Karl Lauterbach - Der Kurier mit der schlechten Nachricht

Karl Lauterbach hat ein Buch geschrieben - „Bevor es zu spät ist“ lautet der dystopische Titel. Damit setzt der neue Gesundheitsminister seine Kommunikation der Hoffnungslosigkeit fort. Und die nächste schlechte Kunde steht bereits vor der Tür: Es gibt zu wenig Impfstoff für das erste Quartal.

Karl Lauterbach musste gleich zu Beginn seiner Amtszeit verkünden, dass die Impfstoffmengen nicht ausreichen / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

So erreichen Sie Ralf Hanselle:

Anzeige

Die Politik stellt sich der Realität. Zumindest in der Welt von Karl Lauterbach. Oder genauer: im demnächst erscheinenden Buch des frisch erkorenen SPD-Gesundheitsministers. „Bevor es zu spät ist“ lautet dessen dystopischer Titel, mit dem der Mediziner mahnend darauf hinweist, „was uns droht, wenn die Politik nicht mit der Wissenschaft Schritt hält“, so der Untertitel. Als da nämlich wären: Wassermangel, Artenschwund, Klimawandel, ja „womöglich noch schlimmere Pandemien“.

Die Stoßrichtung ist also mindestens niederschmetternd. Und dennoch wird wohl auch die jüngste, im Februar erscheinende Schreckensvision des Karl Lauterbach ein wahrer Bestseller werden; erinnert ihr Titel in seiner düsteren Programmatik doch mindestens an Hoimar von Dittfurths Öko-Offenbarung „So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen. Es ist soweit“.

Die Apokalypse ist nahe

Doch bei Karl Lauterbachs Zusammenprall zwischen Politik und Realität wird nicht einmal ein junger Obsttrieb in Mutter Erde gelassen. Sein „bevor es zu spät ist“ scheint weniger präventiv denn temporal gemeint zu sein. Denn so oder so: Die Apokalypse ist nahe. Wer den Gesundheitsökonomen in den zurückliegenden Jahren durch die Plauderformate der diversen Fernsehanstalten hat talken sehen, der ahnt ohnehin die Hoffnungslosigkeit, die es jetzt einfach nur noch auszuhalten gilt. Trugen seine früheren Bücher noch Titel, hinter denen sich ein großes sozialdemokratisches Kämpferherz verbergen konnte („Der Zweiklassenstaat“ oder „Gesund im kranken System“), so scheint gegen die Herausforderungen der Gegenwart selbst ein entfesselter Robin Hood nicht mehr weiterzuhelfen.

Und so hat sich Lauterbach in den zurückliegenden Jahren mehr und mehr vom Kämpfer zum Kurier mit der schlechten Nachricht gewandelt. In dieser Rolle ist er inzwischen derart gut bewandert, dass man ihm auch die schlimmste Kunde nicht übel nehmen will. Und die derzeit schlimmste lautet: „Für das gesamte erste Quartal ist viel zu wenig Impfstoff gekauft worden.“ Eine Hiobsbotschaft. Gestern hat sie der neue Bundesgesundheitsminister in Gegenwart seiner Kollegen aus den Bundesländern verkündet. Zusammen mit den Fachabteilungen seines frisch bezogenen Hauses nämlich hat sich Lauterbach bereits Ende letzter Woche einen Überblick über die vorrätigen Mengen an Covid-Impfstoff sowie über die bisherigen Lieferverträge gemacht. Das Ergebnis: „Die Mengen reichen nicht, um die Booster-Impfkampagne zu fahren.“ Später wederholte er diesen neuesten Tiefschlag in der deutschen Corona-Strategie noch einmal in den Tagesthemen der ARD: „Wir haben einen Impfstoffmangel für das erste Quartal.“

Zu wenig Impfstoff

Es war, als hätte Lauterbach nun auch das letzte der sieben Siegel aufgebrochen. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel nämlich sollen sich die Länderminister entsetzt über das Ergebnis seiner Impfinventur gezeigt haben. Zumal es auch in diesem Fall mal wieder wenig Grund zur Zuversicht gibt: Die Situation nämlich soll sich im Februar und März nicht wirklich bessern, auch wenn Lauterbach versprach, sich bei den Herstellern und bei anderen Regierungen für die deutsche Booster-Kampagne ins Zeug zu legen. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) meinte später gar, die Länderminister hätten ihn darin bestärkt, es bei seiner Beschaffungsaktion auch mit „unkonventionelle Methoden“ zu versuchen.

Bevor es also, um Lauterbachs Buchtitel noch einmal zu zitieren, wieder einmal zu spät ist, sollte zumindest der Bürger jetzt mit Bedacht handeln und Besonnenheit walten lassen: Wirklich gefährdet, einen schweren Covid-19-Verlauf zu erleiden, sind nämlich auch in diesem Winter vor allem die Alten und die Vulnerablen. Da wäre es vielleicht besser, die Jüngeren und Gesunden ließen diesen in der nun bekannt gewordenen Mangelsituation den Vortritt und würden die eigene Auffrischungsimpfung noch etwas nach hinten rausschieben. Halten wir also den apokalyptischen Reiter noch etwas im Zaum. Die Zivilgesellschaft wird am Ende vieles weit besser und pragmatischer managen können, als ihr eine Panik verbreitende Politik gerne weismachen möchte. Die Zukunft ist machbar. Auch in der Krise.

Anzeige