Machtkampf um Kanzlerkandidatur - Mit aller Härte

Der Showdown zwischen Markus Söder und Armin Laschet vor der Unionsfraktion ging zugunsten der CSU aus. Gleichwohl kann der CDU-Chef jetzt nicht auf die Kanzlerkandidatur verzichten. Beharrt die CDU auf ihrem Vorschlagsrecht, bleibt Söder nur der Rückzug. Der Schaden für alle ist schon da.

Die Kontrahenten Markus Söder und Armin Laschet an diesem Dienstag / picture alliance
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Wer es gut mit der Union meint, wird sagen, die sehr offene und sehr kontrovers Diskussion zwischen CDU und CSU wie innerhalb der gemeinsamen Bundestagsfraktion ist ein Zeichen für eine lebendige, diskussionsfreudige Partei.

Wer es schlecht meint mit der Union, wird sagen: Die Zerstrittenheit in der Frage der Kanzlerkandidatur ist ein weiterer Beleg für die Sozialdemokratisierung von CDU/CSU – nicht nur inhaltlich, sondern auch beim Kampf jeder gegen jeden.

Wer realistisch auf die Union schaut, muss zu dem Ergebnis kommen: Der hart geführte Kampf zwischen dem CDU-Vorsitzenden Armin Laschet und Markus Söder (CSU) erhöht die Chancen von Grünen, SPD, FDP und Linkspartei, eine Regierung gegen die CDU/CSU zu bilden. 

Nach dem Gezerre der letzten Tage wird der Kanzlerkandidat von CDU/CSU – ganz gleich, wie er heißt – beschädigt und geschwächt in die Wahlschlacht ziehen.

In der Fraktion gab es einen klaren Sieger und einen klaren Verlierer. Von insgesamt 68 Rednern sprachen sich 44 für Söder aus, darunter 16 von der CSU. Laschet wurde von 22 Abgeordneten unterstützt, davon allein 16 aus dem von ihm regierten Nordrhein-Westfalen. Es äußerten sich also auch aus den Reihen der CDU mehr Söder- als Laschet-Anhänger. In der Aussprache bestätigte sich, dass die Union eine pragmatische Machtmaschine ist und kein auf Ideologie und Programmatik fokussierter Diskussionszirkel. Da alle Umfragen Söder die besseren Wahlchancen gegen die Grünen einräumen als Laschet, hoffen viele CDU-MdBs, ihren Wahlkreis im Windschatten des CSU-Mannes verteidigen zu können. Die CSU-Abgeordneten stehen ohnehin stramm zu ihrem Parteichef.

Bitterer Nachmittag für Laschet

Für den CDU-Vorsitzenden Laschet war es ein bitterer Nachmittag. Vielen, aus seiner Sicht zu vielen CDU-Parlamentariern ist es gleichgültig, dass Präsidium und Vorstand der Partei sich am Montag einmütig für Laschet ausgesprochen haben. Sie verübeln auch Söder sein Foulspiel nicht. Denn er überlässt eben nicht, wie versprochen, „ohne Groll“ Laschet den Vortritt, wenn die CDU sein Angebot, für das Kanzleramt zu kandidieren, nicht annimmt. Das Fazit Laschets nach fast vierstündiger Beratung, „es geht keiner gestärkt und geschwächt daraus hervor“, war reines Wunschdenken. 

Söder hat den Kampf bewusst in die Fraktion getragen, also dahin, wo die wichtigsten Wahlkämpfer versammelt sind. Für viele Abgeordnete geht es am 26. September ganz konkret um die eigene politische und berufliche Existenz. Da kennen viele keine (Schwester)Parteien mehr, sondern nur noch den Wunsch nach einem Stimmenmaximierer. Allerdings hat die Fraktion keinen Aufstand gewagt. Niemand hätte die 245 Abgeordneten daran hindern könnte, in geheimer Wahl über eine Empfehlung für die Kanzlerkandidatur abzustimmen, wenn sie das mehrheitlich gewollt hätten. Aber so rebellisch sind die Unions-Abgeordneten dann doch nicht. Die Mehrheit derer, die sich äußerten, signalisierte, dass ihnen Söder lieber wäre – aber nicht mehr.

Heute sind CDU und CSU nicht weiter als am Sonntag nach Söders offizieller Ankündigung seiner Kanzlerambitionen – sie wollen weiter nach einer „gemeinsamen Lösung“ suchen. Das geht aber nur, wenn einer der beiden Konkurrenten verzichtet, und zwar möglichst schnell. Danach sieht es freilich nicht aus. Söders stärkstes Argument, nämlich seine guten Umfrageergebnisse, kontert Laschet mit dem Hinweis, „die großen Kanzler waren nicht immer die Lieblinge der Medien“. Allerdings waren schlechte Umfrageergebnisse ebenso wenig Garant für überzeugende Wahlerfolge.

Laschet kann nicht verzichten

Laschet kann im Grunde nicht verzichten. Dann müsste er ebenfalls den Parteivorsitz abgeben. Die Lage ist nämlich anders als 2002, als Angela Merkel zugunsten des CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber verzichtete. Denn die CDU-Vorsitzende Merkel hatte damals die Schwergewichte innerhalb der eigenen Partei, anders als jetzt Laschet, gegen sich. Söder wiederum kann kein Interesse daran haben, mit einer kopflosen CDU in die Wahlschlacht zu ziehen. Mag Söder in der Fraktion auch der Gewinner gewesen sein, der Sieger im Kandidatenrennen ist er keineswegs. Falls nämlich die CDU als die größere der beiden Parteien auf ihrem, von Söder nie bestrittenen Vorschlagsrecht beharrt, bliebe dem bayerischen Ministerpräsidenten nur seinerseits der Rückzug. 

Laschet hat immer noch die besseren Chancen. Für seine Ausrufung als „gemeinsamer“ Kanzlerkandidat böte sich folgender Text an: „Die CSU hat davon Kenntnis genommen, dass die CDU als die größere Partei den Anspruch erhebt, den Kanzlerkandidaten zu stellen. Die CSU hält an ihrem Anspruch fest, dass ihr Vorsitzender der geeignete Kandidat ist.“ So lautete das Kommuniqué von CDU und CSU, als Helmut Kohl 1975 gegen den Willen von Franz Josef Strauß Kanzlerkandidat wurde. Übrigens: Kanzler wurde Kohl damals trotz beachtlicher 48,6 Prozent der Stimmen nicht.

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