Kanzlerkandidatur - Merkel ist alternativlos

Dass Angela Merkel ihre Kandidatur für 2017 noch nicht verkündet hat, ist reine Taktik. Denn ihr wird gar nichts anderes übrig bleiben, als wieder anzutreten. Um im Wahlkampf bestehen zu können, wird sie sich allerdings neu erfinden müssen

Die Bundeskanzlerin lässt sich von schlechten Umfragewerten nicht beirren / picture alliance
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Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Zwei Nachrichten machten am Wochenende Schlagzeilen. Zum einen meldete die Bild am Sonntag unter Berufung auf das Meinungsforschungsinstitut Emnid, jeder zweite Deutsche spreche sich gegen eine vierte Amtszeit Merkels aus. Zum anderen hieß es beim Spiegel, die Bundeskanzlerin wolle als Reaktion auf den Streit mit der Schwesterpartei CSU erst im Frühjahr bekannt geben, ob sie im kommenden Jahr noch einmal als Kanzlerkandidatin der Union in den Bundestagswahlkampf ziehen werde. Auch im ARD-Sommerinterview wich Merkel der Frage nach der Kanzlerkandidatur aus. Das werde sie „zu gegebener Zeit“ bekannt geben, sagte sie.

Merkel muss Kanzlerkandidatin werden

Doch wer hofft, die Ära Merkel könne schon bald zu Ende gehen, der hofft vergeblich. Merkel wird 2017 wieder für die Union in den Wahlkampf ziehen. Ihr bleibt gar nichts anderes übrig, alles andere käme einem politischen Selbstmord Merkels und der CDU gleich.

Dass sich Merkel noch ziert, ist allein der politischen Taktik geschuldet. Erstens wartet die Kanzlerin ab, bis die SPD entschieden hat, wer sie herausfordern soll. Dann kann sie besser darauf reagieren. Zweitens kann sie so ihre innerparteilichen Kritiker noch etwas zappeln und sich von ihnen bitten lassen. Drittens plant die CDU einen völlig anderen Wahlkampf als 2013, als sie ihre erneute Kandidatur bereits zwei Jahre zuvor im Sommer 2011 angekündigt hatte. Vieles ist anders als vor drei Jahren.

Eine neue Angela Merkel?

Damals lautete der zentrale Satz des Wahlkampfes „Sie kennen mich“. Merkel präsentierte sich als präsidiale Kanzlerin, die über dem Parteienstreit in der CDU-CSU-FDP-Koalition stand. Auf ihren Wahlkampfplakaten fehlte das Parteilogo, die Raute wurde stattdessen zum Merkel-Logo. Die FDP wurde im Wahlkampf abserviert, der SPD ließ Merkel zugleich kaum Raum für eine programmatische Profilierung. Munter klaute sie der politischen Konkurrenz Wahlkampfthemen wie Mindestlohn oder Mietpreisbremse.

Bei den CDU-Strategen hat sich jedoch längst die Einsicht durchgesetzt, dass sich ein solcher Wahlkampf, in dessen Mittelpunkt eine Strategie der asymmetrischen Demobilisierung steht, nicht wiederholen lässt. Merkel wird sich 2017 neu erfinden müssen und sie wird sich neu erfinden. Sie wird einen aktiven Wahlkampf führen, keinen passiven, sie wird politischer auftreten und eigene programmatische Akzente setzen, etwa mit der Ankündigung von Steuersenkungen und einem Programm zur Inneren Sicherheit. Dazu wird sie die schwarz-grüne Karte spielen. Und auch aus diesem Grund macht es Sinn, erst später in den Wahlkampf einzusteigen.

Den Zeitpunkt zum Rücktritt verpasst

Sollte Angela Merkel hingegen jemals mit dem Gedanken gespielt haben, sich im Laufe dieser Legislaturperiode aus der aktiven Politik zurückzuziehen, hat sie den Zeitpunkt für einen gesichtswahrenden und für die CDU nicht schädlichen Zeitpunkt verpasst. Angesichts der Flüchtlingskrise und der Herausforderungen, vor denen die Politik in den kommenden Jahren steht, würden die Wähler einen Rücktritt oder eine Rücktrittsankündigung kurz vor der nächsten Wahl als Flucht vor der Verantwortung verstehen. Zumal es in der Union keinen Kronprinzen gibt.

Hinzu kommt: Es gibt keine schlagkräftige innerparteiliche Opposition. Sollten die innerparteilichen Kritiker in der Flüchtlingskrise daran gedacht haben, Merkel zu stürzen, dann haben auch sie den Zeitpunkt längst verpasst. Im Frühjahr, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise und nach den Wahlniederlagen der CDU in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, war die Kanzlerin politisch angeschlagen. Da wäre es möglich gewesen, sie in Frage zu stellen. Doch mittlerweile sitzt Merkel wieder fest im Sattel. Daran kann auch die CSU nichts ändern.

Natürlich könnte sie den Daumen senken und sich von einer Kanzlerkandidatin Merkel distanzieren. Womöglich gar mit Horst Seehofer als eigenem Kanzlerkandidaten ins Rennen gehen. Doch damit würde die CSU vor allem sich selbst schaden. Eine zerstrittene Union verprellt die Wähler, den Schaden hätten am Ende beide, Merkel und Seehofer, CDU und CSU. Zur ewigen Merkel gibt es also keine Alternative.

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