Der Fall Robert Möritz - Möwe gegen „Schwarze Sonne“

Die CDU Sachsen-Anhalt stellt ihrem rechtsextrem vorbelasteten Lokalpolitiker Robert Möritz ein Ultimatum. Über ein Parteiausschlussverfahren soll nach Weihnachten entschieden werden. Die Magdeburger Kenia-Koalition ist damit fürs Erste gerettet – wenn auch ein Tattoo verschwindet

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht in Magdeburg / Moritz Gathmann
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Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Die Frage, wie die CDU es hält mit einem von Rechtsextremismus-Vorwürfen belasteten Lokalpolitiker aus den eigenen Reihen, wird an diesem Abend in besinnlicher Kulisse beantwortet: Im Café des Magdeburger Liebfrauenklosters, neben einem festlich geschmückten Tannenbaum, schlägt Holger Stahlknecht, Innenminister und CDU-Vorsitzender von Sachsen-Anhalt, zumindest verbal einen Pflock gegen Rechts ein. „Kein Platz“ sei in der CDU Sachsen-Anhalt „für Extremisten jeglicher Form.“ Es dürfe „ungeachtet einer strafrechtlichen Relevanz, keine Verwendung von verfassungsfeindlichen Kennzeichen in der CDU Sachsen-Anhalt geben.“

Robert Möritz, Beisitzer des Kreisvorstands im CDU-Verband Anhalt-Bitterfeld, bekommt damit ein Ultimatum gestellt: Bis zum 27. Dezember muss er sich schriftlich zu seinem bisherigen Lebenslauf und „Aktivitäten und Vernetzungen in der rechtsextremistischen Szene“ erklären und wenn er in der CDU bleiben will, sein Tattoo – die unter Neonazis populäre „Schwarze Sonne“ – entfernen lassen. Oder „sich eine Möwe“ darübertätowieren lassen, wie Stahlknecht an diesem ansonsten eher ernsten Abend witzelt.

Parteiausschlussverfahren droht nach wie vor

Der 29-jährige, der erst im Sommer 2018 in die CDU eingetreten war, musste vor einer Woche einräumen, 2011 Ordner auf einer Neonazi-Demo gewesen zu sein, nachdem er dies zunächst abgestritten hatte. Seine ebenfalls bekanntgewordene Mitgliedschaft im umstrittenen Verein „Uniter“ beendete er erst auf Druck der Parteigenossen. Der umstrittene Verein, der laut Bundesregierung „derzeit kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes“ ist, wehrte sich am Donnerstag in einem offenen Brief gegen eine Äußerung der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer:

„Sie stellen als amtierende Bundesministerin durch diese Äußerung die Rechtsstaatlichkeit in diesem Land in Frage, aufgrund einer offensichtlich mangelnden Recherche Ihrer Mitarbeiter“, heißt es in dem Brief. AKK hatte der Süddeutschen Zeitung zuvor gesagt: „Jeder sollte sich bewusst sein, dass man sich mit einer Mitgliedschaft in Uniter und mit dem Tragen von Uniter-Symbolik selbst dem Verdacht aussetzt, in der Nähe rechtsextremer Netzwerke und Chats zu stehen.“

Erklärung bis Jahresende

Der bei Uniter ausgetretene Möritz soll nun noch vor Jahresende, am 28. Dezember die Chance bekommen, sich vor dem Landesvorstand zu erklären, dann wird eine Entscheidung darüber getroffen, ob ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet wird. Sollten allerdings bis zu diesem Termin „neue Umstände auftreten, die Herr Möritz nicht offengelegt hat“, wird „unverzüglich“ ein Parteiausschlussverfahren eröffnet.

Innenminister Stahlknecht hatte zuvor gemeinsam mit Ministerpräsident Reiner Haseloff, Generalsekretär Sven Schulze und den Kreisvorsitzenden über das weitere Vorgehen beraten. Die hatten bei einer Enthaltung einstimmig für den Entschluss gestimmt, darunter auch der Vorsitzende des Kreisverbands, in dem Möritz Beisitzer ist.

Rhetorisches Auf- und Abrüsten

Damit scheint die Magdeburger Kenia-Koalition aus CDU, Grünen und SPD kurz vor Weihnachten erst einmal gerettet. Noch am Wochenende hatten sich die Koalitionspartner mit Vorwürfen überhäuft – die CDU hatte schließlich mit einem Bruch der Koalition gedroht, wenn sich die Grünen nicht entschuldigten für ihre Pressemitteilung, die überschrieben war mit der Frage „Wie viele Hakenkreuze haben Platz in der CDU?“. Inzwischen haben aber alle beteiligten Parteien rhetorisch abgerüstet.

An der fragilen Grundkonstellation hat sich jedoch nichts geändert: Grüne und SPD sind in Sachsen-Anhalt eher linker als im Bundesdurchschnitt, die CDU dagegen rechter. Im Landesverband existiert ein lautstarker „Konservativer Kreis“, der mit der AfD liebäugelt und auf dem jüngsten Parteitag dafür sorgte, dass eine von der AfD tolerierte Minderheitsregierung zumindest nicht explizit ausgeschlossen wurde und der Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ in das Positionspapier Eingang fand.

Haseloff schweigsam, AKK findet Worte

Innenminister Holger Stahlknecht, der die Partei seit vergangenem Jahr führt und der als möglicher Nachfolger von Ministerpräsident Reiner Haseloff gilt, ist nach mehreren Fehltritten angeschlagen. Haseloff zeigte sich am Donnerstagabend schmallippig und schlecht gelaunt: Den Saal in der Magdeburger CDU-Zentrale, in dem Stahlknecht und die Kreisvorsitzenden tagten, betrat er erst, nachdem die Kameras den Raum verlassen hatten. Auf der anschließenden Pressekonferenz fehlte er.

Zuvor hatte sich dann auch die CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer am Donnerstag zur Causa Möritz geäußert. Tagelang hatte sie zuvor geschwiegen. Dem Lokalpolitiker sei Vertrauen eingeräumt worden, teilte sie mit. „Sollte dies missbraucht worden sein, dann bin ich der Auffassung, dann müssen entsprechende Konsequenzen eben auch gezogen werden“, sagte AKK.

Integration konservativ-nationaler Kräfte

Stahlknecht nutzte die Pressekonferenz dann noch für eine klare Ansage: „Mit uns gibt es keinen Rechtsruck.“ Auch eine Minderheitsregierung unter Tolerierung der AfD schloss er kategorisch aus. Gleichzeitig gab er zu bedenken: „Wenn 25 Prozent der Menschen AfD wählen, dann brauchen wir auch Antworten für diese Klientel und entsprechende Personalien.“ Das ließ ein wenig erkennen, warum der Innenminister den Polizeigewerkschaftsfunktionär Rainer Wendt als Staatssekretär vorgesehen hatte.

Schon dieser Plan hätte beinahe zum Bruch von Kenia geführt, scheiterte schließlich aber auch daran, dass wenn wegen eines laufenden Diszplinarverfahrens nicht hätte befördert werden können. Im Grundlagenpapier steht zu dieser Personalstrategie: „Die Integration konservativ-nationaler Kräfte in die politische Mitte der Gesellschaft ist ein Anliegen der CDU.“

Fundgrube Robert Möritz

Robert Möritz selbst hat sich seit der Kreisvorstandssitzung auf Empfehlung der Parteispitze nicht mehr öffentlich geäußert. Sein Wohnhaus wurde derweil tagelang von einem Kamerateam belagert.

Seinem Kreisverband gegenüber hatte er erklärt, mit der rechtsextremen Szene nichts mehr zu tun zu haben. Allerdings hatte er in den sozialen Netzwerken noch 2017 Songs von Rechtsrockbands verbreitet. Zudem wurde nun bekannt, dass dem MDR Aufnahmen aus dem Jahr 2014 vorliegen, die Möritz mit Mitgliedern der aus Halle stammenden Neonazi-Band „Barricades“ zeigten.

Möritz selbst hatte seine „Enttarnung“ im Dezember selbst ins Rollen gebracht. Auf Twitter hatte der Hallenser Juso Igor Matviyets die CDU gefragt, wie es sein könne, dass die Christdemokraten in Sachsen-Anhalt in ihr Grundlagenpapier schreiben, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Möritz antwortete: „Der Islam ist mit den christlichen Werten, auf denen Deutschland aufgebaut ist, nicht vereinbar“. Der angebliche „Rechtsruck“ in der CDU sei in Wirklichkeit „ein Schritt hin zur Seele der CDU“. Ab diesem Punkt durchforsteten Journalisten Möritz' Vergangenheit – und wurden fündig.

Nachtrag: Einen Tag nach der Krisensitzung der CDU Sachsen-Anhalt ist Robert Möritz aus der CDU ausgetreten. Laut der Tageszeitung Die Welt begründet er diesen Schritt so: „Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden und politische Diskussionen zu befrieden, möchte ich hiermit ein persönliches Zeichen setzen. Manchmal bedarf es der Besinnung auf die wahren Prioritäten im Leben." 

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