Katrin Göring-Eckardt - Die Teflon-Kandidatin

Die Grünen streiten gerne. Nur nicht über Katrin Göring-Eckardt. Niemand fordert die Fraktionschefin bei der grünen Urwahl für die Spitzenkandidatur 2017 heraus

Erschienen in Ausgabe
Schließt man die Augen, klingt Katrin Göring-Eckardt wie die junge Merkel / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Constantin Magnis war bis 2017 Chefreporter bei Cicero.

So erreichen Sie Constantin Magnis:

Anzeige

Inzwischen tanzt Katrin Göring-Eckardt wieder gerne. Es hat gedauert. Als Kind eines Tanzlehrers wurde sie zu oft auf holprige Tanzflächen gejagt. Stepptanz an der Spitze der Faschingsparade. Vortanzen auf Stöckelschuhen für Hunderte Teenager. Im Jugendgefängnis der DDR musste sie an der Seite ihres Vaters mit Knastbrüdern Foxtrott üben. „Schlimm, für mich und für die Jungs“, sagt die 50-Jährige heute. 

Dass sie nun wieder allein drei Männern gegenübersteht, die um einen Platz neben ihr im grünen Spitzenkandidatenduo für die Bundestagswahl 2017 buhlen, macht der Fraktionschefin nichts. Bei der laufenden Urwahl konkurriert Ko-Fraktionschef Anton Hofreiter mit Parteichef Cem Özdemir und dem schleswig- holsteinischen Umweltminister Robert Habeck. Der Ausgang der Urwahl ist völlig offen. Im Januar soll das Ergebnis feststehen. Göring-Eckardt hingegen ist gesetzt. Es fand sich keine Mitbewerberin, die sie auf dem Frauenplatz herausfordert.

Unumstrittene Realofrau

Warum ist bei den streitbaren Grünen eine Realofrau so unumstritten? Ausgerechnet Göring-Eckardt, die schon seit 1998 dabei ist. Die unter Rot-Grün Schröders Agenda 2010 mitgetragen hat, Schilys Sicherheitspakete oder den Afghanistaneinsatz – für die Parteilinke alles Sündenfälle? Eine, die ihre Neigung zu Schwarz-Grün nur halbherzig kaschiert, während die Partei mit ihrem Beschluss zur Vermögensteuer Kurs auf Rot-Rot-Grün nimmt? Und wenn das Modell Göring- Eckardt überholt ist, warum setzen die Grünen sie dann für 2017 alternativlos an die Spitze?

Nach der fehlenden Konkurrenz fragt auch ein Aktivist, als Göring- Eckardt im November ein Aachener Grünen-Zentrum besucht. Sie faltet ihre kleinen, rosigen Hände und lehnt sich zurück. „Die Leute haben das Gefühl, es geht jetzt richtig um was. Für Regierungsverantwortung braucht es jemanden, der das Geschäft kennt.“ 

Es gibt wieder was zu kämpfen

Die designierte Spitzenfrau gibt sich als politisches Raubein in unruhigen Zeiten, es gäbe „seit 1989 wieder richtig was zu kämpfen“. Fast vergisst man dabei, dass die Grünen längst das Establishment  verteidigen, während Konservative im Tweed die Revolution führen. Doch wenn sie über Themen wie die AfD spricht, gluckert ihre Stimme maximal unaufgeregt vor sich hin. Den Duktus kennt man. Schließt man die Augen, klingt sie wie die junge Merkel. Beide verbindet mehr als ihre Alternativlosigkeit. 

„Katrin und Merkel haben gewisse Ähnlichkeiten im Modus“, sagt auch die Ex-Fraktionschefin Renate Künast. „Sie ist immer positioniert, aber sie setzt nicht plakativ Themen, ohne nicht auch die Fraktion dorthin zu bringen.“ Oder, wie es jemand aus der Parteispitze ausdrückt: „Katrin hält die Fraktion in der Mitte, aber gibt ihr dabei keine Richtung vor. Sie will nicht angreifbar sein.“

Tatsächlich sind ihre Stärke weniger die glühenden Unterstützer als vielmehr die fehlenden Gegner. Siehe die laufende Urwahl: Claudia Roth und Künast haben bereits 2013 einmal gegen Göring-Eckardt verloren und keinen Wiederholungsbedarf. Der glücklosen Parteichefin Simone Peter wurde die Kandidatur von Anton Hofreiter ausgeredet, der keine Zersplitterung der linken Stimme wünscht. Und sonst, heißt es, gibt es keine Frau, die eine Chance oder überhaupt Lust hätte.

Die Teflon-Kandidatin

So tritt die Teflon-Kandidatin noch einmal an. Göring-Eckardt scheut Manöver, mit denen sie anecken oder polarisieren könnte. 2004 drückt sie sich vor der Spitzenkandidatur in Thüringen, 2012 versucht sie eine Urwahl zu umgehen, 2013 will sie Jürgen Trittins linkem Programm nichts entgegensetzen und schreckt schließlich nach der Wahl davor zurück, Schwarz-Grün durchzusetzen. Dass sie trotzdem Fraktionsvorsitzende wurde, hat sie der Parteilinken zu verdanken, die wollte Kerstin Andreae als „Ultrarealo“ verhindern. 

So agiert sie als präsidiale Integrationsfigur, die als Protestantin zwar die grüne Sozial- und Wertepolitik geprägt, sich aber nie mit Einzelthemen profiliert hat. Genauso unverbindlich geht sie nun in den Wahlkampf. „Der erste, den wir komplett eigenständig bestreiten“, gibt sie als Parole aus. Doch kaum jemand zweifelt daran, dass sie nach der Wahl auf ein Bündnis mit der Union setzen würde. Ob es dazu kommt, wird auch davon abhängen, mit wem sie den Wahlkampf bestreitet. „Lagerübergreifende Bindewirkung hätte sie nur mit Robert Habeck“, glaubt jemand aus der Parteispitze. Dass sie führen kann, daran zweifelt allerdings auch Künast nicht: „Sie hält den Verein zusammen, indem sie sanft mit der Hand im Rücken leitet.“ Klassische Tänzertechnik. Privat wendet sie das gerne in Clärchens Ballhaus in Berlin an. Politiker trifft sie selten auf der Tanzfläche. Obwohl ihr Sigmar Gabriel mehrfach ein Tänzchen versprochen hat. „Vielleicht klappt es ja im nächsten Jahr“, sagt sie.

 

Dieser Text ist aus der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie in unserem Shop nachbestellen können.

 

 

 

 

 

Anzeige