IS-Kämpfer - Wo Donald Trump recht hat

In Syrien ist der IS militärisch fast besiegt. Was passiert danach mit den deutschen IS-Kämpfern? US-Präsident Donald Trump fordert, dass Deutschland sie zurücknehmen muss. Ihnen hier den Prozess zu machen, wird sich jedoch schwierig gestalten.

Auch deutsche IS-Kämpfer sind für die Schäden des Krieges verantwortlich. Was passiert jetzt mit ihnen? / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Ludwig Greven ist freier Journalist und Autor. Er unterrichtet politischen Journalismus.

So erreichen Sie Ludwig Greven:

Anzeige

Das Terror-Kalifat des IS in Syrien und Irak ist so gut wie ausgelöscht. US-Präsident Donald Trump will die amerikanischen Truppen bald aus beiden Staaten abziehen. Obwohl die islamistische Terrororganisation längst nicht besiegt ist, sondern sich nun in Afghanistan, Jemen, Libyen und anderen Ländern breit macht. Das stellt die Bundesregierung und die deutsche Gesellschaft vor ein schwieriges Problem, das von der Berliner Politik bislang absichtsvoll verdrängt wurde. Mit seiner ultimativen Forderung, Deutschland und andere europäische Staaten müssten die gefangenen IS-Kämpfer zurückholen, die aus diesen Ländern ausgereist sind, hat Trump es nun äußerst virulent gemacht. 

Denn seine Forderung ist berechtigt. Und die von ihm damit verbundene Drohung, andernfalls würden die Kurden und die US-Einheiten die Gefangenen freilassen, eine sehr konkrete Gefahr.

Deutschland trägt die Verantwortung

Deutschland trägt für die mindestens 100 IS-Kämpfer, die von hier kamen und von kurdischen Milizen festgehalten werden oder in syrischen und irakischen Gefängnissen sitzen, Verantwortung. Und zwar in mehrfacher Hinsicht: Sofern sie einen deutschen Pass besitzen, ist Deutschland rechtlich verpflichtet, sich um sie als Staatsbürger zu kümmern. Deutschland muss sie zum Beispiel konsularisch zu betreuen, selbst wenn sie noch eine weitere Staatsbürgerschaft haben und der Zugang zu ihnen bislang schwierig oder unmöglich ist. Einschließlich ihrer zum Teil in Haft geborenen Kinder.

Aber auch wenn etwa 30 der IS-Söldner keine deutschen Staatsbürger sein sollen, sind der hiesige Staat und die hiesige Gesellschaft für sie verantwortlich. Denn sie sind hierzulande zu dem geworden, was sie sind: potenzielle oder tatsächliche Verbrecher, Mörder, Geiselnehmer, Vergewaltiger, Terroristen. Auch wenn sie ihre menschenverachtenden Mordtaten nicht hier, sondern in anderen Ländern verübt haben. 

Völlig unabhängig davon, aus welchen Gründen sie sich dem IS oder anderen Terrorgruppen angeschlossen haben: Weil sie schon vorher Kriminelle waren; weil sie mit dem Leben in einem freien, vielfältigen Land nicht klar kamen; weil sie sich ausgegrenzt und diskriminiert fühlten; oder weil sie schlicht das „Abenteuer“ suchten. Wie wohl nicht wenige der jungen Deutschen, die konvertiert sind und im Killer-Dienst des IS Anerkennung, Bestätigung und Ruhm zu finden hofften, was ihnen hier versagt blieb. Oder den Märtyrertod.

Schwierige Beweislast

Irgendeine Entschuldigung oder Gnade haben sie nicht verdient. Für ihre Verbrechen müssen sie bestraft werden und büßen, selbst wenn sie sich vom IS inzwischen losgesagt haben. Das ist Deutschland allein schon den Opfern und deren  Kindern, Eltern und sonstigen Hinterbliebenen, aber auch den Menschen in Syrien und im Irak insgesamt schuldig. Denn es hat nicht nur, wie andere westliche Staaten, viel zu wenig getan, um das Blutvergießen in beiden Ländern zu verhindern und zu stoppen. Es hat die IS-Freiwilligen darüber hinaus nicht daran gehindert, dorthin zu gelangen. 

Die ehemaligen Terrorsöldner hier vor Gericht zu stellen, hat auch eine abschreckende Wirkung: Andere müssen davor gewarnt und daran gehindert werden, es ihnen nachzutun. Die Botschaft muss sein: Auch wer nicht im Kampf stirbt, entgeht nicht seiner gerechten Strafe. 

Das beinhaltet freilich auch sicherzustellen, dass sie einen fairen Prozess erhalten, was in Syrien und Irak, erst recht in den Kurdengebieten nicht gewährleistet ist. Die Schuldigen müssen von deutschen Richtern für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden, nicht bloß für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und für die – inzwischen unter Strafe gestellte – Ausreise zum IS oder anderen Terrorgruppen. 

Ihnen konkrete Taten nachzuweisen, dürfte jedoch nicht leicht werden. Denn wenn es überhaupt Beweise und Zeugenaussagen gibt, stammen sie aus einem Terrorkrieg. Erkenntnisse der amerikanischen, deutschen oder anderer Geheimdienste wiederum, des syrischen und irakischen Militärs oder kurdischer und sonstiger Milizen dürfen in einem deutschen Verfahren allenfalls sehr eingeschränkt verwendet werden. Es wird also eine Herausforderung für die Staatsanwaltschaften und Gerichte werden, ähnlich wie in den RAF-Prozessen. 

Dennoch wird die Bundesrepublik nicht daran vorbeikommen, wenn sie demonstrieren will, dass ein demokratischer Rechtsstaat einem islamistischen Gottesstaat in jeder Hinsicht überlegen ist. Auch und gerade rechtsstaatlich, mit der gebotenen Strenge der Gesetze.

Anspruch auf Resozialsierung

Noch heikler wird es, wenn den IS-Freiwilligen keine Verbrechen nachzuweisen sind. Was soll dann mit ihnen geschehen? Können sie freigelassen werden, wenn sie nachweisbar dem Terror abgeschworen haben? Oder stellen sie weiterhin eine Gefahr da? Auch das wird jeweils genau zu prüfen sein.

Falls sie nach Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden und der Geheimdienste weiterhin eine Gefahr bilden, müssen sie streng überwacht werden, rund um die Uhr, was viel Personal und Geld erfordert. Gegebenenfalls wird man deshalb auch daran denken müssen, sie präventiv einzusperren, nach den Maßgaben des Polizeirechts. Denn auch das gehört zu den Pflichten und Aufgaben eines Rechtsstaates: Die Sicherheit seiner Bürger zu wahren und sie zu schützen vor Gefahren durch home grown terrorists oder eingewanderte Djihadisten. 

Nur eins darf Deutschland auf keinen Fall, wenn es sich nicht selbst verraten will: die ehemaligen IS-Kämpfer für ewige Zeit wegsperren, wie es die USA gemacht haben, ohne Prozess. Selbst die schlimmsten Verbrecher haben bei uns Anspruch auf Resozialisierung, auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Das sind wir uns und ihnen schuldig.

Anzeige