutschen, der von Muslimen oftmals gar nicht erwartet würde.

Verschärfung der Spaltung?

Bettina Gaus findet Schweinefleischverbote und Marktumbenennungen lächerlich und falsch, kritisierte aber die symbolische Aufladung der Debatten und forderte mehr Lebensnähe und sozial verträgliche Lösungen. Was sie stört sei, dass diese Debatten missbraucht würden, um generelles Misstrauen zu säen. Grundsätzlich sieht Gaus kein Schreckensszenario, da sie relativ „rechtspositivistisch“ sei. Solange es geltendes Recht in Deutschland gibt, hätte sie auch kein Problem mit einer Muslima als Kanzlerin.

Interessant wurde es nur noch an einer Stelle, als eine Nähe von konservativen Muslimen und konservativen Biodeutschen zum Vorschein kam. Yildiz kritisierte das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare, den „Genderwahn“ und die Frühsexualisierung an Grundschulen – eine Einstellung, die auch die AfD vertritt.

Nach schnell verflogenen 60 Minuten war’s das auch schon. In den Leitmedien ist man sich hinterher einig, dass der ARD den Rechtsruck im Land befördere. Aber wo sind eigentlich diejenigen, die es nicht hysterisch finden, darauf hinzuweisen, dass Imame in Moscheen die Jugend mit ihrer Ideologie vergiften? Und die es genauso schlimm und ekelhaft finden, dass es 2017 fast 1.000 Angriffe auf Muslime und Moscheen gab? Und die keine der beiden Entwicklungen verharmlosen wollen?

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