Koalitionsvertrag - Ein Schlag ins Gesicht für viele Christdemokraten

Die Union verzichtet beim Koalitionsvertrag auf fast jede eigene inhaltliche Position. Statt um eine gute Politik geht es nur noch um den Machterhalt der Kanzlerin. Doch der Widerstand wächst. Viele Konservative wollen sich nicht mehr aus der Partei vertreiben lassen. Ein Gastbeitrag von Alexander Mitsch

Seehofer, Merkel, Schulz: Koalition der großen Verlierer / picture alliance
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Alexander Mitsch ist Vorsitzender der WerteUnion, einem konservativen und wirtschaftsliberalen Dachverband innerhalb der CDU und CSU, der auch Freiheitlich-konservativer Aufbruch (FKA) genannt wird.

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Die Koalition mit der SPD wird für die Union schon vor der offiziellen Fortsetzung zum Debakel. Denn der Koalitionsvertrag trägt in wesentlichen Inhalten die Handschrift der SPD, die vornehmlich daran interessiert ist, ihre – zugegebenermaßen kleiner werdende – Klientel mit finanziellen Wohltaten bei der Stange zu halten. Immerhin muss ja die Parteibasis noch für eine Zustimmung gewonnen werden. Diese vermeintliche Schwierigkeit hat die SPD geschickt zum absoluten Trumpf bei den Verhandlungen mit der ohnehin matten Union umgewandelt. Mit Erfolg, denn mehr SPD fände sich wohl auch bei einer rot-grünen Bundesregierung nicht. Dass die Kanzlerin das CDU-Parteibuch trägt, scheint mittlerweile eher für die Union ein Problem zu sein, denn für Angela Merkels Machterhalt musste die CDU nahezu auf jede eigene inhaltliche Position verzichten. Wobei man sich durchaus fragen kann, welche inhaltlichen Positionen das denn nach dem Abschleifen der vergangenen Jahre überhaupt noch sein sollten. So ist also zu befürchten, dass sich der Stillstand Deutschlands der vergangenen Jahre in einer Verlängerung der Koalition der großen Verlierer fortsetzt und sogar verstärkt.

Trotz weniger Wählerstimmen setzt SPD sich durch

Diese Befürchtung lässt sich anhand der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag leider gut belegen. Besonders auffällig ist dies beim Kapitel Europa, bei dem sich Martin Schulz persönlich durchgesetzt zu haben scheint. Der Weg zum europäischen Zentralstaat scheint vorgezeichnet, die Kontrolle Brüssels über den deutschen Haushalt ist kaum verklausuliertes Ziel. Quasi als Vorstufe soll die europäische Schulden- und Haftungsunion manifestiert werden. Die einst vereinbarten Stabilitätskriterien von Maastricht spielen keine Rolle mehr. Das ist eine komplette Abkehr von der bisherigen Europapolitik der Union.

Beim drängenden Thema der Einwanderung sind keine wirksamen Maßnahmen zur Begrenzung erkennbar. Die als „Obergrenze“ verkaufte Zahl von knapp einer viertel Million Flüchtlingen ist deshalb das Papier nicht Wert, auf dem sie steht. Es ist also davon auszugehen, dass keine Besserung eintritt und weiterhin – rechtlich fragwürdig  – Tausende wöchentlich unter dem Vorwand „Asyl“ nach Deutschland dauerhaft einreisen, ob mit oder ohne Nachweis der Identität. Aktuell scheinen die Kosten im zweistelligen Milliardenbereich ja im Kontext der großen Umverteilung ohnehin nicht ins Gewicht zu fallen. Die Sorge der Bürger vor steigenden Straftaten und um die langfristige Entwicklung unserer Gesellschaft soll wohl in gewohnter Manier mit der Populismuskeule in Schach gehalten werden.

Hart trifft es mit dem Mittelstand einen Leistungsträger der Gesellschaft. Von Entlastung im Koalitionspapier keine Spur, statt dessen werden ihm verschiedene Hürden neu aufgebaut. Auch eine für junge Menschen wichtige Rentenreform zur Sicherung ihrer Ansprüche bleibt Fehlanzeige.

Obwohl die Union deutlich mehr Wählerstimmen erhalten hat als die SPD, konnte sie sich also bei wesentlichen Themen den marktwirtschaftsfernen und teilweise ideologisch geprägten Forderungen der SPD nicht erwehren.

Die Konservativen stören nur beim Umbau der Union

Dass die Union der SPD nun auch das Finanzministerium überlässt, ist ein weiteres Indiz dafür, dass es bei der Koalition nicht mehr um eine gute Politik für Deutschland geht, sondern nur noch um den Machterhalt der Kanzlerin. Auch die geplante Vergabe des Innenministeriums an Horst Seehofer scheint eher der Preis für die Zustimmung der CSU als sinnvolle Personalauswahl zu sein. Durch dieses Verhalten verliert die Parteispitze der Union weiter an Glaubwürdigkeit und zieht die ganze Partei damit weiter in den Abwärtstrend. Und so setzt sich denn fort, was durch den Linkskurs der Parteiführung erst möglich wurde: der Aufstieg der AfD, die es zumindest in dieser Stärke nicht gäbe, wenn die Union ihre Aufgabe ordentlich gemacht hätte.

Was bedeutet dies alles nun für die Zukunft der Union? Zahlreiche Unionsmitglieder haben aufgrund der Koalitionsvereinbarung bereits ihren Austritt aus der Partei verkündet. Das ist konsequent, wird doch die Union durch den Koalitionsvertrag und die Besetzung der Ministerien noch profilloser. Diese Entwicklung dürfte der Parteispitze, die die Partei ja immer weiter nach links geführt hat, durchaus entgegen kommen. Denn schließlich stören die – sich gemäß einer Studie der Konrad Adenauer Stiftung immer noch in der Mehrheit befindlichen – Konservativen die Parteiführung nur bei dem Umbau der Partei.

Der Widerstand wächst

Allerdings könnte diesmal der Widerstand unerwartet groß werden, denn viele Konservative und Wirtschaftsliberale sind nicht mehr bereit, sich aus der Partei vertreiben zu lassen. So erlebt die konservative und mittlerweile deutschlandweite Basisbewegung WerteUnion aktuell einen immensen Zulauf an neuen Mitgliedern. Und selbst in der bisher immer braven Bundestagsfraktion wächst der Widerstand, zumal die Besetzung der Kabinettsposten für viele überzeugte Christdemokraten ein Schlag ins Gesicht ist. So wird es diesmal auch bei der Unionsfraktion einige Bundestagsabgeordnete geben, die nicht länger gegen ihre Überzeugung stimmen wollen und deshalb der Kanzlerin die Stimme verweigern.

Es besteht also durchaus noch Hoffnung, dass diese Koalition nicht kommt. Denn selbst wenn die SPD-Mitglieder zustimmen – wozu sie allen Grund hätten – könnte es durchaus sein, dass die Union doch noch die Kurve kriegt und den Weg in die politische Bedeutungslosigkeit selbst beendet. Denn noch schlimmer kann es für die Partei nicht mehr werden. Noch sind es zwar die Mutigen, die diese Wende anführen, doch es werden immer mehr von denen, die mit ihrem Machtinstinkt spüren, dass die Union spätestens in zwei Jahren wieder eine andere Partei sein wird und die heutige Führung keine Rolle mehr spielt. Denn, um mit dem Politikwissenschaftler Werner Patzelt zu sprechen, „die CDU wird konservativ sein, oder sie wird nicht sein“.

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